Gestern Abend am 2. Juli stimmte der Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) des Europäischen Parlaments mit knapper Mehrheit (23 nein, 24 ja, 10 Enthaltungen) gegen den Kandidaten für die Position des Exekutivdirektors der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA), Francois-Louis Michaud. Die Ergebnisse wurden soeben bekanntgegeben. Die Abstimmung im federführenden Ausschuss ist eine Empfehlung für die endgültige Abstimmung nächsten Mittwoch im Plenum. Sollte Michaud auch im Plenum durchfallen, muss die EBA die Stelle neu ausschreiben und dem Parlament endlich eine Shortlist mit mindestens einer Frau und einem Mann vorschlagen. Wir Grünen hatten uns im Vorfeld gemeinsam mit zentralen Vertreter*innen des Ausschusses für Frauenrechte und Gleichstellung gegen den Kandidaten ausgesprochen. Die heutige Abstimmung ist ein Erfolg im Kampf für mehr Gleichberechtigung bei der Besetzung von Spitzenpositionen in EU-Finanzbehörden.
Mit dem Vorschlag von Michaud hat sich der Rat der Aufseher der EBA zum wiederholten Mal gegen die Forderung des Plenums des Europaparlaments nach einer geschlechterausgewogenen Shortlist von mindestens zwei Kandidat*innen für Finanz-Spitzenpositionen in EU-Institutionen gestellt. Diese Position hat das Parlament in einer starken Resolution letztes Jahr festgelegt. Wir Grünen haben im Ausschuss aus formalen Gründen gegen den Kandidaten gestimmt und werden das auch im Plenum nächste Woche tun. Es geht nicht um die Person des Kandidaten, sondern um die Glaubwürdigkeit des Europaparlaments in Sachen Gleichberechtigung. Das Parlament macht sich unglaubwürdig, wenn es weitere reine Männernominierungen abnickt und nicht auf dem eigenen Prinzip von Geschlechtergleichberechtigung besteht. Mit ihren reinen Männernominierungen schadet der EBA Rat der Aufseher letztlich auch den Kandidaten, die aus formalen Gründen abgelehnt werden.
Die Vorsitzende des Ausschusses für Frauenrechte und Gleichstellung, Evelyn Regner, hatte in einem Brief gemeinsam mit den Ausschusskoordinator*innen der Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen alle Mitglieder des Wirtschafts- und Währungsausschusses aufgefordert, aus Gründen der Gleichberechtigung Michaud als Kandidaten für den EBA-Exekutivdirektor im Wirtschafts- und Währungsausschuss aus formalen Gründen abzulehnen.
Michauds Zusage eines Frauenförderprogramms ist gut, taugt aber eher für den Mittelbau als für Spitzenpositionen. Diese werden nämlich auf Vorschlag des Rats der Aufseher der EBA besetzt, auf den der Exekutivdirektor keinen Einfluss hat. Für die Spitzenpositionen helfen nur gleichberechtigte Shortlists, und auf diese werden wir bestehen. An qualifizierten Kandidatinnen für die Positionen fehlt es jedenfalls nicht, das zeigt meine langjährige Erfahrung.
Der vorige Kandidat Gerry Cross war vom Europaparlament wegen ausgiebiger Lobbytätigkeit in der Vergangenheit abgelehnt worden. Zur gleichen Zeit hatte das Parlament gegen die Stimmen der Grünen drei männliche Kandidaten für den SRB bestätigt. Wir hatten uns wegen des mangelnden Geschlechtergleichgewichts gegen die Kandidaten ausgesprochen.
Resolution des Europaparlaments: Ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern bei Nominierungen für Positionen im Bereich Wirtschaft und Währung auf EU-Ebene: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-8-2019-0211_DE.html
Mit grünen europäischen Grüßen,
Sven Giegold
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Brief von Evelyn Regner an die Mitglieder des ECON-Ausschusses:
Dear Members,
Dear Colleagues,
we would like to draw your attention to today’s vote on the Tinagli report on the appointment of François-Louis MICHAUD as Executive Director of the European Banking Authority in the ECON Committee. Due to the reasons laid out below we strongly suggest to vote against this appointment.
We are facing a lack of gender-balanced compositions in nearly every single board of European authorities in the context of economic and monetary affairs – this needs to change.
Last year, the board of supervisors of EBA presented a shortlist of 3 candidates, including Gerry Cross, Francois-Louis Michaud and one woman [Name aus Gründen des Datenschutzes hier gelöscht] for the position of Executive Director of the European Banking Authority. In ECON coordinators, expressed a preference for [the female candidate], but the Board of the supervisors of the EBA ignored Parliaments‘ preference and nominated Mr. Cross. Later on, Gerry Cross was rejected in Plenary in January this year. After the rejection of Mr Cross, the Parliament was calling on EBA to re-open the selection process and come forward with a gender-balanced proposal. With the nomination of only a male candidate, EBA is again ignoring our demands – disrespecting the European Parliament as a whole.
This goes against the European Parliament resolution of 14 March 2019 on gender balance in EU economic and monetary affairs nominations. The adopted text reads: „Calls on the governments of the Member States, the European Council, the Council, the Eurogroup and the Commission to actively work towards gender balance in their upcoming proposals for shortlists and appointments, endeavouring to include at least one female and one male candidate per nomination procedure.“
We are therefore convinced that the ECON Committee should reject Mr Michaud on formal grounds and once more insist on a gender balanced short list.
With warm regards,
Evelyn Regner, Chair of the FEMM Committee
Alice Kuhnke, FEMM Coordinator the Greens/EFA
Maria Noichl, FEMM Coordinator S&D
Samira Rafaela, FEMM Coordinator RENEW