Sven Giegold

Schumanns unbeantwortete Fragen

Der Journalist Harald Schumann hat mit seinem Film über die Troika wieder ein starkes Stück investigativen Journalismus abgelegt (https://www.youtube.com/watch?v=E6aNwBwEm6U). Im Zuge der Recherchen haben EZB und EU-Kommission die Beantwortung seiner Fragen verweigert. Die EU-Kommission hatte ihm die Antworten sogar zweimal zugesagt und dann doch der Mut verlassen.

Nachdem er im Film die Verweigerung der Antworten beklagte, habe ich Harald Schumann angerufen und nun seine Fragen als schriftliche Abgeordneten-Fragen eingereicht. Dabei habe ich mein Kontingent für elektronisch einreichbare Fragen überschritten und musste – heilige Bürokratia! – die Fragen persönlich einreichen, was ich mit Vergnügen gemacht habe.

Hier dokumentiere ich die Fragen (von uns aus dem Englischen übersetzt ins Deutsche) und bin nun gespannt auf die Antworten!

 

Die Fragen an die Europäische Kommission

 

“Zu Zypern:

 

Als Bedingung für die vom ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) und IMF (Internationaler Währungsfonds) im März 2013 gewährten Notfallkredite an Zypern wurden die zypriotischen Banken dazu gedrängt, ihre griechischen Geschäftszweige an die griechische Bank Piraeus zu verkaufen. Um sich auf einen Preis zu einigen, trafen sich am 11. März Vertreter der zypriotischen und griechischen Regierungen und Zentralbanken sowie die beiden Delegationen der Troika in Athen. Da sie keine Einigung erzielen konnten, übernahm die GD (Generaldirektion) Wettbewerb (der Kommission) die Sache und bereitete eine Absichtserklärung zu dem Geschäft vor. Diese Absichtserklärung wurde der zypriotischen Regierung in der Eurogruppe präsentiert, ohne der zypriotischen Regierung eine andere Wahl zu lassen, als das Geschäft zu akzeptieren.

Nach unseren Informationen hat die GD Wettbewerb in dieser Absichtserklärung einen extrem niedrigen Preis angesetzt, der nur etwa ein Fünftel des Nettovermögens der griechischen Geschäftszweige der zypriotischen Banken betrug. In der Folge musste die Piraeus Bank den zypriotischen Banken nur EUR 524 Mio für ihre griechischen Geschäftsteile bezahlen, während Experten der GD Wettbewerb den Wert (Vermögenswerte abzüglich Schulden) unter Berücksichtigung eines kräftigen Abschlags für mögliche zukünftige Verluste entsprechend eines vom Berater Pimco entwickelten Stress-Szenarios mit EUR 2,45 Milliarden berechnet hatten.

1) Warum hat die GD Wettbewerb den Preis so niedrig angesetzt und dadurch den griechischen Käufer einen Vorteil verschafft?

2) Als Grund für den niedrigen Preis wurde in der Absichtserklärung der Kommission genannt, dass der Verkäufer den Teil des regulatorischen Kapitals, welches zum Anstieg der Vermögenswerte auf Seiten der kaufenden Bank notwendig war, für den Käufer bezahlen musste. Wie rechtfertigte die GD Wettbewerb eine solche unübliche Vorgehensweise?

3) Angesichts des Drucks, griechische Geschäftszweige zu einem so niedrigen Preis zu verkaufen, sah sich die Bank von Zypern gezwungen, potenzielle Verluste in Höhe von EUR 2 Mrd in realisierte Verluste umzuwandeln. Erst dadurch wurde die Bank insolvent und ihre Einleger mussten durch einen Bail-In bezahlen. Warum versuchte die GD Wettbewerb nicht, dieses Ergebnis abzuwenden, indem sie eine andere Lösung vorschlug, zum Beispiel ein einfaches Abgrenzen (ring-fencing) der griechischen Geschäftszweige oder zumindest einen gerechteren Preis beim Verkauf?

