Sven Giegold

Barroso, Oettinger, Nebenjobs: EU-Institutionen müssen ihren Ruf verteidigen

Barroso, Oettinger, Nebenjobs: EU-Institutionen müssen ihren Ruf verteidigen

Das von der EU-Kommission berufene Ethikkomittee hat befunden, dass der  Seitenwechsel von ex-EU-Kommissionspräsident Barroso zu Goldman Sachs in Einklang mit dem Verhaltenskodex der EU-Kommission steht. Barroso habe sich an die 18-Monatsregel gehalten, bevor er den Job bei Goldman Sachs angetreten habe. Weitere Schritte gegen Barroso soll es demnach nicht geben. Zur gleichen Zeit beschäftigt die Öffentlichkeit die Äußerungen von EU-Kommissar Günther Oettinger sowie sein Umgang mit der Kritik an seiner Rede. Auch das EU-Parlament beschäftigt sich mit einem Thema, bei dem es um Interessenkonflikte der Abgeordneten geht: Der juristische Dienst des Parlaments hat in einem Gutachten festgestellt, dass über die Geschäftsordnung des Parlaments nicht ausgeschlossen werden darf, dass Abgeordnete parallel zu ihrem Mandat als Lobbyisten im Nebenjob arbeiten dürfen. Die aktuellen Debatten um Interessenkonflikte und Integrität der EU-Institutionen kommentiert Sven Giegold, Berichterstatter für Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen:

 

“Der Freispruch Barrosos durch die Ethikkommission ist ein Rückschlag für die Stärkung des Vertrauens in die EU-Institutionen. Der Ruf der EU-Kommission kann auch nach 18 Monaten noch beschädigt werden. Die Ethikkommission war keinesfalls an die 18-Monatsregel gebunden, sondern hätte im Sinne des Artikel 245 EU-Vertrag wegen unehrenhaften Verhaltens eine deutlich härtere Bewertung vornehmen können. Juncker darf nun nicht der Empfehlung der Ethikkomission folgen, sondern muss einen Vorschlag machen, der Barrosos schnellen Seitenwechsel nicht so einfach durchgehen lässt. Die EU-Kommission darf das rufschädigende Verhalten eines Vorgängers nicht schulterzuckend hinnehmen. Das Verfahren der EU-Kommission zu Interessenkonflikten von Vorgängern krankt an mangelnder Unabhängigkeit. Das milde Urteil der Ethikkommission war vorprogrammiert, weil dieses Gremium von der EU-Kommission selbst besetzt wird. Dass das endgültige Urteil über Barroso von der EU-Kommission selbst gefällt wird, offenbart den schweren Mangel an Unabhängigkeit in diesem Verfahren. Die EU-Kommission braucht eine unabhängige Ethikkommission. In Großbritannien und Frankreich gibt es dafür positive Beispiele.

 

Auch im Umgang mit den Äußerungen von Günther Oettinger schadet sich die EU-Kommission selbst. Oettinger hat üble Ressentiments bedient, eine Entschuldigung wäre jetzt das Mindeste. Mit seiner hochnäsigen Reaktion auf die Kritik, manövriert sich Oettinger immer weiter ins Abseits. Die EU-Kommission darf nicht schweigen, wenn ein Kommissar die Reputation der gesamten Behörde beschädigt. Im EU-Parlament muss sich Oettinger einer Anhörung stellen, wenn er nun den EU-Haushalt übernehmen soll. Nach all dem reicht ein Briefwechsel zur Bestätigung seiner Ernennung nicht aus. Diese Anhörung im EU-Parlament wird für Oettinger sehr ungemütlich werden.

 

Leider gibt das EU-Parlament kein gutes Bild ab, wenn es darum geht, sich selbst starke Regeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten zu geben. Die Stellungnahme des juristischen Dienstes zu Nebenjobs von EU-Abgeordneten ist enttäuschend. Damit ist der Versuch gescheitert, über die Geschäftsordnung des EU-Parlaments zu verhindern, dass Abgeordnete Entscheidungsträger und Lobbyisten zugleich sein können. Wir Grüne werden uns um ein alternatives Rechtsgutachten bemühen. Jeder Bürger schüttelt darüber den Kopf, dass EU-Abgeordnete parallel als Lobbyisten tätig sein dürfen. Notfalls werden wir eine Klärung dieses unhaltbares Zustandes im Rahmen einer Gesetzesreform anstreben. Das Misstrauen in die Politik wird nicht sinken, wenn Interessenkonflikte von Abgeordneten nicht ausgeschlossen werden.”

 

Urteil der Ethikkommisson der EU-Kommission zum Seitenwechsel von Barrosso: http://ec.europa.eu/transparency/ethics-for-commissioners/pdf/opinion-comite-adhoc-2016-10-26_en.pdf

Stellungnahme des Rechtsdienstes des EU-Parlaments zu Lobby-Nebentätigkeiten:

http://www.politico.eu/wp-content/uploads/2016/10/SPOLITICO-16103114500.pdf