Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,
ein großer Erfolg für unsere Gesundheit und Umwelt! Das Europaparlament beschloss heute (25. März 2021) einen starkenen Bericht zur Umsetzung der EU-Regeln für Luftqualität. Der Bericht ist nach Monaten der Arbeit voller grüner Vorschläge und tiefgrün! Wir stellen fest: Europas Gesetze für saubere Luft sind zu schwach. Und selbst die seit Jahrzehnten bestehenden Gesetze werden von den nationalen Regierungen nicht korrekt umgesetzt. Jedes Jahr sterben 400.000 Europäerinnen und Europäer vorzeitig an den Folgen schlechter Luft. Eine progressive Mehrheit aus Sozialdemokraten, Liberalen (ohne die deutsche FDP), Grünen und Linken will dem jetzt ein Ende setzen. Nach 16 Jahren wollen wir die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für deutlich strengere Grenzwerte für Feinstaub, Schwefeldioxid und andere Schadstoffe endlich umsetzen. Damit würden mehr als 50.000 vorzeitige Todesfälle jedes Jahr vermieden. Wir stimmten für saubere Luft und für ein Recht auf Umweltgesundheit für alle Bürger*innen auf Stand der Wissenschaft.
Doch gerade die Abgeordneten der CDU/CSU, angeführt von Norbert Lins (CDU Baden-Württemberg), unterstützt von FDP und AfD, versuchten, schärfere Grenzwerte auszubremsen. Damit kamen sie nicht durch! Die Mehrheit des Europaparlaments steht hinter strengeren Regeln für eine bessere Luftqualität. Wie alle deutschen Abgeordneten zur entscheidenden Frage der strengeren Grenzwerte abstimmten, haben wir hier aufbereitet (gerne teilen!): https://twitter.com/sven_giegold/status/1375048248554045440
In der Schlussabstimmung stimmten 425 Abgeordnete für den starken Bericht bei 109 Gegenstimmen und 153 Enthaltungen. Die Zustimmung kam vor allem von Sozialdemokrat*innen, Liberalen, Grünen und Linken. Die Enthaltungen von den Christdemokrat*innen. Die Gegenstimmen von Europagegnern und Rechtsextremen.
Europas Luft plagen zwei große Probleme, die wir mit dem heute beschlossenen Bericht angehen:
- Unsere Regeln sind teilweise unzureichend und veraltet. Die WHO empfiehlt deutlich strengere Grenzwerte für Feinstaub, Schwefeldioxid und andere Schadstoffe.
- Bestehende Gesetze werden schlecht umgesetzt. Mehr als 10 Jahren nachdem Grenzwerte in Kraft traten, ist die Luft vielerorts immer noch schlechter als erlaubt!
Angleichung der EU-Luftqualitätsstandards an die Empfehlungen der WHO
Wir fordern die EU-Kommission auf, eine Überarbeitung der EU-Luftqualitätsrichtlinie vorzulegen, um die aktuellen EU-Grenzwerte für Luftschadstoffe an die von der WHO empfohlenen Höchstwerte anzugleichen. In Zukunft wollen wir diese Grenzwerte regelmäßig überprüfen, damit die EU-Gesetze auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Denn die heutigen EU-Standards sind 15 bis 20 Jahre alt und teilweise mehr als sechsmal höher derzeit von der WHO empfohlen.
Im Kern fordert eine progressive Mehrheit des Europaparlaments strengere Grenzwerte für Feinstaub, Stickstoffdioxid, und Ozon. Außerdem wollen wir neue Grenzwerte für Ultrafeinstaub und Ruß, für die es das bisher nicht gibt. Diese Forderungen trafen auf breite Unterstützung von Sozialdemokrat*innen, Liberalen, Grünen und Linken. Wir Grüne setzten uns darüber hinaus für neue Grenzwerte für Ammoniak und Quecksilber ein. Damit waren wir am Ende erfolgreich – auch für diese Schadstoffe soll es neue Grenzwerte geben. Mikroplastik soll in Zukunft auf unsere grüne Initiative hin auf eine Beobachtungsliste für problematische Substanzen, für die es noch nicht genügend wissenschaftliche Erkenntnisse gibt. Flug- und Straßenverkehr, Industrieanlagen, Massentierhaltung in der Landwirtschaft, Holzheizungen sind besonders verantwortlich für diese Schadstoffe.
