Sven Giegold

Frankfurter Rundschau: Aufsicht verbietet Banken Verzicht auf Boni

Frankfurter Rundschau, 02.03.2014

Frankfurter Rundschau Lo

Aufsicht verbietet Banken Verzicht auf Boni

Bafin: Fixgehälter allein für viele Mitarbeitergruppen nicht zulässig / Institute müssen Angestellte durch Aussicht auf variable Vergütung steuern

Von Nina Lotter

Boni sind gesellschaftlich in Verruf geraten. Das liegt vor allem an dem Gebaren der Banken: Nach wie vor schütten sie gigantische Summen, vor allem an ihre Investmentbanker, aus – selbst wenn die Ergebnisse des Instituts alles andere als hervorragend sind. Jahrelang wurden Banker für kurzfristige Erfolge belohnt, auch wenn sich die Geschäfte langfristig als zu riskant und verlustträchtig erwiesen. Teilweise verbinden die Banken die Nachricht von der Auszahlung von Milliardenboni sogar noch mit dem Hinweis, dass gleichzeitig tausende Jobs abgebaut werden – wie es zuletzt die britische Großbank Barclays getan hat.

„Boni gehören verboten“, denken daher viele Bürger. Doch hier kommt die Neuigkeit: Banken in Deutschland dürfen ihre variablen Vergütungssysteme gar nicht abschaffen. Die für die Bankenaufsicht in Deutschland zuständigen Behörden Bafin und Bundesbank verlangen nämlich von den Kreditinstituten, dass sie für einen großen Teil ihrer Mitarbeiter variable Vergütungssysteme vorhalten.

Unverbindliche Anfragen von Banken haben die Aufseher negativ beschieden

Die Aufsicht erwarte, dass alle Institute ihre Vergütungssysteme so ausgestalten, dass Anreize für die Geschäftsleiter und die Mitarbeiter unverhältnismäßig hohe Risiken einzugehen, vermieden würden, teilte die Bafin in Abstimmung mit der Bundesbank der FR auf Anfrage mit. Bei einer rein fixen Vergütung könne das Institut einzelne Mitarbeiter gerade nicht steuern und insbesondere negatives Verhalten nicht durch Minderung oder das Streichen der variablen Vergütung sanktionieren. „Daher sind diejenigen außertariflich beschäftigten Mitarbeiter variabel zu vergüten, bei denen durch die variable Vergütung eine Steuerung sinnvoll und notwendig ist. Dies betrifft insbesondere Geschäftsleiter und Risikoträger bedeutender Institute“.
Bedeutende Institute sind laut der seit Januar geltenden Institutsvergütungsverordnung, auf die sich die Finanzaufsicht bezieht, Kredithäuser mit einer Bilanzsumme ab 15 Milliarden Euro in den vergangenen drei Jahren. Die weisen nicht nur große Privatbanken oder Landesbanken auf, sondern auch einige Sparkassen wie die Frankfurter Sparkasse oder die Sparkasse Köln-Bonn.

Zusammenfassend teilte die Bafin der FR mit: „Aus den vorgenannten Gründen verlangt die Institutsvergütungsverordnung grundsätzlich für bestimmte Mitarbeitergruppen, dass die Gesamtvergütung weiterhin aus einem fixen und einem variablen Bestandteil besteht.“ Zwar sagt die Behörde nicht konkret, welche Mitarbeitergruppen durch variable Vergütungssysteme „sinnvoll gesteuert“ werden müssen. Es dürfte sich dabei aber um alle Angestellten handeln, die mit relevanten Geldbeträgen jonglieren – also zum Beispiel Investmentbanker und das Führungspersonal.

Dies hat nach FR-Informationen sogar dazu geführt, dass die Aufsichtsbehörden Banken, die unverbindlich bei den Prüfern angefragt hatten, ob sie Bonisysteme wegen ihres schlechten Rufes und dem damit verbundenen Reputationsrisiko sowie der Komplexität der Systeme einstellen könnten, eine Absage erteilten.

Die Bafin fürchtet einerseits, dass die Banken nach einer Abschaffung von variablen Vergütungssystemen einfach höhere Fixgehälter zahlen. Viele Banken haben in letzter Zeit tatsächlich ihre Fixgehälter erhöht. Denn es gilt inzwischen ein gesetzlicher Bonuscap: Die Leistungsprämie darf maximal so hoch sein wie das Fixgehalt. Die Gefahr ist, dass die Institute einen „großen Fixkostenblock“ schaffen, „der gerade in einer Krisensituation nie wieder reduziert werden kann“, so die Bafin. Zum anderen glaubt sie aber offenbar, dass sie die Banker nur durch solche, wie sie sagt, „angemessenen Verhaltensanreize“ steuern und zum Wohlverhalten erziehen kann.

