Die EU-Kommission hat die Überprüfung der Haushaltsentwürfe der Euroländer im Rahmen des Europäischen Semesters heute abgeschlossen. Frankreich, Italien, Österreich, Slowenien und Malta standen dabei unter besonderer Beobachtung. Die EU-Kommission hat sich aber entschieden, keinerlei Konsequenzen aus den vorgelegten Plänen zu ziehen. Sanktionen gegen Mitgliedsländer, die die gemeinsamen Regeln verletzen, wurden nicht verhängt. Alle Entscheidungen wurden auf das kommende Frühjahr verschoben.
Den Umgang der Kommission mit den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament:
„Nach unseren Berechnungen halten 14 Euroländer die Regeln und Absprachen im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht ein (1). Das sind doppelt so viele wie von der EU-Kommission behauptet. Die EU-Kommission versucht offenbar, das Versagen der europäischen Wirtschaftspolitik seit der Finanzkrise zu vernebeln. Zwar handelt die EU-Kommission makroökonomisch vernünftig, denn noch härteres Sparen in zahlreichen Ländern würde die Eurozone endgültig in die Abwärtsspirale einer Deflation führen. Aber mit diesen Manövern und dem Verschieben konsequenter Entscheidungen bis ins kommende Frühjahr lenkt die EU-Kommission vom eigentlichen Problem ab: Das starre Korsett des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts versagt im Praxistest. Er zwingt zum prozyklischen Sparen. Der Fiskalpakt verschärft die Vorgaben zusätzlich. Die Fehlkonstruktion des Stabilitäts- und Wachstumspakts will die EU-Kommission aber nicht eingestehen.
Anstatt mit Nebelkerzen zu hantieren, sollte die EU-Kommission ihren Einfluss und ihre politische Energie darauf verwenden, den Stabilitäts- und Wachstumspakt einer Generalüberholung zu unterziehen. Sparanstrengungen und Reformbemühungen der EU-Mitgliedsstaaten sind notwendig. Aber es sind nicht die einzigen Kriterien einer nachhaltigen Haushaltspolitik: Genauso wichtig ist es, prozyklisches Sparen zu vermeiden, Steuerbetrug und Steuerdumping zu bekämpfen und so staatliche Einnahmeseite zu stärken. Die EU-2020-Ziele zu Beschäftigung, Klimaschutz, Bildung und Armutsbekämpfung müssen berücksichtigt werden.
Da die letzte Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts dies weitestgehend ignoriert hat, hat die Grüne/EFA-Fraktion nach Abschluss der Verhandlungen zwischen Europaparlament und dem Rat der EU gegen dieses Regelwerk gestimmt. Das Drückeberger-Verhalten der EU-Kommission belegt nun, dass diese Entscheidung richtig war. Wir erwarten jetzt ernsthafte Vorschläge der EU-Kommission zur Überarbeitung des Stabilitäts- und Wachstumspakts.”
Eine Übersichtstabelle über die Defizitsünder finden Sie hier: https://sven-giegold.de/2014/eu-kom-beschoenigt-haushaltslage-staaten/