Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,
gestern war wieder so ein Tag, an dem in Brüssel eine wirklich wichtige Entscheidung getroffen wurde und kaum jemand hat davon Notiz genommen: Gestern haben die nationalen Regierungen, also der Rat der EU, ihre gemeinsame Position zur “Future of Europe”-Konferenz festgelegt. Diese Konferenz ist eines der zentralen Versprechen von Ursula von der Leyen. Im Kern soll sie eine breite Beteiligung von EU-Bürger*innen an Fragen zur Zukunft der Europäischen Union ermöglichen. Ein sehr wichtiges Vorhaben, das von uns Grünen gefordert und unterstützt wurde. Eine solche Konferenz ist eine große Chance für die Stärkung der Europäischen Demokratie. Eine Möglichkeit, dem “Europa der Bürger*innen” einen wichtigen Schritt näher zu kommen. Mit der Konferenz wird auch von der Zivilgesellschaft große Hoffnung für die Europäische Demokratie verbunden.
Leider scheinen die Mitgliedsstaaten diese Chance verstreichen lassen zu wollen: In ihrem Beschluss von dieser Woche wollen sich die nationalen Regierungen von Änderungen des EU-Vertrags als Ergebnis der Konferenz freisprechen. Auch die deutsche Bundesregierung hat diese schwache Position leider unterstützt. Das ist enttäuschend, denn Vertragsänderungen wären der Hebel, um Europas Handlungsfähigkeit und die Beteiligung der Bürger*innen dauerhaft zu stärken. Wenn die Regierungen weder Europas Handlungsfähigkeit noch die Mitsprache der Bürger*innen mit der Konferenz nachhaltig stärken wollen, wird sie zum zahnlosen Tiger. Der Beschluss des Rats nennt zwar ein paar „key topics“, über die auf der Konferenz diskutiert werden soll (z.B. Klimaschutz, Gleichstellung, Bildung, …) Das sind zweifelsohne wichtige Themen. Allerdings müsste es auch darum gehen, wie Europa zu diesen Themen Entscheidungen trifft und handlungsfähig wird. Das soll aber eben nicht diskutiert werden. Hier liegt aber eines der zentrale Probleme Europas: In zu vielen Fällen gilt weiterhin das Einstimmigkeitsprinzip bei Entscheidungen im Europäischen Rat. Das lähmt Europa. Zuletzt erpressten Polen und Ungarn schwache Regeln gegen die Verletzung des Rechtsstaatsprinzips. Der gemeinsame EU-Haushalt bleibt trotz großer notwendiger Zukunftsinvestitionen Europas viel zu klein, weil er einstimmig entschieden werden muss. Gleichzeitig haben die Bürger*innen zu wenig Möglichkeiten, europäische Politik zu beeinflussen. Zwischen Lobby- und Bürger*inneneinfluss gibt es in Brüssel ein enormes Ungleichgewicht.
Wir wollen echte BürgerInnenbeteiligung, um Europa zu stärken. Deshalb werden wir nun hart mit dem Rat der Mitgliedsländer verhandeln, um die Zukunftskonferenz doch noch zu einer Sternstunde der Europäischen Demokratie zu machen. Bürger*innenbeteiligung, bei der die wichtigsten Frage ausgeklammert werden, können am Ende mehr Misstrauen als Vertrauen schaffen. Soweit darf es nicht kommen. Wir drängen daher auf eine Kurskorrektur der Mitgliedstaaten! Jetzt wird das Europaparlament seine Position zur Konferenz zur Zukunft der EU mit dem Rat der Mitgliedsländer verhandeln.
Mit europäischen Grüßen
Sven Giegold
P.S. Petition: Digitalsteuer Jetzt! – Geschäfte schließen, Amazon & Co machen Riesengewinne, zahlen aber kaum Steuern: Die Digitalsteuer muss jetzt kommen! Gemeinsam haben wir die Chance, die Blockade bei der Digitalsteuer endlich zu überwinden: Bitte unterschreibt unsere Petition und teilt sie mit Euren Kontakten! https://www.change.org/digitalsteuer-jetzt
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Hier der Beschluss des Rates (auf Englisch): https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2021/02/CoFoE-Council-Position.pdf