Sven Giegold

Neue ESMA-Chefin: Verena Ross will Kreditratings klimafest machen

Heute, am 30.09.2021, hat der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europaparlaments (ECON) in geheimer Abstimmung mit großer Mehrheit Verena Ross für den Vorsitz der Europäischen Marktaufsichtsbehörde ESMA bestätigt. Erst vor einer Woche hatte sich der Ministerrat für die Kandidatin ausgesprochen. Vorausgegangen war ein monatelanges Gezerre um den Posten im Rat. Da vor allem die italienische Regierung auf die Nominierung des Italieners Carmine di Noia drängte, waren die Verhandlungen blockiert. Verena Ross, die noch bis Juni Exekutivdirektorin der Behörde war, wurde monatelang hingehalten. Aufgrund der andauernden Blockade blieb der ESMA-Vorsitz seit April vakant. Verena Ross muss nun noch vom Plenum des Europaparlaments bestätigt werden, was aber als sicher gilt.

Auf meine Aufforderung hin verpflichtete sich Verena Ross dazu, beim Thema Klimarisiken gegenüber den Ratingagenturen Ernst zu machen. ESMA ist die direkte Aufseherin über die europäischen Ratingagenturen und überwacht unter anderem die methodische Güte der verwendeten Ratingverfahren. Dass selbst die größten CO2-Emittenten des Planeten mit fundamental unnachhaltigen Geschäftsmodellen weiterhin oft Ratings im oberen Investment Grade erhalten, deutet auf grobe methodische Schwächen hin. Da sich die Ratings der großen Agenturen diesbezüglich wenig unterscheiden, kann von einem Oligopolversagen gesprochen werden. ESMA hatte in der Vergangenheit den Fokus vor allem auf die Offenlegung von Methodiken im Hinblick auf ESG-Risiken gelegt. Verena Ross kündigte an, in Zukunft auch stärker zu hinterfragen, ob alle relevanten Faktoren, insbesondere Klima- und Umweltrisiken, auch tatsächlich angemessen berücksichtigt werden.

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:

“Mit Verena Ross bekommt ESMA eine starke und kompetente Führung. Neben Christine Lagarde und Petra Hielkema wird sie die dritte Spitzenfrau in den EU-Finanzinstitutionen. Das unwürdige Gezerre um ihre Nominierung im Ministerrat hat damit endlich ein Ende. Wegen nationaler Befindlichkeiten blieb die wichtige EU-Behörde, die ich als Gründungsberichterstatter vor 10 Jahren mit aus der Taufe heben durfte, über Monate hinweg führungslos. Die ESMA spielt eine Schlüsselrolle bei der dringend nötigen Vertiefung der europäischen Kapitalmarktunion. Verena Ross muss ihre exzellenten Kenntnisse über die Behörde nutzen, um die ESMA jetzt schnell wieder zu voller Schlagkraft zu führen. Ich gratuliere Verena Ross zu ihrer heutigen Bestätigung und freue mich auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft.

Ich erwarte von Verena Ross, dass sie dem Thema Nachhaltigkeitsrisiken in der ESMA eine zentrale Rolle einräumt. Bisher hat ESMA bei der Aufsicht über die Ratingagenturen zu wenig erreicht. Es ist ein guter erster Schritt, dass Verena Ross den Druck auf Ratingagenturen erhöhen will, die Nachhaltigkeitsrisiken nicht angemessen berücksichtigen. Viele der größten CO2-Emittenten des Planeten bekommen noch immer Spitzenratings von alle großen Ratingagenturen, obwohl ihre Geschäftsmodelle angesichts der Pariser Klimaziele dem Untergang geweiht sind. Es ist Aufgabe der ESMA, die Modelle der Ratingagenturen klimafest zu machen und das Oligopolversagen im Ratingmarkt zu beenden.“

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Video der Anhörung von Verena Ross vor dem ECON-Ausschuss am 30.09.2021:

https://multimedia.europarl.europa.eu/de/committee-on-economic-and-monetary-affairs_20210930-0900-COMMITTEE-ECON_vd

Meine Frage an Verena Ross zur Berücksichtigung von Klimarisiken bei Rating-Agenturen:

https://multimedia.europarl.europa.eu/en/committee-on-economic-and-monetary-affairs_20210930-0900-COMMITTEE-ECON_vd?start=20210930073850&end=20210930074322

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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