Am heutigen Donnerstag hat der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments über die Regulierung von Geldmarktfonds abgestimmt. Auf dem G20 Gipfel in St. Petersburg 2013 hatten sich die Staats- und Regierungschefs klar für eine umfassende Regulierung von Schattenbanken ausgesprochen. Im Gegensatz zu normalen Banken unterliegen Geldmarktfonds bis dato keiner adäquaten Regulierung und werden zurecht als Schattenbanken bezeichnet.
Der Markt für Geldmarktfonds innerhalb der EU ist etwa 1 Billion Euro groß. Einige Geldmarktfonds, sogenannte Constant Net Asset Value Money Market Funds (CNAV), versprechen ihren Investoren die Zahlung eines festen Rückzahlungswerts und agieren somit wie eine im Einlagengeschäft tätige Bank. Da in der Finanzkrise Notverkäufe von CNAV-Geldmarktfonds den Kursverfall vieler Staatsanleihen beschleunigt hatten, haben der Finanzstabilitätsrat (FSB) und der Europäische Systemrisikorat (ESRB) konsequenterweise ein Ende dieser Fonds gefordert. Finanzmarktkommissar Michael Barnier blieb hinter den Empfehlungen von FSB und ESRB zurück und schlug anstatt eines vollständigen Austrocknens bankähnlicher CNAV-Geldmarktfonds vor, sie analog zu normalen Banken mit einem Mindestkapitalpuffer von drei Prozent zu belegen. Der neue Britische Finanzmarktkommissar Jonathan Hill verteidigte Barniers Vorschlag nicht mehr. Im Rat streiten Frankreich und Deutschland mit Großbritannien, Irland und Luxemburg um eine strikte Regulierung. Die Berichterstatterin des Europaparlaments, die britische Sozialdemokratin Neena Gill, legte einen nochmals abgeschwächten Kompromissentwurf vor, den die Grüne/EFA-Fraktion heute abgelehnt hat. Teile der deutschen Sozialdemokraten haben sich bei der Abstimmung enthalten.
Den Ausgang der Abstimmung kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:
“Mit dem heutigen Abstimmungsergebnis wurde der ohnehin abgeschwächte Vorschlag der EU-Kommission noch weiter verwässert. Die Fraktionen von S&D, EPP, ALDE und ECR sind vor der Schattenbank-Lobby eingeknickt und haben sogar die Forderung eines Mindestkapitalpuffers von drei Prozent kassiert. Die Forderung der Grüne/EFA-Fraktion nach einem vollständigen Austrocknen bankähnlicher CNAV-Geldmarktfonds entsprechend den Empfehlungen von FSB und ESRB wurde brüsk übergangen. Das bedeutet, dass das Risiko von Schattenbanken für die Europäische Finanzmarktstabilität nicht gebannt ist. Denn in der Finanzkrise haben Notverkäufe eben dieser Geldmarktfonds den Kursverfall vieler Staatsanleihen beschleunigt. Schattenbanken können im Grunde weiter wüten wie noch vor der Finanzkrise.
Lediglich eine besondere Kategorie von Geldmarktfonds, sogenannte Low Volatility Net Asset Value (LVNAV) Geldmarktfonds, soll nach einer unambitionierten Übergangsfrist von fünf Jahren ihre Geschäfte einstellen. Das sind noch einmal drei Jahre länger als in den USA und daher völlig inakzeptabel. Der Vorschlag der Grüne/EFA-Fraktion zur Beschränkung von Gehältern von Schattenbanken analog zu gewöhnlichen Banken fand ebenfalls keine Unterstützung.
Wenn ein Geldmarktfonds seinen Investoren die Zahlung eines festen Rückzahlungswerts garantiert, muss er sich denselben Regelungen wie ein Einlageninstitut unterwerfen oder vom Markt verschwinden. Alles andere ist unfairer Wettbewerb und untergräbt die Finanzmarktstabilität. Schattenbanken dürfen bei vergleichbaren Produkten nicht laxer reguliert werden als Banken. Entsprechend ihren Verpflichtungen vom G20 Gipfel in St. Petersburg 2013 verlangen Deutschland und Frankreich eine strikte Regulierung. Sollen zukünftige Krisen vermieden werden, müssen ihnen im Rat weitere Länder folgen.
Nach der Finanzkrise hat das Europäische Parlament gegen große Widerstände der Finanzindustrie umfassende Regulierungsvorhaben im Bankensektor durchgesetzt. Die strenge Regulierung von Banken hat dazu geführt, dass immer mehr Finanzdienstleister in den rechtsfreien Raum der Schattenbanken drängen. Ohne eine dem Bankensektor vergleichbare Regulierung von Schattenbanken wird es keine Finanzstabilität geben. Die große Koalition im Europäischen Parlament ignoriert dies schlicht und konterkariert damit die bisherigen Regulierungserfolge. Die Schattenbankenlobby darf jubeln. Wir können nur hoffen, dass das Plenum des Europaparlaments dieses schlechte Abstimmungsergebnis des Wirtschaftsausschusses korrigiert.”