Mehr und effektivere Vertragsverletzungsverfahren
Leider werden EU-Umweltgesetze heute zu häufig nicht eingehalten. Es laufen zurzeit 31 Vertragsverletzungsverfahren gegen 18 Mitgliedstaaten – darunter Deutschland – im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Luftqualitätsrichtlinie. Einige dieser Verfahren begannen bereits 2009. Bislang wurde jedoch nur ein Mitgliedstaat zur Zahlung von Geldstrafen verurteilt – alle anderen kommen weiter ungestraft davon.
Vertragsverletzungsverfahren sind heute oft zu langwierig und ineffektiv. Es war daher eine unserer grünen Prioritäten, die Durchsetzung des EU-Umweltrechts zu verbessern. Gemeinsam mit den Liberalen stritten wir für mehr Personal in der EU-Kommission für die Verfolgung von Verstößen und raschere rechtliche Schritte gegen die Mitgliedstaaten. Insbesondere die Forderung nach einer schnellen Eröffnung von Vertragsverletzungsverfahren zu den viel zu hohen Ammoniakemissionen geht auf unsere grüne Initiative zurück. Wir fordern von der EU-Kommission aktiv zu werden, denn in mehreren Mitgliedstaaten liegen die Emissionen seit zehn Jahren ungestraft über den erlaubten Höchstwerten. Damit senden wir ein starkes Signal an die EU-Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten für saubere Luft und die Einhaltung von EU-Recht überall. Neue Vertragsverletzungsverfahren würden unter anderem auch Deutschland treffen. Denn Deutschland setzt seit 2010 jedes Jahr mehr Ammoniak in die Luft frei, als EU-Recht erlaubt. In Deutschland ist die Massentierhaltung und Düngung in der industriellen Landwirtschaft verantwortlich für mehr als 90% aller Ammoniakemissionen, die zu gesundheitsschädlichem Feinstaub führen. Davon sind besonders Menschen in ländlichen Regionen betroffen.
Gute Chancen auf Umsetzung unserer Forderungen
Das Europaparlament kontrolliert regelmäßig die Umsetzung von EU-Recht in den Mitgliedstaaten und beschließt, wenn nötig, Empfehlungen zur besseren Durchsetzung. Diese Empfehlungen sind rechtlich nicht bindend, erklären aber die Positionen des Parlaments im Hinblick auf bereits angekündigte Überarbeitungen der EU-Luftqualitätsrichtlinie und der Richtlinie über Industrieemissionen. Damit hat der Bericht gute Chancen, europäisches Recht und seine Durchsetzung zu verändern.
Ein starker Bericht – Dank der Zivilgesellschaft
Dieser Erfolg gehört auch den vielen Bürger*innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich jeden Tag für saubere Luft einsetzen. Dieser konstante Druck aus der Öffentlichkeit hat das heute starke Ergebnis erst ermöglicht. Ganz besonders möchte ich all denen danken, die mich ganz konkret während der Verhandlungen dieses Berichts unterstützt haben. Und allen Bürger*innen und Zivilgesellschaft, die ihr Recht auf saubere Luft in dutzenden Gerichtsverfahren einklagen – obwohl es Aufgabe der Kommission und nationalen Regierungen ist, für gesunde Luft zu sorgen. Ohne den Druck aus der Öffentlichkeit und ohne die vielen Verfahren vor nationalen Gerichten wäre die Luft vielerorts noch dramatisch schlechter.
Ich nehme den Schwung aus der heutigen Entscheidung mit. Denn es kann erst der Anfang sein. Der heutige mühsam errungene Erfolg muss jetzt in Taten umgesetzt werden. Deshalb bleibe ich natürlich weiter dran und freue mich auf Ihre und Eure Unterstützung.
Mit erfreuten grünen Grüßen
Sven Giegold
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Der nur mit geringen Änderungen beschlossene Bericht: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-9-2021-0037_DE.pdf
Meine Rede dazu im Europaparlament: https://youtu.be/x7mJYgtZBJI
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Hintergrund
Luftverschmutzung ist das größte umweltbedingte Gesundheitsrisiko in Europa. Mehr als 400.000 Menschen sterben jedes Jahr vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung in Europa, in Deutschland sind es allein mehr als 70.000 pro Jahr. Hauptursache ist die hohe Feinstaubbelastung, an der allein rund 379.000 Menschen im Jahr sterben. Feinstaub entsteht in vielen industriellen Prozessen, im Straßenverkehr und in der Landwirtschaft, wenn Ammoniak in der Luft mit anderen Schadstoffen zu gefährlichem Feinstaub reagiert. Auch Stickstoffdioxid und Ozon sind verantwortlich für zehntausende vorzeitige Todesfälle jedes Jahr. Stickstoffdioxid wird vor allem im Straßenverkehr ausgestoßen.
