Der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments (ECON) untersucht derzeit die Arbeit von Internationalem Währungsfonds, Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank im Rahmen des sogenannten „Troika-Berichts“. Genau zur rechten Zeit hat der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB/ETUC) ein Papier veröffentlicht, in dem die Gewerkschaften aus den Krisenländern Griechenland, Portugal, Irland, Griechenland und Zypern ihre Erfahrungen schildern. Besonders brisant: Das Dokument beleuchtet die Rechtsbrüche der Troika bei der Umsetzung der Reformmaßnahmen. Insbesondere zwei Bereiche fallen dabei ins Auge.
EU-Institutionen, wie Kommission oder Rat haben laut den Europäischen Verträgen (EUV Art. 153.5) kein Recht, um in die Lohnfindung der Mitgliedsstaaten einzugreifen. Außerdem sollen die EU-Institutionen die Autonomie der Sozialpartner sowie den sozialen Dialog achten und fördern (EUV Art. 152). Von der Troika empfohlene Maßnahmen wie die Verlagerung der Lohnverhandlungen auf die betriebliche Ebene oder starke Eingriffe in das Mindestlohngefüge (Absenkung um bis zu -32% in Griechenland, langfristiges Einfrieren in Portugal trotz Kritik der Sozialpartner) haben die gemeinsame Lohnfindung von Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbänden deutlich geschwächt. Demnach ist beispielsweise in Portugal im Zuge der Anpassungsprogramme die Anzahl der mit Tarifverträgen abgedeckten Beschäftigten von über 1,5 Millionen Beschäftigten (2010) auf 300.000 ArbeitnehmerInnen (2012) gefallen. Diese dramatische Schrumpfung ist mit dem EU-Recht nicht vereinbar. Auch der soziale Dialog ist im Zuge der Troika-Reformprogramme unter Druck gekommen: Insbesondere in Griechenland und Zypern haben Kommission, EZB und IWF den Gewerkschaften nur in geringem Maße ermöglicht ihre Standpunkte zu den Reformprogrammen darzustellen.
Die Tatsache, dass die Troika-Programme unter Zeitmangel und Druck der Finanzmärkte erarbeitet und umgesetzt wurden, kann diese Vertragsverletzungen nicht entschuldigen. Die EU-Verträge sind ein dauerhaftes Regelwerk und ihre Einhaltung ist ein wichtiger Gradmesser für Rechtsstaatlichkeit. Deshalb muss das EU-Recht auch in Extremsituationen respektiert werden.
Außerdem machen die Gewerkschaften interessante Vorschläge, wie die Vertragsbrüche aufgearbeitet und zukünftig vermieden werden können:
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Europarat und Internationale Arbeitsorganisation (ILO) sollen die Lage in den Krisenländern anhand von Berichten beleuchten und damit auch die Einhaltung der Standards der Europäischen Sozialcharta und der ILO-Konventionen unterstützen.
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Die Rechenschaftspflicht der Troika soll durch ausführliche Anhörungen mit Europaparlament und Sozialpartnern während Ausarbeitung, Umsetzung und nachfolgender Analyse der Anpassungsprogramme verbessert werden
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Schafffung eines Dialogs zwischen den Sozialpartnern und dem Vorstand des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), um die Rechenschaftspflicht bei möglichen zukünftigen Programmen zu verbessern
Das Papier des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB/ETUC) finden Sie hier (englische Version): http://bit.ly/1esCxf1