Gestern, am 17.06.2021, ging in Luxemburg das Treffen der Eurogruppe im inklusiven Format ohne Beschlüsse zur Stärkung der Bankenunion (inklusive der Gemeinsamen europäischen Einlagensicherung EDIS) zu Ende. Eigentlich hatten die Staats- und Regierungschefs beim Euro-Gipfel im Dezember 2020 gefordert, bis gestern einen “mehrstufigen und an Fristen geknüpften Arbeitsplan für alle noch ausstehenden Komponenten, die zur Vollendung der Bankenunion erforderlich sind”, zu erstellen. Die Verhandlungen waren am Dienstag geplatzt und sollen erst nach den Bundestagswahlen im Herbst fortgesetzt werden.
Ein Fortschrittsbericht der portugiesischen Ratspräsidentschaft zur Stärkung der Bankenunion zeigt die Konfliktherde in den Verhandlungen auf. Als unüberwindbar erwies sich angesichts der erheblichen Corona-Schulden in vielen Mitgliedstaaten die deutsche Forderung, gleichzeitig Maßnahmen zur Reduktion von Staatsanleihen in den Bankbilanzen umzusetzen. Gänzlich isoliert war Deutschland mit der Forderung, die Institutssicherungssysteme, die rund 20% der zu versichernden Einlagen der Eurozone abdecken, von EDIS auszunehmen.
Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:
„Für einen starken Euro brauchen wir die Vollendung der Bankenunion. Unterm Strich ist Olaf Scholz mit seinen Plänen zur Bankenunion gescheitert. Nach den großen Worten des Finanzministers folgten keine Taten. Das war ein Scheitern mit Ansage. Die Bundesregierung hat mit ihren europäisch nicht vermittelbaren Forderungen jeden Kompromiss unmöglich gemacht. Zur Vollendung der Bankenunion braucht es sowohl die Risikoreduktion in den Bankbilanzen als auch den Erhalt der Institutssicherung. Aber ausgerechnet jetzt mit der Kapitalunterlegung von Staatsanleihen ernst zu machen, konnte angesichts der massiven Corona-Schulden nicht funktionieren. Und für Scholz’ Forderung, die Institutssicherung und damit 20 Prozent des abzusichernden Marktvolumens komplett auszunehmen, erntet er in Europa nur Kopfschütteln. Deutschland ist in den Verhandlungen isoliert.
Mit dem Scheitern riskiert die Bundesregierung auch eine Verzögerung der dringenden Korrekturen bei der Bankenabwicklung. Das ist angesichts der drohenden Kreditausfälle nach der Coronakrise unverantwortlich. Die aktuellen Abwicklungsregeln haben zu viele Schlupflöcher und ermöglichen weiterhin die Rettung von Banken mit Steuergeld. Die Blockade der Bundesregierung könnte die europäischen Steuerzahler*innen noch teuer zu stehen kommen. Das ist auch ein Versagen des gesamten Rats. Die Mitgliedstaaten hatten erst die Vorschläge der EU-Kommission abgelehnt und dann versucht, selbst Gesetzgeber zu spielen. Dabei herausgekommen ist ein Papier, das statt eines Vorschlags die Uneinigkeit in allen relevanten Fragen dokumentiert. Der Rat sollte sein Scheitern als Autor von Gesetzesvorschlägen eingestehen. Die EU-Kommission muss nun ihr Initiativrecht ausüben und einen umfassenden Vorschlag für die Stärkung der Bankenunion vorlegen.
Von großer Bedeutung für die Banken- und die Kapitalmarktunion ist ein leistungsfähiges Insolvenzrecht in allen Euroländern. Die Bundesregierung hat versäumt, auf ein starkes Involenzrecht in der Eurozone zu drängen. Das wäre wichtiger und realistischer als die Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihen, die die Bundesregierung in den Verhandlungen scharf gestellt hat. Zurecht hat Mario Draghi als EZB-Chef immer wieder auf ein gemeinsames Insolvenzsystem für den Finanzsektor gedrängt. Nun mit Draghi als italienischer Regierungschef bietet sich eine Chance in Europa voranzukommen. Diese Chance lässt Scholz ungenutzt. Gemeinsame Haftung für Bankenabwicklung und Einlagensicherung braucht eine gleichmäßige und effiziente Verwertung von Forderungen durch Finanzinstitute.
Bei der Erweiterung des Euro dürfen wir nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen. Es ist richtig, dass Bulgarien und Kroatien erst Mitglieder der Bankenunion werden mussten. Nicht nur die Inflation und Wechselkurse müssen stabil sein, auch Korruption und Finanzkriminalität müssen neue Euroländer unter Kontrolle bringen. Bevor weitere Schritte folgen, müssen die Regierungen bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Kriminalität im Finanzsystem ernst machen. Während Kroatien gute Fortschritte macht, passiert in Bulgarien viel zu wenig. Vor allem bei den kleineren bulgarischen Banken stehen Korruption und Vetternwirtschaft noch immer auf der Tagesordnung. Auch die EZB schreckt vor einer harten Durchgreifen zurück. Die meisten kleinen und mittleren Banken wurden immer noch nicht umfassend durchgecheckt. Das bulgarische Mitglied im SSM-Aufsichtsgremium war zuvor Finanzvorstand der skandalträchtigen First Investment Bank und würde beim EZB-Eignungstest für Bankmanager vermutlich selbst durchfallen. Wenn wir das Problem nicht an der Wurzel lösen, droht uns ein zweites Lettland. Die Eurogruppe muss hier den Druck auf Bulgarien deutlich erhöhen.“
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P.S.: Eil-Petition: EU-Agrarpolitik darf die Klimakrise nicht weiter anheizen, Agrarwende jetzt! – In Brüssel steht in diesen Wochen eine der wichtigsten Entscheidungen für den Klima- und Umweltschutz an: Es geht um die Zukunft der EU-Agrarpolitik. Doch im Rat der Mitgliedsländer blockiert Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Agrarwende für mehr Klima-, Umwelt- und Tierschutz. Helft mit diese Blockade zu beendet und unterzeichnet unsere Eil-Petition hier: www.change.org/agrarwende-jetzt