Laut Institutsvergütungsverordnung sollen Boni über mehrere Jahre gestreckt ausgezahlt werden, so dass sie bei negativen Ergebnisbeiträgen auch gestrichen oder gekürzt werden können (Malus-System). Zudem kann die Aufsicht die Auszahlung variabler Vergütungen verbieten, wenn die Eigenkapital- oder Liquiditätssituation einer Bank zu schlecht ist. Die Bafin nimmt offenbar an, dass die Banker den einmal angekündigten Bonus im Kopf schon für sich verbucht haben und daher alles tun werden, um ihn auch wirklich zu bekommen. Augenscheinlich glaubt die Behörde dagegen nicht, dass ein angemessenes Fixgehalt ausreichen könnte, um Banker zu einem ordentlichen Verhalten zu animieren.

Sven Giegold, Finanzexperte der Grünen im EU-Parlament, hält es für „völlig unverständlich“, dass Bafin und Bundesbank variable Vergütungssysteme vorschreiben. „Früher hat das Bankgewerbe auch sehr gut ohne Boni funktioniert. Und auch andere Menschen arbeiten ganz ohne variable Vergütung und leisten gute Arbeit“, sagte er der FR.
Variable Vergütungssysteme richteten sich immer nach relativ kurzfristigen Kriterien. „Die großen Erfolgsgeschichten der Wirtschaft waren aber immer langfristig orientierte“, sagte er. „Das ist eine unzulässige Einmischung des Staates in die Corporate Governance der Unternehmen.“ Nicht die Bafin sei dafür zuständig, Banker in die richtigen Bahnen zu lenken. „Das ist Aufgabe der Unternehmensführung“, so Giegold. Der EU-Gesetzgeber habe das so nicht gewollt. In Teilen basiert die neue Verordnung auf der CRD IV, einer Richtlinie der EU.

Tatsächlich ist es so, dass variable Vergütungen in Deutschland erst seit den 90er Jahren üblich sind. Laut einer Studie von Kölner Forschern von 2011 nutzen 57 Prozent der deutschen Unternehmen leistungsorientierte Vergütungssysteme für Führungskräfte, 37 Prozent für zumindest Teile ihrer Mitarbeiter. In einigen Branchen, wie im Gesundheitssektor, in der Baubranche und im öffentlichen Dienst sind Boni dagegen weiterhin selten.

„Im Bankensektor sind variable Vergütungssysteme sicher am stärksten auch unterhalb der Führungsebene üblich“, sagt Corporate- Finance-Experte Zacharias Sautner von der Frankfurt School of Finance and Management. Warum das so ist? „Das sind natürlich schon eine bestimmte Art von Menschen, die in Banken arbeiten. Sie arbeiten jeden Tag mit Geld und haben daher wohl auch einen anderen Fokus für sich selbst darauf“, glaubt er.

Monetäre Leistungsanreize können die intrinsische Motivation zerstören

Die Banken argumentieren oft, dass sie ihre besten Mitarbeiter verlieren würden, wenn sie ihnen keine Boni in Aussicht stellen könnten. Allerdings haben sie in der Finanzkrise tausende Mitarbeiter abgebaut, so dass ein Jobwechsel auch für die sonst wechselfreudigen Banker nicht mehr so einfach ist. „Top-Leute sind allerdings immer noch gesucht und umworben“, sagt Sautner.

Es gibt zahlreiche Studien zu Wirksamkeit und Nutzen von variablen Vergütungssystemen – mit teils entgegengesetzten Ergebnissen. „Insgesamt zeigt sich in den Studien aber ein positiver Effekt“, sagt Torsten Biemann, Professor für Personalmanagement an der Uni Mannheim. „Variable Vergütung steigert die Motivation und zieht leistungsbereite Mitarbeiter an. Und erhöht so sehr oft die Produktivität.“ Allerdings gebe es auch Belege, dass risikoaverse Personen – wie sie Banken nach den Erfahrungen der Krise vielleicht mehr bräuchten – von variablen Vergütungssystemen eher abgeschreckt würden.

Zudem gibt es die umstrittene These, dass finanzielle Anreizsysteme die intrinsische Motivation zerstören können. Darunter versteht man den Willen von Menschen, ihren Job einfach um seiner selbst willen zu machen. „Es wäre aber sicher eine schlechte Idee, wenn wir als Konsequenz der Krise sagen würden, dass es keine variable Vergütung mehr geben soll. Die Systeme müssen aber richtig ausgestaltet sein, um keine falschen Anreize zu setzen“, sagt Sautner. Bafin und Bundesbank lassen den Banken nun aber ohnehin keine Wahl mehr.

Rubrik: Wirtschaft & Währung

Bitte teilen!