Sven Giegold

Europaparlament fordert große Schritte zu mehr Transparenz und Integrität in der EU

Heute hat das Europaparlament meinen Bericht über “Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen” mit einer soliden Mehrheit von 368 dafür, 161 dagegen und 60 Enthaltungen angenommen. Für den Bericht stimmten Grüne, Sozialdemokraten, Liberale und Rechts-Konservative. Gegen den Bericht stimmten vor allem die Christ-Demokraten. Im März hatte bereits der Verfassungsausschuss den Bericht unterstützt. Fast alle Mitglieder stimmten dafür, nur drei deutsche Christdemokraten hatten sich den Forderungen nach mehr Lobbytransparenz und härteren Integritätsregeln verweigert. Über 1.000 Bürgerinnen und Bürger sowie Nichtregierungsorganisationen hatten sich bei der Erstellung des Berichts eingebracht. Über 100.000 Bürger unterstützen in einer Petition die Schlüsselforderungen. Dem Initiativ-Bericht des Parlaments müssen nun Umsetzungsmaßnahmen der EU-Institutionen folgen.

 

Dazu sagt Sven Giegold, Berichterstatter für Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU Institutionen sowie Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament:

 

“Es ist ein einmaliger Vorgang, dass sich das Europaparlament zu deutlich mehr Transparenz im Lobbyismus und für stärkere Regeln gegen Seitenwechsel durchringt. Das Europaparlament macht einen offensiven Schritt, um dem weit verbreiteten Gefühl der zu großen Nähe zwischen Politik und Wirtschaft zu begegnen. Der lange Kampf für mehr Transparenz und starke Ethikregeln hat sich gelohnt, denn so kann das Vertrauen in die EU-Institutionen steigen.

Durch die Umsetzung der Forderungen können die EU-Institutionen nun zum Vorreiter für Lobbytransparenz werden. Doch die heutige Entscheidung hat einen Wehmutstropfen: Es ist ein Trauerspiel, dass die EU-Abgeordneten bei sich lockerere Maßstäbe anlegen als bei Mitarbeitern der EU-Kommission. Sowohl bei der Selbstverpflichtung zu mehr Lobbytransparenz als auch den Seitenwechseln haben sich die Abgeordneten geschont.

Der von den Europaabgeordneten eingeforderte Legislative Fußabdruck ermöglicht den Bürgern auf einem Blick zu sehen, wie ausgewogen Interessenvertreter bei EU-Gesetzentwürfen einbezogen wurden. Das bisher freiwillige Transparenzregister für Lobbyisten wird verbindlicher, weil sich Lobbyisten registrieren müssen, um Zugang zu den Gesetzgebern zu haben. Die EU-Kommission war mit der “kein Treffen ohne Registrierung”-Regel vorangegangen. Die geforderte Ausweitung der Regeln auf alle relevanten Kommissionsmitarbeiter schließt Schlupflöcher. Die Erleichterung und Empfehlung des Legislativen Fußabdrucks im Parlament verstärkt die Anreize zur Registrierung noch weiter. Berlin, Paris und andere Hauptstädte haben schwächere Transparenz-Regeln und sollten bei der Lobbytransparenz nun auch nachziehen. Der Fortschritt im Europaparlament macht den Rat der Mitgliedstaaten zur letzten der drei großen EU-Institutionen, der unregistrierte Lobbyisten ein- und ausgehen lässt.

Eine gute Woche vor der Bundestagswahl legt das Europaparlament die Blockadehaltung der CDU und der Bundesregierung bei der Transparenz von Lobbyismus offen. Das Parlament setzt Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Gabriel unter Druck, sich endlich als mächtige Mitglieder im Rat der Mitgliedstaaten ernsthaft am Transparenzregister für Lobbyisten zu beteiligen. Die Bundesregierung muss dem intransparenten Lobbyismus auch in der ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU ein Ende setzen. Außerdem weisen die Europaparlamentarier den unwürdigen Vorstoß des CDU-Europaabgeordneten Markus Pieper zurück, die Zivilgesellschaft an die kurze Leine einer europäischen Gesinnungspolizei zu legen. Die Christdemokraten hatten eine staatliche Behörde gefordert, die bewerten soll, ob finanziell geförderte Organisationen auf der Basis überprüfbarer Fakten argumentieren. Staatliche Wahrheitsprüfungen passen zu Russland, Kuba oder Venezuela nicht aber zur Meinungsfreiheit Europas. Das ist der Demokratie in Europa unwürdig.