Die EU setzt Grenzwerte für die gefährlichsten Schadstoffe. Doch die Durchsetzung ist völlig unzureichend. In einer Vielzahl von Fällen werden die EU-Grenzwerte nicht eingehalten. So berichtet die Europäische Umweltagentur, dass 19% der Messstationen in der EU Konzentrationen über dem Feinstaub-Tagesgrenzwert verzeichneten. Weite Teile der städtischen Bevölkerung der EU lebt in Gebieten mit Schadstoffkonzentrationen, die mindestens einen EU-Luftqualitätsstandard überschreiten.
Zurzeit laufen 31 Vertragsverletzungsverfahren gegen 18 Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Umsetzung der Luftqualitäts-Richtlinie, die unter anderem Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid festlegt. Einige dieser Vertragsverletzungsverfahren sind seit 2009 anhängig. Trotzdem bestehen flächendeckend Überschreitungen der Schadstoffkonzentrationen in den Mitgliedstaaten. Gegen Deutschland läuft bereits seit 2015 ein Verfahren wegen der kontinuierlichen Überschreitung der Stickstoffdioxidgrenzwerte in vielen Städten. Stickstoffdioxid entsteht vor allem bei der Nutzung von Dieselfahrzeugen im Straßenverkehr. Auch sechs Jahre nach Aufdeckung des Dieselskandals sind immer noch 50 Millionen Fahrzeuge auf europäischen Straßen unterwegs, die bis zu 20mal über den gesetzlichen Grenzwerten emittieren können und zu Stickstoffdioxid-Überschreitungen in mehr als 130 Städten in der EU beitragen.
Die Umsetzung der zweiten Säule der EU-Luftstandards ist noch schlechter. Die Richtlinie über nationale Emissionen von Schadstoffen (“NEC”-Richtlinie) legt nationale Emissionsreduktionsverpflichtungen für Schwefeldioxid, Stickstoffoxide, Ammoniak und Feinstaub fest. Diese Ziele gelten seit 2010. Doch die Richtlinie ist nicht nur von vielen Ländern mangelhaft umgesetzt. Die Kommission hat auch seit 2010 nicht ein einziges Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Deutschland hat seine jährlichen Ammoniak-Emissionsziele in keinem Jahr seit 2010 erreicht. Jedes Jahr emittieren wir weit mehr Ammoniak als EU-Recht erlaubt – und gefährden damit Millionen Menschen. In Deutschland ist die Massentierhaltung und Düngung in der industriellen Landwirtschaft verantwortlich für mehr als 90% aller Ammoniakemissionen, die zu gesundheitsschädlichem Feinstaub führen. Davon sind besonders Menschen in ländlichen Regionen betroffen.
Laut Europäischer Umweltagentur zeigen vorläufige Studien, dass Luftverschmutzung zu mehr und schwereren COVID-19 Fällen führen kann. Die Belastung durch Luftverschmutzung ist mit Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen verbunden, die als Risikofaktoren bei COVID-19-Patienten identifiziert wurden. Gleichzeitig gibt es erste Hinweise, dass Feinstaub als physikalischer Träger des Virus fungieren kann und so die Übertragung des Coronavirus beschleunigt.
Details des heute beschlossenen Berichts
- Mehr und schnellere Vertragsverletzungsverfahren zur besseren Durchsetzung von EU-Recht
Da der Großteil der Mitgliedstaaten die bestehenden Gesetze nur mangelhaft durchsetzt, ist es an der EU-Kommission als Hüterin der Verträge, Vertragsverletzungsverfahren gegen diese Mitgliedstaaten zu führen. Grüne und Liberale haben deshalb gemeinsame Änderungsanträge eingebracht, mit konkreten Forderungen an die EU-Kommission. Wir fordern von der Kommission unter anderem, Vertragsverletzungsverfahren gegen alle Mitgliedstaaten zu eröffnen, die seit 2010 die nationalen Emissionsziele nicht einhalten. Dazu zählt insbesondere Deutschland, das seit die Richtlinie über nationale Emissionsziele im Jahr 2010 in Kraft trat nicht ein einziges Mal seine jährlichen Ammoniak-Emissionsziele erreicht hat. Deutschland wird ohne zusätzliche Maßnahmen auch in den nächsten zehn Jahren weiter gegen die Regeln verstoßen. Das deutsche nationale Luftreinhalteprogramm ist völlig unzureichend. Deutschland – und 14 weitere Mitgliedstaaten – werden die Ammoniak-Ziele bis 2030 nicht einhalten und so weiter riesige Mengen gefährlichen Feinstaubs produzieren. Um diese Verfahren möglichst schnell und konsequent zu führen, fordern wir von der EU-Kommission mehr Personal und finanzielle Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Für diese Positionen erhielten wir Unterstützung der Sozialdemokrat*innen und Teilen der Linken.
