Dieser Aufruf kann hier auf der Seite der „Initiative Lieferkettengesetz.de“ unterzeichnet werden.
Gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte tragen Unternehmen Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards entlang ihrer Wertschöpfungsketten. In Deutschland geht die Debatte um ein Lieferkettengesetz aktuell in die entscheidende Phase und die Bundesregierung sollte gerade jetzt ihre Zusagen aus dem Koalitionsvertrag zügig umsetzen und noch in dieser Legislaturperiode ein Lieferkettengesetz in Deutschland verabschieden und zugleich für eine starke EU-weite Regelung eintreten.
Aus volkswirtschaftlicher Sicht gibt es eine Reihe von Argumenten, die für eine gesetzliche Regelung menschenrechtlicher und ökologischer Sorgfaltspflichten in der Lieferkette sprechen.
Am Weltmarkt haben sich Lieferketten durchgesetzt, die zu einer Güterproduktion mit erheblichen negativen sozialen und ökologischen Kosten führen. Ein viel zu geringer Anteil der Wertschöpfung verbleibt in den produzierenden Ländern des globalen Südens, was ihre Entwicklungschancen einschränkt. Verantwortungsbewusste Konsumentscheidungen werden durch fehlende Transparenz und Preise erschwert, die nicht die tatsächlichen Kosten signalisieren. Langfristig drohen globale Krisen aufgrund ungenügender Entwicklungschancen vieler Gesellschaften und der Übernutzung natürlicher Ressourcen.
Ein Lieferkettengesetz schafft die gesetzliche Grundlage für eine systematische Risikoanalyse entlang der Wertschöpfungskette, für präventive Maßnahmen zur Verringerung dieser Risiken, zur periodischen Berichterstattung bezüglich der Wirkung der getroffenen Maßnahmen sowie zur Wiedergutmachung im Schadensfall. Dies verbessert die Voraussetzungen für zielführendes wirtschaftliches und politisches Handeln. Ein wirkungsvolles Lieferkettengesetz muss zu Verhaltensänderungen in den Unternehmen führen und bei Verletzung der Sorgfaltspflichten ordnungs- und haftungsrechtliche Konsequenzen einschließen.
Aus Sicht der unterzeichnenden Ökonom*innen liegt ein vielfaches Markt – und Politikversagen vor, dem durch ein umfassendes Sorgfaltspflichtengesetz entgegengewirkt werden kann. Alle Standardmodelle des internationalen Handels besagen, dass positive Wohlfahrtseffekte für alle nur erreicht werden können, wenn verantwortungslose Geschäftspraktiken verhindert und Verlierer der Globalisierung kompensiert werden.
- Externe Kosten: Negative externe Effekte, wie zum Beispiel der Verlust von Biodiversität oder gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen, werden nicht in die Kostenkalkulation der Unternehmen einbezogen. Diese externen Kosten fallen aber als reale und spürbare Kosten für die Gesellschaft an. Davon sind in den Ländern des globalen Südens insbesondere die Menschen betroffen, die häufig nicht die Macht oder die politischen und rechtlichen Möglichkeiten haben, die Vermeidung oder Kompensation dieser Kosten einzufordern. In vielen Ländern des globalen Südens sind die Staaten aus verschiedensten Gründen nicht in der Lage, ausreichende Regulierungen gemäß internationaler Abkommen und Standards einzuführen und durchzusetzen. In vielen Ländern werden zum Beispiel Arbeitnehmer*innen eingeschüchtert, entlassen und verfolgt, wenn sie ihre Lebensverhältnisse durch gewerkschaftliche Interessenvertretung verbessern wollen. Ein Lieferkettengesetz würde alle Unternehmen dazu verpflichten mehr Transparenz bezüglich sozialer und ökologischer Risiken entlang ihrer Lieferketten zu schaffen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen diese präventiv zu vermeiden. Zur Bestimmung der realen Produktionskosten ist es aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive eine Selbstverständlichkeit, dass negative externe Effekte durch Regulierungen internalisiert werden müssen.
- Kollektiv- und Allmendegüter: Der Markmechanismus erfasst die Natur und ökologische Zerstörungen nicht adäquat. Dies hat zu einer Überbeanspruchung und Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen geführt. Ein Lieferkettengesetz soll Transparenz darüber schaffen, ob private Akteure in Wertschöpfungsketten zur Übernutzung natürlicher Ressourcen beitragen und welche Maßnahmen ergriffen werden, um negative Effekte zu verhindern.
