Die Verhandlungsgruppen von Europaparlament und Rat einigten sich gestern Abend zum zweiten Mal bei den Verhandlungen über das Economic Governance-Paket. Es besteht aus sechs Berichten und ist auch als 6pack oder „Rehn-Vorschläge“ bekannt. Das Paket muss von Rat und Europaparlament noch beschlossen werden. Dazu erklärt Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen/EFA im Europaparlament:
„Wir unterstützen einen ehrgeizigen europäische wirtschaftliche Steuerung, die Solidarität und Verantwortung gemeinsam verfolgt.
Das ist bei den Berichten zu wirtschaftlichen Ungleichgewichten (Ferreira, Haglund) gelungen. Es ist zu begrüßen, dass sowohl Mitgliedsländer mit Überschüssen, als auch Staaten mit Defiziten einen Beitrag zum Abbau der volkswirtschaftlichen Ungleichgewichte leisten müssen und bei Nichthandeln sanktioniert werden können. Insbesondere Deutschland wird nun gefordert sein, durch Mindestlöhne, faire Lohnabschlüsse und Zukunftsinvestitionen zur Verringerung des Ungleichgewichts zwischen exportstarken und exportschwächeren Mitgliedsstaaten beizutragen.
Der Ford-Bericht verbessert die Transparenz der mitgliedsstaatlichen Haushaltsdaten, da er striktere Regeln sowie Analyse durch unabhängige Institute vorschreibt. Diese Punkte und damit die entsprechenden Berichte sind unterstützenswert, da sie effektive Ansätze zur Überwindung der wirtschaftlichen Ungleichgewichte und Verbesserung der mitgliedsstaatlichen Haushaltsdisziplin darstellen.
Wir Grüne sind für klare Grenzen für öffentliche Schulden und für einen effektiven Stabilitäts- und Wachstumspakt. Ebenso ist es notwendig, Schulden zu reduzieren. Die drei Berichte zur Reform des Paktes (Wortmann-Kool, Feio und Goulard) verschärfen richtigerweise die Haushaltsdisziplin der EU-Länder. Sie sind jedoch auf der staatlichen Einnahmeseite blind und setzen einseitig auf Ausgabenkürzungen, um Staatsschulden zu verringern. Mit diesem Weg werden die Lasten der Haushaltskonsolidierung vor allem auf den Schultern der Mittelschicht, Geringverdiener und Armen abgeladen. Außerdem drohen Zukunftsinvestitionen wie Bildung und erneuerbare Energien im Rahmen eines Grünen New Deals unter die Räder der einseitigen Konsolidierung zu geraten.
Wir Grüne haben einen Ausweg aus diesem Dilemma entwickelt und vorgeschlagen: Die EU 2020-Ziele mit ihren Schwerpunkten Armutsbekämpfung, Klimaschutz und Bildung sollten genauso verbindlich werden, wie die Vorgaben an die Mitgliedsstaaten zur Senkung ihrer Schulden. Die Lage in den Krisenstaaten verdeutlicht, dass Sparen allein nicht aus der Krise hinausführt, sondern Investitionen in die zuvor genannten Schlüsselsektoren und soziale Balance notwendig sind. Eine konservativ-liberale Mehrheit hat diesen Vorschlag der gleichen Augenhöhe von EU 2020-Zielen und Defizitkriterien jedoch abgelehnt und damit eine nachhaltige Reform zu effektiven Lösung der Krise verhindert. Das Economic Governance-Paket verschärft daher eine gescheiterte Austeritätsstrategie.
Mit dieser unzureichenden Einigung zu den Rehn-Vorschlägen haben der Rat und das konservativ-liberal dominierte Europaparlament eine große Chance für einen Beitrag zur effektiven Lösung der Eurozonen-Krise vergeben.“