Eine handlungsfähige EU-Kommission braucht auch unzweifelhafte Ethik-Regeln. Das EU-Parlament fordert mehr Glaubwürdigkeit dort, wo gestern Kommissions-Präsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union schwach war. Nach den Skandalen um Manuel Barroso und Neelie Kroes braucht der Verhaltenskodex für EU-Kommissare nicht nur ein bisschen mehr Abkühlzeit vor einem Wechsel als Lobbyist. Ehemalige Kommissare müssen ihre neuen Jobs von unabhängigen Schiedsrichtern prüfen lassen, nicht von solchen, die sie zuvor selbst ausgewählt haben. Dieser Mangel an Unabhängigkeit des Ethikausschusses hat dazu geführt, dass sogar klare Regelverletzungen folgenlos blieben. Den Ethikausschuss ´unabhängig’ zu nennen, genügt nicht. Die Europaabgeordneten haben heute gezeigt, dass sie Junckers Etikettenschwindel nicht hinnehmen werden. Die EU-Kommission muss für unabhängige Richter sorgen.

Europäische Politik muss für die Öffentlichkeit nachvollziehbarer werden. Wir EU-Abgeordnete wollen, dass die Dokumente des Trilogs zwischen Parlament, Kommission und Rat endlich öffentlich zugänglich werden. Der Zugang zu Dokumenten muss nicht nur für die großen EU-Institutionen gelten, sondern auch für andere EU-Organe wie die EZB und den Europäischen Gerichtshof. Wir EU-Abgeordnete wollen die demokratischen Kontrolle aller wichtigen Organe der EU stärken.

Nun geht es darum, dass die Beschlüsse von den EU-Institutionen umgesetzt werden. Dafür werde ich mich dem gleichen Engagement einsetzen, wie ich es für diesen Bericht im Parlament getan habe.”

 

HINTERGRUND-LINKS

 

Abstimmung des Transparenzberichts im Verfassungsausschuss im März 2017: https://sven-giegold.de/2017/verfassungsausschuss-fordert-grosse-schritte-zu-mehr-transparenz-und-integritaet-in-der-eu/

Abstimmungsergebnisse nach Fraktionen im Verfassungsausschuss im März 2017: https://sven-giegold.de/2017/transparency-constitutional-committee-vote-on-transparency-integrity-and-accountability/

Fraktionsvorsitzende beschließen Verhandlungsmandat für neues Transparenzregister im Juni 2017: https://sven-giegold.de/2017/kein-kehren-vor-der-eigenen-tuer-europaparlamentarier-verweigern-sich-lobbytransparenz/

Dezember 2016 Änderung der EP-Verhaltensregeln in der Geschäftsordnung: https://sven-giegold.de/2016/ep-verhaltensregeln-eu-parlament-staerkt-seine-effizienz-und-integritaet-konservative-blockieren-lobbytransparenz/

Namentliche Abstimmung über einen verbindlichen legislativen Fußabdruck im Dezember 2016: http://www.votewatch.eu/en/term8-general-revision-of-parliament-s-rules-of-procedure-proposal-for-a-decision-rule-11-amendment-315-1.html

Bürger-Konsulation vor dem Berichtsentwurf: https://sven-giegold.de/2015/eure-ideen-fuer-saubere-europaeische-politik/

Petition mit über 100 000 Unterstützern für die Kernziele des Berichts: https://www.change.org/p/eu-parlament-lobbyismus-transparent-machen-schnelle-seitenwechsel-verhindern

 

BESCHLOSSEN

 

Diese Liste fasst alle im Beschluss erzielten Fortschritte für Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen zusammen. Die Klammern verweisen auf die Paragraphen (§) der Vorlage des Verfassungsausschusses oder der Änderungsanträge.