- Marktkonzentration und Machtungleichgewicht: Lieferbeziehungen sind in globalen Lieferketten häufig durch Abhängigkeit und ungleiche Verhandlungsmacht gekennzeichnet. Zulieferer im globalen Süden stehen, etwa in der Bekleidungs-, Nahrungsmittel- oder Elektronikbranche, in harter Konkurrenz untereinander und stehen oftmals Nachfragemonopolen oder -oligopolen gegenüber. Ein Lieferkettengesetz kann den negativen volkswirtschaftlichen Effekten der oligopolistischen oder monopolistischen Marktstrukturen entgegenwirken. Es stärkt die schwächsten Glieder in Lieferketten und verhindert unerwünschte Wettbewerbsvorteile aufgrund von Sozial- und Ökodumping.
- Kosten der Umsetzung und Verhältnismäßigkeit: Ein deutsches Lieferkettengesetz führt vorerst zu zusätzlichen Investitionskosten für die Unternehmen. Diese können jedoch als verhältnismäßig gering eingeschätzt werden. Zudem ist zu erwarten, dass die Kosten teilweise kompensiert werden, denn
- menschenwürdige und ökologische Produktion gilt bei einem Teil der Konsument*innen, Kunden und in der öffentlichen Beschaffung als Kaufargument.
- Transparenz entlang der Lieferkette wird zunehmend von Investor*innen und Kreditgeber*innen verlangt, damit Finanzinstitute ihren eigenen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen können.
- Nachhaltig geführte und verantwortliche Unternehmen haben weniger Reputationsrisiken, welche sich negativ auf Aktienkurse, aber auch auf den Markt gut ausgebildeter und motivierter Mitarbeiter*innen auswirken können.
- durch eine bessere Reproduktion der Arbeitskraft sind positive Produktivitätseffekte zu erwarten, welche die Kosten senken.
- durch ein Lieferkettengesetz wird die produktive Konkurrenz zwischen Unternehmen angeregt, welche durch Innovationen, qualifizierte Mitarbeiter*innen, effiziente Logistik oder vorausschauendes Management ihre Verkäufe steigern. Der Erzielung von Konkurrenzvorteilen durch schlechtere Arbeitsbedingungen, Niedrigstlöhne oder unterlassene Investitionen in Arbeits- und Umweltschutz werden dagegen entgegengewirkt.
Gleichzeitig sollten Handels- und Steuerregelungen genutzt werden, um Unternehmen dabei zu unterstützen gute Umwelt- und Sozialstandards in ihren Lieferketten durchzusetzen. Bei der öffentlichen Beschaffung sollte die Einhaltung der menschenrechtlichen und ökologischen Sorgfaltspflichten durch die Unternehmen eine Bedingung für die Auftragsvergabe sein.
Gerade Deutschland mit seinen hohen Leistungsbilanzüberschüssen und seiner ökonomischen Abhängigkeit vom globalen Handel muss eine regulierte nachhaltige Globalisierung fördern, damit unsere Wirtschaft zukunftsfähig bleibt. Deshalb setzen sich die unterzeichnenden Ökonomen*innen für eine gesetzliche Regelung menschenrechtlicher und ökologischer Sorgfaltspflichten ein.
Erstunterzeichner*innen
Dr. Sibyl Anwander
Institut/Organisation:
Prof. Dr. Miriam Beblo
Institut/Organisation: Universität Hamburg
Prof. Dr. Thomas Beschorner
Institut/Organisation: Universität St. Gallen
Dr. Reinhard Bispinck
Institut/Organisation: Hans-Böckler-Stiftung
Prof. Dr. Hermann Bömer (em.)
Institut/Organisation: Technische Universität Dortmund
Prof. Dr. Heinz-Joseph Bontrup (em.)
Institut/Organisation: Westfälische Hochschule
Leonid Borin
Institut/Organisation:
Prof. Dr. Gerd Bosbach (em.)
Institut/Organisation: Universität Konstanz
Prof. Dr. Silke Bothfeld
Institut/Organisation: Hochschule Bremen
Prof. Dr. Klaus Busch (em.)
Institut/Organisation: Universität Osnabrück
Prof. Dr. Astrid Dannenberg
Institut/Organisation: Universität Kassel
Dr. Thomas Dürmeier
Institut/Organisation:
Prof. Dr. Frank Ebinger
Institut/Organisation: Nuremberg Campus of Technology, TH Nürnberg
Prof. Dr. rer. pol. Wolfram Elsner
Institut/Organisation: Universität Bremen
Prof. Dr. rer. pol. Bernhard Emunds
Institut/Organisation: Phil.-Theol. Hochschule Sankt Georgen
Prof. Dr. Trevor Evans (em.)