4) Der erzwungene Verkauf zum von der EU-Kommission vorgegebenen Preis übertrug ein großes Vermögen von Zypern auf die griechische Bank Piraeus. Piraeus war ausweislich seiner Bilanz zu diesem Zeitpunkt insolvent. Aber nach Übernahme der griechischen Geschäftszweige der zypriotischen Banken berichtete die Piraeus Bank einen Anstieg des Eigenkapitals um EUR 3,4 Mrd als Folge eines negativen Geschäfts- oder Firmenwertes nach Verbuchung dieser Übernahme. Warum ließ die GD Wettbewerb das zu? Handelte es sich dabei nicht um eine verbotene staatliche Beihilfe, sofern sie nur von den Einlegern zypriotischer Banken bezahlt wurde?

4a)  Gemäß unstrittiger Berichte von Reuters und der New York Times hatte sich Michalis Sallas, der frühere CEO (Vorstandsvorsitzende) und derzeitige Aufsichtsratsvorsitzende der Piraeus Gruppe, von der zypriotischen Laiki Bank mehr als EUR 100 Mio über Briefkastenfirmen, die formal seinen Kindern gehören, geliehen. Nach Ermittlungen von Wirtschaftsprüfern in Zypern war dieser Kredit nicht zurückgezahlt worden, bis Piraeus von Laiki das Geschäft in Griechenland gekauft hatte. Wie stellte die GD Wettbwerb sicher, dass Herr Sallas nicht persönlich von der Übernahme von Laikis Geschäft in Griechenland profitierte?

 

Zu Portugal

 

2008 verstaatlichte der portugiesische Staat die Bank BPN. Nachdem alle verlustbringenden Vermögenswerte auf “Bad Banks” übertragen worden waren, verkaufte die portugiesische Regierung im März 2012 die BPN Bank an den portugiesischen Geschäftszweig der angolanischen Bank BIC zu einem Preis von EUR 40 Mio. Kurz vor dem Verkauf hatte der portugiesische Staat noch einmal EUR 600 Mio an Kapitalspritzen geleistet und dadurch die Kernkapitalquote der Bank auf 16% ihrer risikogewichteten Aktiva angehoben. Zusätzlich übernahm der portugiesische Staat die Verpflichtung, den Käufer für alle Verluste zu entschädigen, die aus Differenzen zwischen dem Zinssatz, den die alte BPN mit langfristigen Einlegern ausgehandelt hatte, und dem aktuellen Marktzinssatz entstehen können – eine Subvention, die alleine im ersten Halbjahr 2013 EUR 8 Mio kostete.

5) Warum erlaubte die GD Wettbewerb so eine große Summe staatlicher Beihilfen für eine Privatbank ohne Bedingungen an den Käufer, für diese Wettbewerbsverzerrung eine Entschädigung zu leisten?

6) Der Hauptaktionär der kaufenden Bank BIC ist die Tochter des angolesischen Diktators dos Santos. Dos Santos und seine Familie haben bekanntermaßen Staatsgeld für ihre eigenen Geschäfte gestohlen und ihr Schwarzgeld durch ihre Unternehmen – einschließlich der Bank BIC – weiß gewaschen. Hat die GD Wettbewerb hierzu Ermittlungen angestellt?

6a) Was hat die GD Wettbewerb unternommen um zu verhindern, dass einer Bank, die verdächtigt wird, in Geldwäsche verwickelt zu sein, Staatsbeihilfe gewährt wird?

 

Zu Griechenland

 

Als Folge des PSI (Private Sector Involvement, Beteiligung des Privatsektors am Schuldenschnitt) war das griechische Bankensystem zusammengebrochen. Um die griechischen Banken zu rekapitalisieren, musste der griechische Staat EUR 50 Mrd Schulden aufnehmen. Zusammen mit den fast EUR 40 Mrd, die der griechische Staat schon hineingepumpt hatte, wurde er Eigentümer der vier verbliebenen Banken. Zum selben Zeitpunkt wurde der griechische Staat aber dazu verpflichtet, die Banken innerhalb von drei Jahren zu reprivatisieren. Im Ergebnis werden die Banken zu Schnäppchenpreisen verkauft, weit unterhalb des Preises, den der Staat bezahlen musste und der griechischen Staatskasse werden hohe Verluste aufgebürdet.