Christdemokrat*innen, Rechtspopulisten, Rechtsradikale versuchten, diese Forderungen aus dem Bericht zu streichen. Sie stellten sich also ganz eindeutig gegen die grundlegendsten Verbesserungen der mangelhaften Durchsetzung von EU-Recht.
- Neue und schärfere Grenzwerte für Schadstoffe, um Bevölkerung besser zu schützen
Selbst bei kompletter Umsetzung aller EU-Regeln zur Luftqualität, wären wir weiterhin gefährlichen Schadstoffen ausgesetzt. Es gibt derzeit eine große Diskrepanz zwischen den von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen Höchstwerten und den aktuell geltenden EU-Normen- Für Schwefeldioxid- und Feinstaub-Konzentrationen empfiehlt die WHO sechs bzw. zwei Mal niedrigere Grenzwerte als zurzeit in Europa existieren. Dieses Versäumnis der EU, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu gewährleisten muss korrigiert werden. Sozialdemokraten, Liberale, Grüne und Linke fordern, die EU-Grenzwerte an die Empfehlungen der WHO anzupassen. Wissenschaftliche Erkenntnisse sollen die Basis für Gesetze der EU sein. Christdemokrat*innen und Rechtskonservative scherten im letzten Moment aus einem gefundenen Kompromiss aus. Ihre Position ist, dass es nur eine “engere Angleichung” an die Empfehlungen der WHO geben soll. Damit gäbe es weiter die Möglichkeit, Grenzwerte ein Vielfaches über dem Stand der Wissenschaft festzulegen. Die Konsequenz wäre, dass weiterhin Tausende Menschen vorzeitig an Krankheiten ausgelöst durch Luftverschmutz sterben.
Ähnlich verliefen die Verhandlungen zu weiteren Schadstoffen, die bisher noch nicht in der EU reguliert sind. Dies sind vor allem Ruß, Ultrafeinstaub und Mikroplastik. Alte Diesel- und Holz-Heizungsanlagen in Wohngebäuden sind verantwortlich für einen Großteil der Rußemissionen. Gerade in Städten entstehen so Gefahren für unsere Gesundheit. Rußpartikel gelangen über die Lunge in das Blut und von dort in weitere Organe. Sie wurden sogar im Gehirn nachweisen. Ultrafeinstaub sind besonders kleine Partikel. Sie entstehen zum Beispiel bei Start und Landung von Flugzeugen. Auch sie gelangen über das Blut bis in die Organe. Reifenverschleiß im Straßenverkehr verursacht in der EU jedes Jahr mehr als 500.000 Tonnen Mikroplastik. Ein großer Teil dessen verteilt sich als Feinstaub in der Luft.
Es war lange die Position der Christdemokrat*innen, dass das Parlament nicht fordern dürfe, Grenzwerte für diese weiteren Schadstoffe in Zukunft festzulegen, bevor alle bestehenden Regeln umgesetzt sind. Dies würde bedeuten, dass auf absehbare Zeit neue Schadstoffe nicht auf EU-Ebene reguliert werden könnten. Auf Initiative von uns Grünen fordern wir nun jedoch von der EU-Kommission, für Ruß, Ammoniak, Quecksilber und Ultrafeinstaub Grenzwerte auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse festzulegen. Die Forderung nach einer Beobachtungsliste für Substanzen, für die es noch nicht genug Daten für exakte Grenzwerte gibt (z.B. Mikroplastik) geht auf einen grünen Änderungsantrag zurück. Die grünen Änderungsanträge wurden unterstützt von Sozialdemokrat*innen, Liberalen und Linken. Damit stellt das Europaparlament fest, dass mehr Ambition für saubere Luft nötig ist. In Zukunft müssen nicht nur bestehende Grenzwerte eingehalten werden – auch neue Schadstoffe werden reguliert zum Schutz unserer Gesundheit.
