Debatte Braunkohle in Deutschland
Die EU befeuert den Abbau
Kommentar von Sven Giegold.
Beim Kohleboom spielen europäische Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. Die Verschmutzerindustrien haben in Brüssel loyale politische Helfer.
Tagebau Wetzow-Süd: Das Baggern soll kein Ende nehmen, und die EU hilft dabei kräftig mit. Bild: dpa
Das kleine und reiche Deutschland ist der größte Rohstoffproduzent von Braunkohle. Weltweit wird nirgendwo mehr abgebaggert als bei uns. Die Verstromung der geförderten Braunkohle verursacht rund 20% aller CO2-Emissionen in Deutschland. Und derzeit läuft die Braunkohleverfeuerung zur Stromerzeugung regelrecht auf Hochtouren. Steigende deutsche CO2-Emissionen trotz der Erfolge beim Ausbau der Erneuerbaren Energien sind die Folge. Dabei müssten zuerst die reichen Staaten dazu bereit sein, ihre fossilen Bodenschätze in der Erde zu lassen. Nur so können sie zu wirksamen und gerechten globalen Vereinbarungen mit Entwicklungs- und Schwellenländern im Kampf gegen den Klimawandel kommen. Der deutsche Ausstieg aus der Kohle ist überfällig. Denn die Glaubwürdigkeit Deutschlands in der Klimapolitik nimmt sonst schweren Schaden.
Der Abbau von Rohstoffen wie auch der Energiemix liegen in nationaler Kompetenz. In Deutschland entscheidet der Bundestag bzw. die Landtage, ob und wie viel Kohle abgebaggert wird. Allerdings spielen europäische Rahmenbedingungen in der Energie- und Umweltpolitik eine erhebliche Rolle für den klimaschädlichen Kohleboom in Deutschland. Drei Beispiele:
Der Europäische Emissionshandel ist seit Jahren ein Fehlschlag. Die größten Emittenten von Kohlendioxid wie Kraftwerke und Industrieanlagen müssen in diesem System europaweit Verschmutzungsrechte halten und dafür bezahlen. Allerdings ist der Preis der Zertifikate durch jahrelanges Missmanagement des Systems absurd niedrig. Vor kurzem lag er für eine Tonne CO2 bei lächerlichen 3 Euro. Das ist ein Bruchteil der Folgekosten der Klimaschädigung. Erst nach langen Auseinandersetzungen wurde vor kurzem eine milde Korrektur auf europäischer Ebene beschlossen: Das „back-loading“, also das vorrübergehende Zurückhalten von Verschmutzungsrechten. Dadurch ist der Preis für eine Tonne CO2 auf 6 Euro gestiegen. Das ist jedoch immer noch viel zu wenig, um besonders klimaschädliche Produktionsmethoden vom Markt zu drängen.
Deutsche Braunkohle ist billig abzubauen und zu verfeuern. Wenn die Kosten der Verschmutzungsrechte im Vergleich zu Energieeffizienzinvestitionen oder der Stromproduktion aus saubererem Erdgas oder Erneuerbaren Energien zu niedrig sind, baggern die Stromkonzerne verschärft weiter. Erst bei einem Preis von ca. 30 Euro pro Tonne Kohlendioxid wird die Braunkohle unwirtschaftlich. Längst müsste die EU das Emissionshandelssystem gründlich reformieren, um für das Klima etwas Substantielles zu erreichen. Doch das blockiert die Lobby der Verschmutzerindustrien mit ihren politischen Partnern im Rat der Mitgliedsländer und im Europaparlament nun seit Jahren.
Hinzu kommt, dass klimaschädigende Kohlekraftwerke wie alle fossilen Energieträger massiv direkt und indirekt subventioniert werden. Eigentlich sollte die EU dagegen vorgehen, denn Subventionen verzerren den Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt. Doch Pustekuchen: Bei der jüngsten Reform des deutschen Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) à la Gabriel hatte die EU die diversen Ausnahmen von den EEG-Umlagen zu genehmigen. Dabei ist wenig rausgekommen. Betreiber von Kohlekraftwerken, die den Rohstoff selbst abbauen, fallen unter das sogenannte Eigenstromprivileg. Genau das macht RWE in Nordrhein-Westfalen und Vattenfall in Sachsen bei der Braunkohle. Die EU hat diese Extrawurst für Kohlekraftwerke jüngst verlängert. Immerhin gibt es für 2017 eine Revisionsklausel. Da gibt es eine neue Chance zur Korrektur.
Schließlich: Wenn der Emissionshandel nicht ordentlich funktioniert, könnte die EU zumindest die ineffizientesten und klimaschädlichsten Kohlekraftwerke über CO2-Grenzwerte vom Markt nehmen. Genau das wird nun in den USA vorangetrieben. Leider passiert da in der EU bisher nichts.
Dieser europäische Beitrag zum deutschen Braunkohleboom fällt nicht vom Himmel.
Vor allem die Europäischen Konservativen/Christdemokraten, die Rechtskonservativen und zum Teil auch die Liberalen verhindern eine marktwirtschaftliche Klimapolitik in der EU. Das gilt im Europaparlament wie im Rat der Mitgliedsländer. Eine besonders unrühmliche Rolle spielt dabei die deutsche Bundesregierung im Rat. Sowohl die schwarz-gelbe Koalition als auch nun die große Koalition sind effektive Interessensvertreter der Kohlelobby in Deutschland. Es ist gut, dass wir nun grenzüberschreitend gegen die Kohlepolitik auf die Straße gehen.
Die Grünen Europaabgeordneten Ska Keller und Sven Giegold bei der polnisch-deutschen Menschenkette gegen Kohle am vergangenen Sonntag bei Gubin/Guben.