Institut/Organisation: Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Prof. Dr. René Fahr
Institut/Organisation: Universität Paderborn
Uwe Foullong
Institut/Organisation: ver.di
Prof. Dr. Ulrich Fritsche
Institut/Organisation: Universität Hamburg
Prof. Dr. habil. Elisabeth Fröhlich
Institut/Organisation: CBS International Business School
Sven Giegold, MdEP
Institut/Organisation:
Dr. Jürgen Glaubitz
Institut/Organisation:
Dr. Jörg Goldberg
Institut/Organisation:
Dr. Wolfgang Haferkamp
Institut/Organisation: MIND GmbH
Prof. Dr. Julia Hartmann
Institut/Organisation: EBS Business School
Prof. Dr. Eckhard Hein
Institut/Organisation: Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Prof. Dr. Michael Heine (em.)
Institut/Organisation: Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Dr. Cornelia Heintze
Institut/Organisation:
Prof. Dr. Arne Heise
Institut/Organisation: Universität Hamburg
Prof. Dr. Fritz Helmedag
Institut/Organisation: Technische Universität Chemnitz
Prof. Dr. Peter Hennicke
Institut/Organisation:
Prof. Dr. Hansjörg Herr
Institut/Organisation: Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Prof. Dr. Brigitta Herrmann
Institut/Organisation: CBS International Business School
Prof. Dr. Rudolf Hickel (em.)
Institut/Organisation: Universität Bremen
Dr. Dierk Hirschel
Institut/Organisation: ver.di
Dr. Frank Hoffer
Institut/Organisation: Global Labour University
Prof. Dr. Gustav A. Horn (apl.)
Institut/Organisation: Universität Duisburg-Essen
Prof. (FH) Mag. Dr. Johannes Jäger
Institut/Organisation: Fachhochschule des BFI Wien
Prof. Dr. Heike Joebges
Institut/Organisation: Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Prof. Dr. Jakob Kapeller
Institut/Organisation: Universität Duisburg-Essen
Prof. Dr. Christian Klein
Institut/Organisation: Universität Kassel
Prof. Dr. Jürgen Kromphard
Institut/Organisation: Technische Universität Berlin
Prof. Dr. Rudi Kurz
Institut/Organisation: Hochschule Pforzheim
Dr. Steffen Lehndorff
Institut/Organisation: Universität Duisburg-Essen
Prof. Dr. Camille Logeay
Institut/Organisation: Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Prof. Dr. Martina Metzger
Institut/Organisation: Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Prof. Dr. Bernhard Nagel (em.)
Institut/Organisation: Universität Kassel
Dr. Zeynep Nettekoven
Institut/Organisation: Europäische Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt am Main
Prof. Dr. Torsten Niechoj
Institut/Organisation: Hochschule Rhein-Waal
Prof. Dr. Werner Nienhüser
Institut/Organisation: Universität Duisburg-Essen
Prof. Dr. Walter Ötsch
Institut/Organisation: Cusanus Hochschule
Prof. Dr. Jennifer Pédussel Wu
Institut/Organisation: Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Prof Dr. Dr. Helge Peukert
Institut/Organisation: Universität Siegen
Prof. Dr. Jan Priewe (em.)
Institut/Organisation: Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Prof. Dr. Ralf Ptak
Institut/Organisation: Universität Köln
Prof. Dr. Miriam Rehm
Institut/Organisation: Universität Duisburg-Essen
Dr. Arif Rüzgar
Institut/Organisation:
Prof. Dr. Thomas Sauer
Institut/Organisation: Ernst-Abbe-Hochschule Jena
Prof. Dr. Christoph Scherrer
Institut/Organisation: Universität Kassel
Kai Schlegelmilch
Institut/Organisation: Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V.
Prof. Dr. Thorsten Schulten
Institut/Organisation: Hans-Böckler-Stiftung
Prof. Dr. Stefan Seuring
Institut/Organisation: Universität Kassel
Dr. Joachim H. Spangenberg
Institut/Organisation: Sustainable Europe Research Institute SERI Germany e.V.
PD Dr. Ulrich Thielemann
Institut/Organisation: Me’M Denkfabrik für Wirtschaftsethik
Dr. Sebastian Thieme
Institut/Organisation: Me’M Denkfabrik für Wirtschaftsethik
Dr. Axel Troost
Institut/Organisation: Institut Solidarische Moderne
Prof. Dr. Peter Ulrich (em.)
Institut/Organisation: Universität St. Gallen
Hannes Vetter
Institut/Organisation:
Prof. Dr. Björn Vollan
Institut/Organisation: Philipps-Universität Marburg
Prof. Dr. Brigitte Young (em.)
Institut/Organisation: Universität Münster