7) Warum wurde dem griechischen Staat nicht erlaubt, es wie die Amerikaner zu machen und die Banken so lange im staatlichen Besitz zu halten, bis sie mit einem Gewinn für den Steuerzahler verkauft werden können?

8) Nachdem der griechische Staat mit mehr als EUR 6 Mrd die Euro-Bank rekapitalisiert hatte, emittierte diese im April 2014 neue Aktien, um einen Kapitalbedarf von weiteren EUR 2,8 Mrd zu decken. Diese Aktien wurden für 30 Cent pro Stück an amerikanische und kanadische Investoren, darunter Fairfax und WRL, verkauft, während der griechische Staat EUR 1,54 pro Aktie bezahlt hatte. Als Folge dieser Transaktion wird der Anteil des Staates an der Bank nicht nur von 96 Prozent auf weniger als 35 Prozent fallen, sondern zugleich entstehen dem griechischen Staat dadurch Verluste in Höhe von zwei Dritteln seiner Investition. Warum erlaubte die GD Wettbewerb diese indirekte staatliche Beihilfe für ausländische Käufer einer Bank im Staatsbesitz?

 

Die Fragen an die Europäische Zentralbank

 

1) Ausweislich des Entwurfs für ein als „vertraulich“ deklariertes Memo (veröffentlicht hier: http://www.thepressproject.net/article/73470/How-the-troika-and-Piraeus-Bank-sealed-Cypruss-fate ) gab es bei der EZB eine Arbeitsgruppe, welche die erst im März 2013 erzwungene Trennung/den Verkauf des griechischen Teils der zypriotischen Banken im Rahmen einer möglichen Gewährung von Notkrediten für den zyprischen Staat bereits seit Januar 2013 plante. Auf wessen Weisung hin erfolgte diese Planung?

2) Die Autoren des Memos kamen zu dem Schluss, dass die erzwungene Übertragung/der Verkauf  der griechischen Geschäfte der zyprischen Banken an eine griechische Bank die Mutterbanken „technisch insolvent“ machen würde (Seite 7, Absatz IV). Genau dieses Szenario hat die EZB als Mitglied der Troika dann empfohlen und so wurde es umgesetzt. Warum hat die EZB damit eine Maßnahme unterstützt und durchgesetzt, mit der nach Einschätzung ihrer eigenen Fachleute die zyprischen Mutterbanken, und da insbesondere die Bank of Cyprus (BoC) absichtlich in die Insolvenz gezwungen wurden?

3) Ein Mitglied der Planungsgruppe war der EZB-Jurist Phoebus Athanassiou. Herr Athanassiou war früher Mitarbeiter der griechischen Anwaltsfirma Tsibanoulis & Partner, deren Chef er nach eigenen Angaben freundschaftlich verbunden ist. Die griechische Bank Piraeus, der im März 2013 sämtlichen griechischen Geschäfte der zyprischen Banken zum sehr günstigen Preis zugeschlagen wurden, ist einer der wichtigsten Klienten von Tsibanoulis & Partner. Teilt die EZB die Einschätzung, dass darum ein leitender ihrer mit dem Management der Zypern-Krise befassten Mitarbeiter in einen Interessenkonflikt verstrickt war und ist?

3a) War der Leiter des Zypern-Teams, der damalige EZB-Direktor Jörg Asmussen, über diesen potenziellen Interessenkonflikt informiert?

4) Trifft es zu, dass das für die Operation nach Angaben in dem erwähnten Memo notwendige zypriotische Gesetz zur Bankenabwicklung zu erheblichen Teilen von Mitarbeitern der EZB geschrieben wurde?

5) Nach Angaben des zyprischen Parlamentariers Nicolas Papadopoulos hat Herr Athanassiou dieses Gesetz im zyprischen Parlament vorgestellt. Hat er bei diesem Auftritt den Abgeordneten erklärt, dass er nicht Vertreter der zyprischen Zentralbank  ist, sondern von der EZB kommt?5a) Warum hat Herr Athnassiou bei der Vorstellung des Gesetzes nicht erwähnt, dass die geplante Operation den Zwangsverkauf der griechischen Geschäfte der zyprischen Banken vorsieht?