 

Mehr Lobbytransparenz

Aufruf an die Abgeordneten, die EU-Gesetze entwerfen oder verhandeln als Berichterstatter, Schatten oder Ausschuss-Vorsitzende, einen Legislativer Fußabdruck anzufertigen, in dem sie die Lobbyisten auflisten, mit denen sie Kontakt hatten. (§3a)

Das Parlament stellen allen Abgeordneten die Möglichkeit bereit, ihre Lobbytreffen auf ihrem Profil auf der Parlaments-Internetseite zu veröffentlichen und erleichtert damit die Übersicht für Bürgerinnen und Bürger. (§4)

Der Rat der Mitgliedstaaten und deren ständige Vertretungen sollen nur registrierte Lobbyisten treffen. (§2)

Ausweitung der Lobbytransparenzregeln in der Kommission: Alle politischen Mitarbeiter sollen ausschließlich registrierte Lobbyisten besprechen und über sie öffentlich berichten, nicht nur Kommissare und Generaldirektoren . (§§5, 6)

Unregistrierte Lobbyisten sollen von Veranstaltungen in allen EU-Institutionen als Referenten, Gäste auf dem Gelände oder Sachverständigen in beratenden Gremien ausgeschlossen werden. (§7)

Unregistrierte Lobbyisten dürfen die Parlamentsgebäude weder als Besucher (§19) noch als sogenannte “Entourage” von Abgeordneten (§22) betreten dürfen.

Veröffentlichung aller Informationen bezüglich Lobbying bei EU-Institutionen, Interessenerklärungen, bestätigten Interessenkonflikten und Sachverständigengruppen in einer einzigen Anlaufstelle im Internet (§8)

Lobby-Organisationen sollten alle Geber in ihre Budgets veröffentlichen, die mehr als 3 000 EUR geben. Spenden über 12 000 EUR sind unverzüglich zu melden. (§12)

Lobbyisten sollen sanktioniert werden, wenn sie Parlamentsanhörungen boykottieren oder während dieser Anhörungen unzureichende oder irreführende Informationen liefern. (§15)

Lobbyierende Anwälte dürfen nicht vom Berufsgeheimnis profitieren, sondern müssen alle Klienten offenlegen, für die sie im Rahmen des Transparenzregisters handeln. (§§17, 18)

Das Sekretariat der Transparenzregistrierung sollte deutlich mehr Ressourcen haben, um sicherzustellen, dass die Daten der Registrierten sinnvoll, genau, aktuell und umfassend sind. (§23)

Der Rat sollte sich dem Transparenzregister anschließen, einschließlich seiner Vorbereitungsgremien. Die Mitgliedstaaten sollten zumindest dort Lobbytransparenzregeln einführen, wo EU-Gesetzgebung beeinflusst wird. (§14)

 

Die Drehtür zwischen EU-Kommission und Lobby-Jobs schließen

Ehemalige Kommissare sollten mindestens 3 Jahre (statt bisher 1,5 Jahre oder wie von der Kommission gestern vorgeschlagen 2 Jahre) warten müssen, bis sie Lobbyisten werden dürfen. (§30)

Diejenigen, die beurteilen, ob die neuen Jobs ehemaliger Kommissare regelgemäß sind, sollten unabhängig von den Betroffenen sein statt wie der derzeitige ad-hoc-Ausschusses von der Kommission selbst handverlesen zu werden. (§31)

Eine Abkühlperiode von 18 Monaten sollte auch für externe und ad hoc-Mitglieder des Regulatory Scrutiny Board im Rahmen einer besseren Rechtsetzung und für Mitglieder des Verwaltungsrates der Europäischen Investitionsbank in Erwägung gezogen werden. (§33)

 

Die Integrität der EU-Kommission stärken

Die Rechte und Pflichten der Kommissionsmitglieder sollten in einem EU-Gesetz geregelt werden, das im üblichen Verfahren von Parlament und Rat der Mitgliedstaaten gemeinsam entschieden wird. Dies sollte die gegenwärtige Selbstregulierung der Kommission und den Mangel an Aufsicht durch das Parlaments ablösen. (§40)

Die Kommission soll alle Protokolle der Sitzungen von Sachverständigengruppen (Englisch: expert groups) einschließlich der vertretenen Meinungsvielfalt veröffentlichen. Die Gruppen sollen ihr Veto dazu verlieren. (§37)

 

Open government: Leichterer Zugang zu Dokumenten, mehr Transparenz im Rat der Mitgliedsländer

Trilog-Dokumente sollen auf der Website des Parlaments wie andere Legislativdokumente öffentlich zugänglich sein. Dies gilt für Tagesordnungen, Zusammenfassungen von Ergebnissen, Protokollen und allgemeinen Ansätzen im Rat. (§45)

Der Zugang zu Dokumenten soll leichter werden auch für den Europäischen Rat, die Europäische Zentralbank, den Gerichtshof und alle EU-Organe und -Agenturen indem Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 auch für sie Anwendung findet. (§45)

