Mindestens ein Drittel aller Chemikalien, die in großen Mengen in der EU hergestellt werden oder in sie exportiert werden, sind nicht ausreichend auf ihre Sicherheit getestet. Diese Chemikalien werden aber trotzdem in Alltagsgütern wie Spielzeugen, Lebensmitteln und Möbeln verwendet. Das hat eine ausführliche Studie des deutschen Bundesamtes für Risikobewertung (BfR) und des Umweltbundesamtes (UBA) festgestellt.
In der Studie stellen die Autor*innen fest, dass für mindestens ein Drittel der 1.184 Chemikalien mit einem Volumen von mehr als 1000 Tonnen pro Jahr die im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung (REACH) vorgeschriebenen Sicherheitsdossiers unvollständig sind und wichtige sicherheitsrelevante Tests fehlen. Für ein weiteres Drittel ist dies noch unklar. Damit verstößt mindestens ein Drittel – wahrscheinlich mehr – dieser Chemikalien in Europa gegen geltendes Recht und setzt die Gesundheit von 500 Millionen Europäer*innen fahrlässig aufs Spiel. Nach Einschätzung des Netzwerks der europäischen Umweltverbände (EEB) und der Weltgesundheitsorganisation WHO können unzureichend getestete Chemikalien eine Ursache für das vermehrte Auftreten von Unfruchtbarkeit, Krebserkrankungen, Diabetes und neurologischen Erkrankungen sein.
Doch statt diese Chemikalien sofort vom Markt zu nehmen, lässt die zuständige EU-Chemieagentur ECHA diesen großangelegten Rechtsbruch von Chemie-Unternehmen zu und belässt es bei Ermahnungen. Das Verhalten der Chemie-Branche und der ECHA erinnert dabei frappierend an die Betrügereien beim Thema Diesel. Dabei ist der Verstoß gegen REACH keine Neuigkeit. Wir Grünen kritisieren diese Verstöße immer wieder bei der Diskussion des ECHA-Jahresberichtes. Aber weder ECHA, die EU-Kommission noch die Mitgliedsländer haben bisher gehandelt, um die Gesundheit der Bevölkerung an erste Stelle zu stellen. Die neue BfR/UBA-Studie könnte dies jetzt endlich ändern.
Dabei ist aber auch klar: Wir wollen Chemikalien in der EU die gesundheitlich unbedenklich und nachhaltig produziert sind. Die Unternehmen, die sich bereits jetzt an die gesetzlichen Vorgaben halten und die Pioniere nachhaltiger Chemie, leiden unter der unfairen Konkurrenz durch diejenigen, die das Recht seit Jahren brechen. Deswegen muss Europa handeln, auch im Sinne eines fairen Wettbewerbs.
Wir haben deswegen das Thema auf die Tagesordnung des Europaparlaments gesetzt und fordern, dass die Expertinnen und Experten im Reach-Ausschuss endlich das Thema Rechtsdurchsetzung auch ganz oben auf ihre Agenda setzen.
Unsere Forderungen sind klar: Chemikalien, die gegen die EU-Chemikalienverordnung verstoßen, müssen vom Markt genommen werden und die Mitgliedsländer endlich empfindliche Strafen gegen die Unternehmen verhängen, die seit Jahren bewusst geltendes Recht brechen und die Gesundheit von Millionen Menschen aufs Spiel setzen.
Mit meinem belgischen Fraktionskollege Bart Staes haben wir unsere Kritik auch ausführlich in einem Meinungsbeitrag für EURACTIV dargelegt: https://sven-giegold.de/verstoesse-gegen-eu-chemikalienverordnung-europas-dieselskandal-der-chemiebranche-sven-giegold-und-bart-staes-auf-euractiv/
Weitere Informationen
Pressemitteilung des European Environmental Bureau: https://eeb.org/a-third-of-chemicals-break-eu-safety-laws/
Studienpräsentation des Bundesamtes für Risikobewertung: https://www.bfr.bund.de/cm/349/data-quality-of-environmental-endpoints-in-registrations.pdf