Sven Giegold

Ewigkeitschemikalien/PFAS: EU-Kommission bestätigt Verbot bis 2022

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,

das sind wirklich gute Neuigkeiten für unsere Gesundheit. Als Antwort auf eine schriftliche Frage (siehen unten) meiner Kollegin Jutta Paulus und mir hat die EU-Kommission sich jetzt terminlich festgelegt: Die sogenannten Ewigkeitschemikalien aus der PFAS-Gruppe (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen) werden verboten. In Löschschäumen schon im kommenden Oktober 2021, und für alle anderen Verwendungen im Jahr 2022. 

Die Kommission setzt damit eine Forderung vieler Umweltverbände, Expert*innen und uns Grünen um. Wichtig dabei ist, dass die über 4700 PFAS-Verbindungen – wie bisher die Regel – nicht einzeln verboten werden, sondern als Gruppe. Dieser Gruppenansatz ist zentral für die Chemikalienregulierung, damit Hersteller nicht einfach auf chemisch ähnliche Verbindungen ausweichen können, die noch nicht reguliert sind (Bestes Negativ-Beispiel: Bisphenol A).

PFAS sind eine besonders tückische Stoffklasse. Sie sind extrem stabil (deswegen der Spitzname “Ewigkeitschemikalien”) und verbreiten sich gleichzeitig sehr leicht. Damit kontaminieren sie schnell und langfristig Luft, Wasser und Boden. PFAS werden mit Erkrankungen des Hormonsystems, der Geschlechtsorgane und des Immunsystems sowie mit Krebs in Verbindung gebracht. 

Eine Untersuchung in sechs europäischen Ländern (Dänemark, Frankreich, Deutschland, Tschechien, Niederlande und Vereinigtes Königreich) ergab, dass PFAS in der Mehrheit der getesteten Einweglebensmittelverpackungen und Geschirr aus Papier, Karton und geformten Fasern zu finden sind. Von den 42 Proben zeigten 76 % eine absichtliche Behandlung mit PFAS, wobei in allen Proben Spuren gefunden wurden. Aufgrund der Wirkung auf das Hormonsystem und der extremen Langlebigkeit sind schon kleinste Mengen bedenklich.

Die EU-Kommission sagt auf unsere Frage hin auch zu, dass Papier, Karton und andere geformte Fasern endlich in die EU-Verordnung für Lebensmittelkontaktmaterialien aufgenommen werden. Damit schließt sie ein klaffendes Schlupfloch, denn anders als bei Geschirr und Verpackungen aus Plastik sind die Inhaltsstoffe von Geschirr und Verpackungen aus Papier und Karton bisher nicht genauso streng reguliert.

Diese wirklich guten Neuigkeiten gibt es auch Dank der beharrlichen Arbeit von Umwelt- und Gesundheitsschutzverbänden und Chemikalienexpert*innen, die nicht locker gelassen haben. Auch im Europawahlkampf haben wir Grünen das Thema gesunde und nachhaltige Chemie nach vorne gestellt und konnten mit dem starken Grünen Ergebnis bei der Europawahl Druck auf die Kommission machen.

Viele Chemieunternehmen sind schon auf dem Weg oder in den Startlöchern hin zu sauberer und nachhaltiger Chemie. Mit starken Regeln unterstützen wir diese innovativen Unternehmen und schaffen Planungssicherheit. Gemeinsam mit meiner Kollegin Jutta Paulus werde ich genau verfolgen, welche Regelungen die Kommission genau plant, auch um Verwässerungen im letzten Moment noch zu verhindern. Wir bleiben dran!

Vielen Dank für Ihre und Eure Unterstützung,

Mit erfreuten europäischen Grüßen,

Sven Giegold

 

P.S.: HEUTE: Webinar Europe Calling “Machtlos gegen die Fluten? Wie können wir uns in NRW und Europa vor Katastrophen schützen?” – mit der renommierten europäischen Hochwasserforscherin Prof. Hannah Cloke, Grüner Landtagsfraktionsvorsitzende Verena Schäffer und Grünen-Vize Oliver Krischer. Am Mittwoch, den 4.8.2021 um 20:00 Uhr. Seid dabei und diskutiert mit! Gleich hier anmelden!