Der Rat der Mitgliedstaaten soll Dokumente, insbesondere Protokolle der Sitzungen der Arbeitsgruppen des Rates, veröffentlichen, die die Position der einzelnen Mitgliedstaaten klären. (§45)

Ob EU-Dokumente wirklich geheim sein müssen, sollte von einer unabhängigen Behörde zur Einstufung und Freigabe von Dokumenten überprüft werden. (§45)

Die Gremien, in denen das Parlament seine Agenda bestimmt, sollen ihre Dokumente veröffentlichen: Die Ausschusskoordinatoren, das Präsidium und die Konferenz der Fraktionsvorsitzenden. (§45)

 

Mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht in den EU-Handelsverhandlungen

Dokumente über Handelsverhandlungen sollten so öffentlich sein wie von der Europäische Bürgerbeauftragten empfohlen, einschließlich Lobby-Meetings, Entwürfen von Tagesordnungen für Sitzungen, endgültige Tagesordnungen und Berichte nach Verhandlungen. (§49)

Wichtige handelspolitische Dokumente sollten dem Parlament leichter zur Verfügung stehen. Dazu gehören die Abgrenzung des Umfangs, Mandate und Entwicklung von Verhandlungen (§50)

Das Parlament sollte mehr über die Mandate für internationale Verhandlungen im Vorfeld der internationalen Verhandlungen entscheiden, anstatt nur das zu implementieren, was bereits international beschlossen wurde. Zu diesem Zweck solle die Kommission Leitlinien für die Annahme und Kohärenz der europäischen Standpunkte im Vorfeld von großen internationalen Verhandlungen einführen. Die Kommission sollte für die Vertretung in internationalen Organisationen und Gremien einen Verhaltenskodex für Transparenz, Integrität und Rechenschaftspflicht vorlegen und verwirklichen. (§52)

 

Ethik-Regeln für alle EU-Einrichtungen

Der Rat und andere EU-Organe oder Gremien ohne Verhaltenskodex sollten solche Ethik-Regeln einschließlich Sanktionen einführen. (§26)

 

Mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht in der EU-Finanzpolitik

Bislang intransparente Gremien wie die Eurogruppe, der Wirtschafts- und Finanzausschuss, „informelle“ Ratssitzungen der Finanzminister (ECOFIN) und Euro-Gipfeltreffen müssen institutionalisiert, transparent und rechenschaftspflichtig werden. (§54)

Die Kommission soll einen Gesetzesvorschlag machen, um dem Parlament mehr Mitentscheidung bei der Koordination europäischer Wirtschaftspolitik im Rahmen des Europäischen Semesters einzuräumen. (§57)

 

Whistleblower verbindlich schützen

Um Whistleblower (auch: Hinweisgeber) zu schützen, sollte die Kommission umgehend einen Rechtsrahmen für ihren wirksamen Schutz vorschlagen. (§60)

Das Parlamentspräsidum soll eine Studie anfertigen, wie Whistleblower unter den parlamentarischen Assistenten besser geschützt werden können, obwohl sie automatisch ihre Anstellung verlieren, wenn der ihnen vorgesetzte Abgeordnete ausscheidet. (§59)

Die Kommission soll einen Vorschlag vorlegen, wie das Büro der Bürgerbeauftragen als zentrale Anlaufstelle für Whistleblower ausgebaut werden kann, inklusive der nötigen Mittelaufstockung. (§62)

 

Vorbeugung gegen Korruption stärken

Die Auswahl von Kandidaten für EU-Wahlen sollte strengeren demokratischen Mindestnormen genügen, beispielsweise der geheimen Wahl und angemessener Mitsprache der Parteimitglieder (§39)

Verurteilte Verbrecher, die der Korruption gegen die finanziellen Interessen der EU oder innerhalb von Mitgliedstaaten schuldig sind, sollen von der Kandidatur für EU-Wahlen ausgeschlossen werden. Für solche Disqualifizierungsverfahren, die in einigen Mitgliedstaaten bereits bestehen, wollen wir gemeinsame Mindeststandards festlegen. (§39)

Die EU sollte so bald wie möglich Mitglied in der Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO) werden. (§63)

Die EU-Kommission soll den zweiten EU-Anti-Korruptionsbericht ohne weitere Verzögerungen veröffentlichen. Das Parlament antwortet damit auf das Schreiben von Kommissar Timmermans, in dem er von seinem Versprechen diesen Bericht vorzulegen, vor kurzem abgerückt war. (§65)