6) Nach Angaben in dem erwähnten Memo betrug der Nettowert der Aktiva der griechischen Teile der zypriotischen Banken 8,5 Milliarden Euro (S. 2, Abs. I). Selbst nach Abzug der potenziellen Verluste nach einem von der Firma Pimco entwickelten „adverse scenario“ betrug der Wert dieser Aktiva noch 2,5 Milliarden Euro. Die Piräusbank erhielt diese Aktiva aber einschließlich der Filialen, der Kunden und deren Einlagen zum Kaufpreis von 524 Millionen Euro. Warum hat die EZB diesen Vorgang gegen den erklärten Willen der Vorstände der Bank of Cyprus und der Laiki-Bank unterstützt, obwohl damit die Einleger der zyprischen Banken im Rahmen des vollzogenen bail- mehr als zwei Milliarden Euro zusätzlich verloren?

7) Warum hat die EZB sich nicht dafür eingesetzt, dass entweder ein höherer Kaufpreis entrichtet wird oder eine andere Form der Abschottung („ring fencing“) der griechischen Filialen gewählt wurde, um die BoC solvent zu halten?

8) Der Zwangsverkauf des griechischen Geschäfts der zypriotischen Banken zu diesem niedrigen Preis war eine Bedingungen für die Gewährung von Notkrediten durch den ESM und den IWF an die zypriotische Regierung. Während der Beratungen der  Finanzminister der Eurogruppe über dieses Programm hat sich der zypriotische Präsident Anastasiades zunächst geweigert, die geforderten Bedingungen zu erfüllen. Daraufhin hat nach einem unwidersprochenen Bericht der Financial Times  der damalige EZB-Direktor Jörg Asmussen erklärt, ohne den Abschluss der Vereinbarung werde die EZB die Gewährung von Liquiditätskrediten (Energency Liquidity Loans, ELA) einstellen. Erlaubt das Mandat der EZB die Koppelung der Gewährung von ELA an die Erfüllung politischer Forderungen der anderen Staaten?

9) Die Piraeus-Bank war ausweislich ihrer veröffentlichten Bilanz zum Zeitpunkt des Erwerbs der griechischen Filialen der zypriotischen Banken insolvent. Aber nach der Abwicklung des Kaufs wies die Piraeus-Bank ein um 3,4 Milliarden Euro erhöhtes Eigenkapital infolge des um diese Summe eingerechneten Bewertungsgewinns der erworbenen Aktiva („negative goodwill“) Warum ließ die EZB es zu, dass Zyperns Banken gezwungen wurden, zum Stichtag des Verkauf alle potenziellen, noch gar nicht eingetretenen Verluste ihrer in Griechenland ausgegeben Kredite zu realisieren, während gleichzeitig die Piraeus-Bank eben diese – rein fiktiven – Verluste nicht berechnen musste und so der Insolvenz entkam? Wurde da in zwei Ländern der Eurozone die in allen Euroländern geltenden Gesetze zur Regulierung der Kapitalausstattung von Banken völlig unterschiedlich angewandt?

10) Nach unwidersprochenen Berichten von Reuters und der New York Times hat der frühere CEO und heutige President of the Board der Piräus-Bank, Michalis Sallas, gemeinsam mit seinen beiden Kindern bei der zypriotischen Bank Laiki offene Kredite in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro, die nach Feststellung der Rechnungsprüfer von Laiki als notleidend deklariert und bis zur Abwicklung der Bank nicht zurückgezahlt wurden. Wurde bei Übernahme der griechischen Geschäfte von Laiki durch Piraeus sichergestellt, dass Michalis Sallas und seine Familie keine persönlichen Vorteile daraus erwachsen, dass die von ihm geführte Bank nun selbst diese Kredite in ihren Büchern stehen hat?

11) Wird die EZB jetzt, nachdem sie die Aufsicht über die Piräus-Bank übernommen hat, diesen Fall untersuchen?

 

Und hier noch ein paar Fotos vom Einreichen der Fragen:

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PS: Die Fragen an die EZB werden folgen.

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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