Anfrage zur schriftlichen Beantwortung an die Kommission

Jutta Paulus (Verts/ALE), Sven Giegold (Verts/ALE)

Betrifft:    Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) in Lebensmittelverpackungen und Lebensmittelkontaktmaterialien

Eine Umfrage in sechs europäischen Ländern (Dänemark, Frankreich, Deutschland, Tschechien, Niederlande und Vereinigtes Königreich) ergab, dass Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) in weit verbreiteten Einweglebensmittelverpackungen und Geschirr aus Papier, Karton und geformten Fasern weit verbreitet sind (diese Materialien fallen nicht unter die EU-Verordnung über Lebensmittelkontaktmaterialien).

Per- und polyfluorierte Verbindungen (PFAS) sind hochpersistent und mobil und kontaminieren Luft, Wasser und Boden. Sie werden mit Erkrankungen des reproduktiven, endokrinen und des Immunsystems sowie mit Krebs in Verbindung gebracht.

Von den 42 Proben zeigten 76 % eine absichtliche Behandlung mit PFAS, wobei in allen Proben Spuren gefunden wurden. 99 % des in ausgewählten Proben vorhandenen organischen Fluors konnten durch die vom Labor durchgeführte verbindungsspezifische Analyse von 55 PFAS nicht erfasst werden, was bedeutet, dass die vorhandenen PFAS nicht mit Sicherheit identifiziert werden konnten.

  1. Was gedenkt die Kommission zu unternehmen, um eine PFAS-Kontamination von Lebensmitteln und Materialien und Gegenständen, die mit ihnen in Berührung kommen, zu vermeiden?
  2. Wann wird die Kommission Papier, Karton und geformte Fasern in den Anwendungsbereich der EU-Verordnung über Lebensmittelkontaktmaterialien aufnehmen?
  3. Wann wird sie den in der Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien versprochenen Gruppenansatz für PFAS veröffentlichen?

Antwort von Stella Kyriakides (Gesundheitskommissarin)

im Namen der Europäischen Kommission

(4.8.2021)

  1. Die Kommission prüft derzeit ein Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), das darauf hindeutet, dass dem Problem des Vorkommens bestimmter Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) in Lebensmitteln nachgegangen werden muss. Zu den Risikomanagementmaßnahmen gehört die Festlegung von Höchstgehalten im Rahmen der Rechtsvorschriften über Kontaminanten in Lebensmitteln, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. Dies wird in der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit dargelegt.

PFAS können bei der Herstellung von Lebensmittelkontaktmaterialien, wie beschichtetem Papier, beschichteter Pappe und anderen Faserstoffen, verwendet werden. Die Unternehmer sind gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004[3] rechtlich verpflichtet sicherzustellen, dass Lebensmittelkontaktmaterialien keine Bestandteile in Mengen an Lebensmittel abgeben, die die menschliche Gesundheit gefährden.

  1. Die Kommission überarbeitet derzeit die Rechtsvorschriften über Lebensmittelkontaktmaterialien. Im Rahmen der Überarbeitung wird die Kommission alle Arten von Lebensmittelkontaktmaterialien, einschließlich Papier, Pappe und geformte Fasern, berücksichtigen und für eine größere Kohärenz mit anderen einschlägigen Rechtsvorschriften, wie der Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), sorgen.
  2. In der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit hat sich die Kommission verpflichtet, PFAS als Gruppe in Feuerlöschschäumen sowie für andere Verwendungen zu verbieten und ihre Verwendung nur zu gestatten, wenn sie für die Gesellschaft unverzichtbar ist. Die Definition der PFAS-Gruppe wird in die Beschränkungsdossiers aufgenommen (voraussichtlich im Oktober 2021 für Feuerlöschschäume und 2022 für alle anderen Verwendungen).

 

 


Hinweis: Dieser Blogbeitrag wurde innerhalb der letzten 2 Monaten vor der Bundestagswahl 2021 veröffentlicht. In diesem Zeitraum wurde die Homepage und die zugrunde liegende IT-Infrastruktur aus Wahlkampfmitteln und nicht aus dem Parlamentsbudget finanziert.

 

Rubrik: Klima & Umwelt, Wirtschaft & Währung

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