 

Interessenskonflikte bei wissenschaftlicher Expertise vermeiden

Zur Vermeidung von Interessenkonflikten und unangemessener Einflussnahme bei Studien, auf denen die EU-Gesetzgebung beruht, sollen z.B. Studien vor der Durchführung registriert werden. Auch falls der Auftraggeber unzufrieden ist, sollen die Ergebnisse dann trotzdem einbezogen werden. Die Kommission soll mehr in eigene Kapazitäten für unabhängige wissenschaftliche Gutachten investieren. (§67)

 

Gemeinwohl-Interessen in EU-Beratungsgremien stärken

Experten, die Nichtregierungsorganisationen in EU-Beratungsgremien vertreten, sollen eine angemessene Entschädigung erhalten, damit schwächere Interessen besser vertreten werden. Dies entspricht der bewährten Praxis der europäischen Aufsichtsbehörden wie z.B. der Europäischen Bankenaufsicht. (§69)

 

Parlamentarische Kontrolle von EU-Agenturen stärken

Die Kommission soll eine Verordnung vorschlagen, um dem Parlament Mitentscheidungsbefugnisse bei der Ernennung oder Entlassung von Direktoren der EU-Agenturen gewähren. (§68)

 

ABGELEHNT

 

Diese Vorschläge waren in meinem Entwurf des Berichts enthalten, aber in den Verhandlungen oder in der Abstimmung nicht durchsetzbar (Auswahl):

 

Keine Karenzzeit für Europaabgeordnete

Keine Abkühlperiode für Europaabgeordnete: Sie können die Drehtür in Lobbyjobs direkt nach dem Ende ihres Mandat nehmen. Europaabgeordnete erhalten zwar ein Übergangsgeld für je einen Monat pro Jahr, das sie zuvor im Parlament waren, bis maximal zwei Jahre. Wir hatten sowohl für die Änderung der Geschäftsordnung als auch für die heutige Abstimmung eine Karenzzeit beantragt, in der für die Dauer des Übergangsgeldes ein neuer Job als Lobbyist verboten sein sollte. Mit einer Mehrheit aus Konservativen und Liberalen wurde eine solche Karenzzeit aber abgelehnt.

 

Lobbytransparenz bleibt bei Abgeordneten Empfehlung statt Pflicht

Weder Abgeordnete noch Lobbyorganisationen sind verpflichtet, ihre Treffen zu veröffentlichen. Bei der Reform der Geschäftsordnung des Parlaments im Dezember 2016 erreichte unser Antrag für solch eine Pflicht zwar eine einfache Mehrheit, aber nicht die erforderliche absolute Mehrheit, weil die Konservativen und Liberalen dagegen stimmten.

 

Keine Rechenschaftspflicht für die Umsetzung des Verhaltenskodex von Abgeordneten

Der Ethikausschuss des Parlaments bleibt für eine Ergänzung durch externe Sachverständige verschlossen. Die Abgeordneten werden nur von anderen Abgeordneten geprüft.

 

STÄRKUNG DES PARLAMENTS-MANDATS FÜR DAS LOBBYREGISTER

Der Bericht verändert auch den Rahmen für die Verhandlungsposition des EU-Parlaments zum Transparenzregister für Lobbyisten. Die Fraktionsvorsitzenden hat im Juni bereits ein Mandat für die Verhandlungen über eine Überarbeitung der “Interinstitutionellen Vereinbarung” zwischen Parlament, Kommission und künftig eventuell auch dem Rat der Mitgliedstaaten verabschiedet. Die jetzt vom Plenum gefasste Entscheidung ergänzt Forderungen sowohl gegenüber den anderen Institutionen wie gegenüber den Abgeordneten des Parlaments. (Siehe vollständige Liste der Änderungen weiter unten) Die beiden Chefunterhändlerinnen im Namen des Parlaments, Sylvie Guillaume und Danuta Hübner, haben eine schnelle Korrektur des Mandats nach der Entscheidung bereits zugesagt.

Andere Forderungen des ursprünglichen Berichtsentwurfs flossen in die vom Parlament im Dezember 2016 beschlossene Änderung der EP-Verhaltensregeln (Geschäftsordnung) ein, zum Beispiel dass Abgeordnete die systematische Praxis üben sollen, nur im Transparenzregister veröffentlichte Lobbyisten zu treffen.