- Industrieemissionen: Erste Position des Europaparlaments im Hinblick auf Überarbeitung der Regeln für Industrieanlagen
Die europäische Industrie ist verantwortlich für große Teile der Schadstoffe in unserer Luft. Kohlekraftwerke sind in ganz besonderem Maße giftig. 62% der Quecksilberemissionen der europäischen Industrie werden durch Kohlekraftwerke verursacht. Quecksilber ist ein gefährliches Nervengift, das selbst in kleinsten Mengen das Nervensystem schädigt. Darüber hinaus sterben In Europa jedes Jahr 20.000 Menschen vorzeitig aufgrund der Freisetzung von Schwefeldioxid, Stickoxiden und Feinstaub. Der Umweltausschuss fordert deshalb nicht nur den Kohleausstieg in ganz Europa bis 2030. Wir wollen auch Industrieanlagen mit den geringsten negativen Umweltauswirkungen in Zukunft gezielt fördern.
Die Richtlinie über Industrieemissionen soll in Zukunft erweitert werden und mehr Industriesektoren umfassen. Dazu zählt vor allem die industrielle Landwirtschaft, die teilweise noch nicht von der Richtlinie abgedeckt wird.
Viele Kohlekraftwerke, Zementwerke und mehr als 10 % der Eisen -, Stahl- und Glasanlagen profitieren derzeit auf Basis von Ausnahmeregelungen gemäß der Richtlinie über Industrieemissionen. Sie können also mehr Schadstoffe ausstoßen, als eigentlich erlaubt. Ein besonderes Beispiel dieser Ausnahmen sind Zementwerke, die Abfall zur Energiegewinnung verbrennen. Für diese Werke können zurzeit Ausnahmen der Schwefeldioxidgrenzwerte gestattet werden ohne, dass es ein oberes Ende der Emissionen gäbe.Viele Zementwerke stoßen also ein Vielfaches der zugelassenen Schwefeldioxidgrenzwerte aus. Diese Ausnahmen wollen wir in Zukunft begrenzen und auf ein absolut notwendiges Minimum zu beschränken.
All diese Verbesserungen gehen auf Änderungsanträge der Sozialdemokrat*innen und Grünen zurück. Linke und Liberale unterstützen einen gefundenen Kompromiss, wohingegen Christdemokrat*innen, Konservative und Rechtsradikale im Umweltausschuss gegen diese konkreten Forderungen zur Verbesserung der Luftqualität stimmten.
Unsere Forderung nach stündlichen und täglichen Grenzwerten für besonders kleinen Feinstaub (PM2,5) erhielt im Umweltausschuss keine Unterstützung der Liberalen, Christdemokrat*innen und Rechtskonservativen. Sie wurde deshalb nicht angenommen. Zurzeit gibt es nur Grenzwerte für die Belastung im Jahresdurchschnitt. Da aber gerade zu Stoßzeiten im Straßenverkehr viel höhere Belastungen gemessen werden, sollte es stündliche Grenzwerte für Feinstaub geben. Auch einige unserer Forderungen zum Straßenverkehr, insbesondere zur Durchsetzung der Regeln für Dieselautos fanden in diesem Bericht keine Mehrheit. Wir forderten die rasche Rücknahme und, wo möglich, die Nachrüstung von nicht konformen Dieselfahrzeugen, die von den nicht konformen Fahrzeugherstellern finanziert werden sollten. Der Export von Dieselfahrzeugen ohne Nachrüstung des nicht funktionierenden Emissionskontrollsystems sollte von der EU-Kommission verhindert werden.
- Zugang zur Justiz: Christdemokrat*innen und Konservative wollten bessere Regeln verhindern
In vielen Ländern Europas haben Bürger*innen es schwer, ihr Recht auf saubere Luft einzuklagen. Der Zugang zur Justiz wird für sie unnötig behindert. Wir fordern deshalb die EU-Kommission auf, diesen Missstand zu beheben. Wir erwarten von der EU-Kommission neue Regeln zum Zugang zur Justiz in den Mitgliedstaaten. Christdemokrat*innen und Konservative wollten diesen Abschnitt komplett aus dem Bericht streichen. Damit würden sie verhindern, dass das Parlament ein starkes Signal an alle die sendet, die sich für saubere Luft einsetzen. Eine Mehrheit aus Sozialdemokrat*innen, Liberalen, Grünen und Linken stimmte jedoch für diese Forderungen.
Wir Grüne hätten uns gewünscht, von der Kommission zu fordern, Kriterien für wirksame finanzielle Sanktionen und für Ausgleichszahlungen für Umweltverschmutzungsschäden einzuführen. So würden einzelne Bürger*innen in ihren Rechten gestärkt und nationale und lokale Behörden motiviert, die Richtlinien vollständig umzusetzen. Für diesen Vorschlag gab es keine Mehrheit im Umweltausschuss.