Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Interessierte,
gestern am 10.09.2020 hat das Europaparlament ein erstes starkes Zeichen gesetzt, mit der überfälligen Regulierung von Bitcoin, Libra & Co. auf europäischer Ebene endlich ernst zu machen. Momentan gelten für diese sogenannten Krypto-Assets nur unzureichende oder gar keine Regeln, was sie seit Jahren zu einem Tummelplatz für Kriminelle und Betrüger macht. Hier braucht es endlich einen umfassenden Regelungsrahmen, der kriminelle Aktivitäten ausbremst und seriösen innovativen Unternehmen Rechtssicherheit bietet. Gleichzeitig bietet die Technologie hinter virtuellen Währungen große Chancen für Innovation und Effizienz im Finanzsystem. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) verabschiedete jetzt mit breiter Mehrheit einen sogenannten legislativen Initiativbericht, in dem starke Forderungen für eine Regulierung von Krypto-Assets an die Europäische Kommission gestellt werden. Die Abstimmung im Ausschuss stellt eine Empfehlung für das Plenum des Europaparlaments dar, das voraussichtlich Anfang Oktober darüber abstimmen wird. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich verpflichtet, auf einen solchen Initiativbericht immer mit einem entsprechenden Gesetzesvorschlag zu reagieren. Gestern wurde bereits eine frühe Entwurfsfassung für einen Gesetzesvorschlag der Kommission geleakt, der sich mit Krypto-Assets beschäftigt.
Einen so starken Bericht, wie ihn der ECON-Ausschuss jetzt mit breiter Mehrheit beschlossen hat, konnte man zunächst nicht erwarten. Im Juni hatte der liberale Berichterstatter Ondřej Kovařík einen völlig zahnlosen Berichtsentwurf vorgelegt, der viele Gemeinplätze, aber praktisch keine konkreten Regelungsvorschläge für Bitcoin, Libra & Co. enthielt. Erst dank intensiver Verhandlungen im Ausschuss gelang es, den Bericht deutlich nachzuschärfen und viele starke Anforderungen aufzunehmen.
Folgende zentrale Punkte, für die wir Grüne uns eingesetzt haben, finden sich im gestern verabschiedeten Text:
Konsequente Anwendung von Regeln zu Geldwäsche und Kundenidentifikation
Studien und Medienberichte zeigen immer wieder, dass Krypto-Assets in erheblichem Umfang für illegale Aktivitäten genutzt werden. Der Bericht fordert deshalb, Anti-Geldwäsche-Regeln systematisch und lückenlos auf den Bereich der Krypto-Assets auszudehnen und vor allem Anbieter und Akteure zur zuverlässigen Identifikation von Transaktionspartnern (sogenanntes Know-Your-Customer-Prinzip, KYC) zu verpflichten. So soll insbesondere sichergestellt werden, dass Ermittlungsbehörden im strafrechtlichen Verdachtsfall mit geringem Aufwand die Begünstigten von Zahlungen ermitteln können. Solche strengen Regeln würden es Kriminellen sehr viel schwerer machen, Krypto-Assets etwa für Geldwäsche, Angriffe mit Erpressungssoftware oder den Handel mit illegalen Gütern zu nutzen.
Strikte Regulierung von Libra & Co.
Sogenannte Stablecoins versprechen einen festen Wechselkurs gegenüber einer normalen Währung, etwa dem Euro, oder einem Währungskorb. Ohne einen strikten Regelungsrahmen besteht die Gefahr, dass sich Großprojekte wie Facebooks Libra zu alternativen Geldsystemen entwickeln, in denen nicht länger der Staat, sondern mächtige Finanzkonzerne das Sagen über unser Geld haben. Der Bericht fordert, dass Stablecoins die existierenden Anforderungen an sogenanntes E-Geld erfüllen müssen, was die Anbieter unter anderem zum jederzeitigen Umtausch in die normale Währung sowie zur sicheren Verwahrung von Kundengeldern verpflichtet. Wir werden uns im Plenum dafür einsetzen, zusätzlich die Gefahren für Finanzstabilität und demokratische Kontrolle noch stärker in den Blick zu nehmen.
Regeln auch für Anbieter aus Drittstaaten
Da Krypto-Assets aufgrund ihrer digitalen Natur nicht an Ländergrenzen gebunden sind, besteht die akute Gefahr, dass Anbieter von außerhalb der Europäischen Union die europäischen Regeln, etwa bei Verbraucherschutz oder Geldwäsche, unterlaufen. Der Bericht fordert deshalb, rechtliche Regelungen und Mechanismen zu schaffen, die die Einhaltung der Regeln auch durch Anbieter aus Drittstaaten gewährleisten.
Einheitliche europäische Aufsicht
Der Bericht fordert die Entwicklung eines europäischen Aufsichtsmodells und betont die Wichtigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen europäischen und nationalen Aufsichtsbehörden im Bereich der Krypto-Assets. Wir Grüne meinen, dass Europa noch einen Schritt weiter gehen und eine einheitliche europäische Aufsichtsbehörde für Krypto-Assets schaffen sollte. Diese Forderung werden wir in der Plenarabstimmung erneut einbringen.
Virtueller Euro durch die EZB
Ein virtueller Euro könnte den Bürger*innen Europas Zugang zu günstigen, schnellen und sicheren Transaktionen bieten. Dieses Feld sollte nicht privatwirtschaftlichen Initiativen überlassen werden, die mit erheblichen Gefahren für Finanzstabilität und demokratische Kontrolle einhergehen. Der Bericht ermuntert daher die EZB, die Einführung eines digitalen Euros zu untersuchen.
Desaströse Ökobilanz vieler Krypto-Assets
Viele existierende Krypto-Assets haben einen enormen Stromverbrauch, der in keinem Verhältnis zu ihrem fraglichen Nutzen steht. Der Bericht fordert deshalb, den ökologischen Fußabdruck bei der Ausgestaltung des Rechtsrahmens für Krypto-Assets zu berücksichtigen.
Das gestrige Abstimmungsergebnis ist ein wichtiger Schritt, um den eklatanten Missständen bei Verbraucherschutz und Kriminalitätsbekämpfung, aber auch der Rechtsunsicherheit für innovative Unternehmen im Hinblick auf Krypto-Assets endlich ein Ende zu bereiten. Nach der Abstimmung im Plenum des Europaparlaments im Oktober wird es auf die neue Finanzkommissarin Mairead McGuinness ankommen, die starken Vorschläge aufzunehmen und einen überzeugenden Regelungsrahmen für Krypto-Assets auf den Weg zu bringen. Wir bleiben dran!
Mit grünen europäischen Grüßen
Sven Giegold
Link zum legislativen Initiativbericht zu Digital Finance, der gestern im ECON verabschiedet wurde (wird erst in den kommenden Tagen veröffentlicht):
https://oeil.secure.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?reference=2020/2034(INL)&l=en
Link zum geleakten Gesetzesentwurf der Kommission:
https://www.politico.eu/wp-content/uploads/2020/09/CLEAN-COM-Draft-Regulation-Markets-in-Crypto-Assets.pdf
P.S.: Einladung zum Grundsatz-Webinar: „Kurskorrektur oder Systemfrage? – Welche Wirtschaftsordnung braucht die grüne Transformation?“ am 7.10. um 20:30 Uhr. U.a. mit Maja Göpel (*), Michael Hüther, Ulrike Herrmann & Sebastian Dullien. Ein Webinar von Sven Giegold und Rasmus Andresen. (* angefragt). Gleich hier anmelden!