 

Die durch den heute beschlossenen Bericht erzielten Fortschritte im Einzelnen:

 

(I.) REICHWEITE

 

Vorbereitungsgremien des Rates der Mitgliedstaaten werden eingeschlossen. (§14 im heute beschlossenen Giegold-Bericht)

 

Der Auswärtige Dienst und informelle Gremien wie die Eurogruppe sollen unter die Regeln des Registers fallen. (§54)

 

Regulatorische EU-Agenturen sollen automatisch dem Transparenzregister angehören und seinen Regeln unterliegen. (§7)

 

Die Hauptziele von Lobbying gegenüber den EU-Institutionen, die Mitarbeiter von Europaabgeordneten und Fraktionen sollen ebenfalls erfasst werden: §2 ruft MdEP und ihre Mitarbeiter auf, vor Treffen jeden Interessensvertreter nach seiner Registrierung zu fragen und §7 ruft alle Mitarbeiter in allen EU-Institutionen dazu auf, Schirmherrschaften, Einladungen, Gastgeberschaft, Sprecherrollen und Mitgliedschaft in Beratergremien von der Registrierung der Interessensvertreter abhängig zu machen.

 

(II.) RAHMEN

 

Ausnahmen für Rechtsanwälte, die Lobbyismus betreiben aber unter Missbrauch ihrer berufsständischen Rechte auf Verschwiegenheit verstecken sollen gestrichen werden, weil §17 darauf besteht, dass alle Registranten einschließlich Rechtsanwaltskanzleien und Beratungsfirmen alle die Klienten veröffenlichen müssen, für die sie Lobbyismus im Sinne des Registers betreiben.

 

Ínternationale Organisationen haben sich ebenfalls zu registrieren, um die damit verbundenen Vorteile zu erhalten. (§3)

 

Die Kommission soll die Einschränkung fallen lassen, dass die Transparenzregeln nur für “bilaterale” Treffen gelten sollen. (§3)

 

(A.) Prinzipien der Konditionalität und Vorteile für Registrierte

 

Schirmherrschaften, Einladungen, Gastgeberschaft, Sprecherrollen und Mitgliedschaft in Beratergremien sind abhängig von der Registrierung der Interessensvertreter. (§7)

 

Interfraktionelle Arbeitsgruppen (Englisch: intergroups) unterliegen ebenfalls allen Transparenzregeln. (§7)

 

Das Ziel von §13, “alle Schlupflöcher zu schließen und ein für alle Interessenträger umfassend verbindliches Register umzusetzen” begrenzt das “freie Mandat” von Abgeordneten, das im Mandat bisher sehr weit über den Kern der Freiheit an keinerlei Weisungen gebunden nur dem eigenen Gewissen verpflichtet abstimmen zu können, hinaus ausgelegt wird.

 

Besuchergruppen sind von der Vorschrift “kein Treffen ohne Registrierung” ausgenommen (§19)

 

Die Regel “kein Treffen ohne Registrierung” soll für alle relevanten Kommissionsmitarbeiter ausgedehnt werden statt auf die drei höchsten Hierarchiestufen beschränkt zu sein. (§5)

 

Ebenso sollen alle Treffen von Kommissionsmitarbeitern mit Lobbyisten veröffentlicht werden, sofern die Mitarbeiter EU-Gesetzen mit entwerfen. (§6)

 

Auch der Rat der Mitgliedstaaten soll eine “kein Treffen ohne Registrierung”-Regel für Lobbyisten einführen, auch in den ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten in Brüssel (§2)

 

(B.) Ausnahmen

 

Klarstellung, dass lokale und regionale Autoritäten von Mitgliedstaaten nicht unter die Regeln des Transparenzregisters fallen, wenn sie ausschließlich im öffentlichen Interesse handeln. (§25)

 

(C.) Qualität der Daten

 

Pro-aktive jährliche Prüfung der Angaben durch “eine zufällige, zahlenmäßig aussagekräftige Stichprobe …, aus der aussagekräftige, korrekte, aktuelle und umfassende Daten hervorgehen” (§24)

 

Mehr Transparenz über die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen mittels einer “Liste aller Spender und deren Spenden über 3000 EUR” (§12)

 

(III.) IMPLEMENTIERUNG

 

Veröffentlichung aller Informationen bezüglich Lobbying bei EU-Institutionen, Interessenerklärungen, bestätigten Interessenkonflikten und Sachverständigengruppen in einer einzigen Anlaufstelle im Internet (§8)