Financial Times Deutschland, 3.6.2011
Wem die Börsenstunde schlägt
37 Jahre operierte Glencore im Stillen. Seit dem Gang aufs Parkett steht der Rohstoffhändler mit einem Umsatz von 145 Mrd. Dollar in der Öffentlichkeit. Schon gibt es die erste Krise. Die Aktie stürzt ab
Tobias Bayer, Zürich.
Für Unternehmen ist ein Börsengang meist ein Grund zum Feiern. Sie erhalten frisches Kapital, das Management darf im Blitzlichtgewitter die Glocke läuten. Glencore könnte derzeit weniger Trubel vertragen: Vor zwei Wochen sammelte der Rohstoffhändler beim Börsengang in Hongkong und London 10 Mrd. Dollar ein. Das hieß für die Schweizer auch ein Ende der Verschwiegenheit nach 37 Jahren – und schon müssen sie das erste PR-Desaster verkraften.
145 Mrd. Dollar setzt Glencore im Jahr um. Und doch hat die Europäische Investitionsbank (EIB) die Kooperation mit der Firma aus dem Kanton Zug auf Eis gelegt. Glencore habe bei dem von der EIB kofinanzierten Bergbauprojekt Mopani in Sambia – Glencore hält 73 Prozent – zu wenig Steuern und Dividenden bezahlt, befürchtet das von den EU-Staaten getragene Institut. Das ist nicht alles: Es gebe „schwerwiegende Bedenken bezüglich der Unternehmensführung“.
Diese gingen „weit über das Investment in Mopani hinaus“, teilt die EIB mit. Was sie genau meint, sagt sie nicht. Allerdings haben gleich 50 EUAbgeordnete per Brief auf Ungereimtheiten hingewiesen. Anleger sind alarmiert: Die Aktie fällt, bis Donnerstag um insgesamt 3,5 Prozent. Glencore weist die Vorwürfe zurück: „Wir begrüßen es, dass sich die EIB Mopani näher anschaut, sind wir doch zuversichtlich, dass wir komplett entlastet werden“, sagt ein Sprecher. Die Anschuldigungen fußten auf einer unfertigen Studie. Konkret geht es um einen Bericht der Wirtschaftsprüfer Grant Thornton und Econ Pöyry im Auftrag Sambias. Dessen Schlussfolgerungen habe man schon im Frühjahr bestritten. Dabei stützt sich Glencore auf ein Gutachten des Mopani-Prüfers Deloitte. Das Unternehmen selbst sieht sich als Entwicklungshelfer. Durch die Mopani-Mine hätten 7500 Menschen in dem Land im Süden Afrikas Arbeit, in den vergangenen drei Jahren investierte der Rohstoffhändler 325 Mio. Dollar, fast das Doppelte soll hinzukommen. Allein: Die Verteidigung findet kaum Gehör. Das Unternehmen, von dessen Vorständen es fast keine Fotos gibt, geht gleich mit seinen ersten öffentlichen Aktionen baden.
Vielleicht sind es einfach die Schatten der Vergangenheit, die Glencore nun einholen. Gründer ist Marc Rich, der „King of Oil“, der wegen Geschäften mit dem Iran jahrelang auf US-Fahndungslisten stand. Wer früher bei Glencore anrief, hörte selten mehr als „No comment“. Nun erfährt man, wie schlimm die Öffentlichkeit wirklich sein kann.
Hier gibt es den offenen Brief der 50 Europaabgeordneten, den ich auch gerne mit unterzeichnet habe: Open letter Mopani EN (englisch) oder Lettre ouverte Mopani FR (französisch).