Gestern berieten die europäischen Staats- und Regierungschefs bis spätabends in einer Videokonferenz zu gemeinsamen Antworten auf die Corona-Krise. Mangels Einigkeit unter den EU-Mitgliedstaaten beauftragten sie die Eurogruppe, innerhalb von zwei Wochen eine fiskalpolitische Antwort zu erarbeiten. Die Eurogruppe konnte sich jedoch vor dem Gipfel ebenso nicht einigen. Im Vorfeld des Gipfels hatten neun EU-Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, Italien und Spanien, aber auch Luxemburg, Irland und Slowenien, den EU-Ratspräsidenten Charles Michel zur Einführung von Eurobonds zur Finanzierung einer gemeinsamen Krisenreaktion aufgefordert. Deutschland, Finnland, Österreich und die Niederlande lehnen das ab.
Dazu erklärt Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament:
“Den EU-Gipfel in dieser schweren gesundheitlichen und wirtschaftlichen Krise scheitern zu lassen, ist unverantwortlich. Das Scheitern ist ein fatales Zeichen für den europäischen Zusammenhalt. Mit einem Exportverbot von medizinischen Gütern hat Deutschland zu Beginn der Corona-Krise egoistisch gehandelt. Die Ablehnung von Eurobonds zeigt, dass die Bundesregierung auch wirtschaftspolitisch keine europäische Solidarität walten lässt. Der Virus wurde von keinem Land Europas verschuldet und bedroht alle Bürger gleichermaßen. Wir brauchen jetzt auch in der Finanzpolitik entschiedenes gemeinsames Handeln gegen diese Krise. Mit ihrer kategorischen Ablehnung von Gemeinschaftshaftung baut die Bundesregierung einen Popanz auf. Ohne gemeinsame Fiskalpolitik ist es einmal mehr an der Europäischen Zentralbank, die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Auch dafür haften wir alle zusammen.
Gemeinschaftshaftung und die großen wirtschaftlichen Vorteile gehören gleichermaßen zur Europäischen Währungsunion. Die Verweigerung einer gemeinsamen Fiskalpolitik in der Eurozone verlagert die notwendige Entscheidungen aus dem Raum parlamentarischer Demokratie in den Raum unabhängiger Geldpolitik. Die Weigerung der Bundesregierung, europapolitisch Verantwortung zu übernehmen, verschiebt die gesamte Last der Krisenbewältigung auf die Schultern der EZB. Die unterlassenen Reformen der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion lassen der EZB keine andere Wahl, als die Märkte mit Liquidität zu fluten und die Zinsen im Keller zu belassen. Auch europapolitisch ist grundfalsch, dass sich die deutsche Bundesregierung einmal mehr gegen Frankreich stellt.”