Bis zum heutigen Donnerstag hatten die zwölf europäischen Mitgliedstaaten mit Patentboxen Zeit, ihre Steuervergünstigungen für Unternehmen so zu verändern, dass die stärksten Missbräuche abgestellt werden (sogenannter “Nexus-Ansatz”). Doch nicht alle Mitgliedstaaten haben diese Frist eingehalten. In einem Brief fordern mehrere Abgeordnete der Fraktion Grüne/EFA den zuständigen EU-Kommissar Pierre Moscovici auf, jetzt einzuschreiten. Aktuell bieten Frankreich, Belgien, Luxemburg, Spanien, die Niederlande, Ungarn, Portugal, Zypern, Malta und das Vereinigte Königreich Patentboxen an. Irland und Italien sind dabei, Patentboxen einzuführen. Durch Steuervermeidung entgehen den nationalen Haushalten Schätzungen zufolge jährlich insgesamt mindestens 50–70 Milliarden Euro.
2014 hatte sich die Ratsgruppe “Verhaltenskodex” Unternehmensbesteuerung darauf geeinigt, Steuervorteile für Einkünfte aus immateriellen Gütern wie Patenten direkt an den Ort der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit zu binden. Gewinnverschiebungen in Niedrigsteuerländer sollen somit erschwert werden. In einer Mitteilung aus 2015 hatte die Europäische Kommission angekündigt, die Anwendung der neuen Regeln “genau verfolgen” zu wollen und “verbindliche Legislativmaßnahmen” vorzubereiten, sollten die Mitgliedstaaten bis zum 30. Juni 2016 das “neue Konzept nicht konsequent anwenden”. In ihrem Bericht an den Rat hat die Gruppe “Verhaltenskodex” am 13. Juni 2016 eingeräumt, dass die Niederländer, die bis zum heutigen Tag den Vorsitz im Rat innehaben, die Anpassung ihrer Patentbox-Regeln nicht vor 2017 schaffen werden. Frankreich plant überhaupt keine Änderungen, obwohl auch die französische Patentbox gegen den Nexus-Ansatz verstößt.
Das Fortbestehen des Steuerschlupflochs kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:
“Patentboxen sind die neue Generation der Steuersparmodelle. Dass die Niederlande sogar während ihrer eigenen Ratspräsidentschaft negativ auffallen und die Umsetzungsfrist reißen, ist ein Armutszeugnis. Die Niederlande sind die größte Konzern-Steueroase in Europa. Die sozialistische französische Regierung will von getroffenen Abmachungen zu Patentboxen plötzlich nichts mehr wissen. Insbesondere Großunternehmen nutzen diese Steuersparmodelle und das ist der Politik offensichtlich wichtiger als fairer Wettbewerb und Steuergerechtigkeit.
Die EU-Kommission muss gegen die Blockadepolitik einzelner Staaten wie Frankreich vorgehen und dafür sorgen, dass Absprachen eingehalten werden. Wir fordern, dass die Kommission den zugesagten, verbindlichen Gesetzesvorschlag vorlegt. Die Kommission muss ein starkes Signal an die Mitgliedstaaten senden. Die Wirkung von Patentboxen auf Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten ist äußerst bescheiden, für fairen Wettbewerb und Steuergerechtigkeit aber verheerend. Deshalb gehören diese Steuersparmodelle schrittweise in den kommenden fünf Jahren abgeschafft.”
Den Brief der Abgeordneten der Fraktion EFA/Grünen an den EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici finden Sie hier:
Die Mitteilung der EU-Kommission vom 17. Juni 2015 zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten auf Anpassung ihrer Patentboxen innerhalb von zwölf Monaten findet sich hier:
https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2016/06/MITTEILUNG-DER-KOMMISSION-vom-17.-Juni-2015.pdf
Der Bericht der Gruppe “Verhaltenskodex” Unternehmensbesteuerung an den Rat vom 13. Juni 2016 findet sich hier:
https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2016/06/CouncilConclusions_CoCG_June2016.pdf
Die Studie im Auftrag des Europäischen Parlaments zum Ausmaß von Steuervermeidung in der EU findet sich hier:
http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2015/558773/EPRS_STU%282015%29558773_EN.pdf