Zur heutigen öffentlichen Anhörung im Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) des Europäischen Parlaments zum Fehlverkauf von Finanzprodukten (mis-selling) sind Vertreter der EU-Kommission, nationaler und europäischer Finanzaufsichtsbehörden und europäischer Verbraucherschutzorganisationen anwesend. Grundlage der Anhörung sind fünf Studien zu missbräuchlichem Vertrieb von Finanzprodukten, die auf Basis unserer grünen Initiative mit Unterstützung aller Fraktionen für den Ausschuss angefertigt wurden. Die Studien zeigen Lücken in der Gesetzgebung, der Implementierung und der Durchsetzung des EU-Verbraucherschutzes auf Finanzmärkten auf.
Dazu sagt der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Sven Giegold:
“Beim Schutz europäischer Anlegerinnen und Anleger vor dem Vertrieb überteuerter oder ungeeigneter Finanzprodukte gibt es noch viele Hausaufgaben für EU und Mitgliedsländer. Die gemeinsamen europäischen Verbraucherschutzstandards und deren Durchsetzung dürfen nicht hinter der Marktintegration zurückbleiben. Der Praxis einiger Finanzunternehmen, unbedarfte Kunden bei Geldanlage und Altersvorsorge schamlos auszunehmen, muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden. Unternehmen, die ihren Kunden risikoreiche eigene Unternehmensanteile als Sparprodukte verkaufen (self-placement) oder Indexfonds als aktive verwaltete Fonds ausgeben (closet indexing), verletzen europäisches Recht und müssen zur Verantwortung gezogen werden. Die EU-Kommission und europäischen Finanzaufsichtsbehörden müssen die Einhaltung von EU-Recht in allen Mitgliedsstaaten konsequent durchsetzen. Dringender Handlungsbedarf besteht beispielsweise bei der Umsetzung der Immobilienkreditrichtlinie in Spanien, Kroatien, Ungarn und Rumänien, wo die Studien Mängel und mögliche Rechtsbrüche identifizieren. EIOPA muss die Wucher-Gewinne beim Vertrieb Restschuldversicherungen einer strikten Untersuchung unterziehen und gegebenenfalls gegen ihren Vertrieb vorgehen. Der Fehlverkauf von Finanzprodukten vernichtet nicht nur individuelle Existenzen, sondern gefährdet auch die Finanzstabilität. Verbraucher brauchen eine Beratung frei von Interessenkonflikten, statt einen Papierberg mit unnützen Informationen. Bürokratie ersetzt keine kostengünstigen und effizienten Finanzprodukte.
Es ist unerlässlich, den Verbraucherschutz bei der aktuellen Überarbeitung der europäischen Finanzaufsicht zu stärken. Die europäischen Finanzaufsichtsbehörden brauchen mehr Befugnisse und Mittel um sicherzustellen, dass Kleinanleger überall in Europa auf gleichen Schutz und gleiche Rechte vertrauen können. Diese Reformen darf die Bundesregierung im EU-Ministerrat nicht länger blockieren. Der Gesetzesentwurf der Kommission zu kollektivem Rechtsschutz ist ein wichtiger Schritt, damit sich finanziell Geschädigte in ganz Europa zukünftig gemeinsam und auf Augenhöhe gegen den Verkauf überteuerter und ungeeigneter Finanzprodukte wehren können.”
Die Aufzeichnung der Anhörung kann hier angeschaut werden:
http://www.europarl.europa.eu/ep-live/de/committees/
Links zu den fünf Studien zum Fehlverkauf von Finanzprodukten:
Nachrangige Schuldverschreibungen (Subordinated Debt and Self-placement): http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2018/618994/IPOL_STU(2018)618994_EN.pdf
Wohnimmobilienkredit (Mortgage Credit): http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2018/618995/IPOL_STU(2018)618995_EN.pdf
Vermarktung, Verkauf und Vertrieb (Marketing, Sale and Distribution): http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2018/618996/IPOL_STU(2018)618996_EN.pdf
Verbraucherkredit (Consumer Credit): http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2018/618997/IPOL_STU(2018)618997_EN.pdf
Kompensation von Anlegern in Belgien (Compensation of Investors in Belgium): http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2018/618998/IPOL_STU(2018)618998_EN.pdf