Sven Giegold

Gekaufte Staatsbürgerschaften in Zypern: EU-Pässe für Kriminelle, Geldwäscher und korrupte Politiker aus der ganzen Welt

Liebe Freundinnen und Freunde,

liebe Interessierte,

die käuflichen Staatsbürgerschaften in Zypern sind ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die EU und öffnen Europa für Kriminelle. Was schon lange zu befürchten war, wurde nun durch eine Reportage von Al Jazeera für Zypern bestätigt. Den Journalisten liegen geleakte Daten von über 1400 Bewerbungen für das sogenannte Citizenship-by-Investment-Programm von 2017 bis 2019 vor. Bewerben für eine zypriotische Staatsbürgerschaft kann sich, wer mindestens 2,15 Millionen Euro im Land investiert, z.B. Immobilien oder Firmen kauft. Die meisten Bewerber*innen kamen aus Russland, der Ukraine und China. Seit Beginn des Programms 2013 sind dadurch mehr als 7 Milliarden Euro ins Land geflossen. Mit einem EU-Pass aus Zypern genießen die Investoren-Staatsbürger alle europäischen Grundfreiheiten inklusive Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit und Zugang zu europäischen Kapitalmärkten ohne besondere Sicherheitskontrollen. Neben Programmen für EU-Pässe wie in den aktuellen Enthüllungen gibt es in Europa auch zahlreiche Investorenprogramme für Aufenthaltsgenehmigungen, sogenannte Goldene Visa, die ebenfalls Gefahren für die innere Sicherheit mit sich bringen.

Unter den neuen Staatsbürger*innen aus 70 Ländern befinden sich verurteilte Kriminelle, Geldwäscher*innen und unter Korruptionsverdacht stehende politische Persönlichkeiten. Viele davon sollten selbst nach zypriotischem Recht keinen Pass bekommen haben. Verurteilte, gesuchte oder unter Ermittlung stehende Personen sind formal vom Programm ausgeschlossen, dazu hat Zypern die eigenen Regeln 2019 verschärft. Mit der Durchsetzung dieser Regeln scheint Zypern es aber nicht besonders ernst zu nehmen. Zwischen 2013 und 2018 wurden nur 2% der Bewerber abgelehnt. Die zypriotischen Behörden konsultieren wohl auch nicht systematisch Europol- und Interpol-Datenbanken zum Hintergrund der Bewerber*innen, sondern akzeptieren von den Bewerber*innen selbst eingereichte Hintergrundprüfungen aus ihren Herkunftsländern, die deren weiße Weste belegen sollen.

Der Verkauf von Bürgerrechten stellt eine ernsthafte Bedrohung für unsere Sicherheit und den Kampf gegen Korruption in der EU dar. Die Enthüllungen aus Zypern zeigen, für wen Investorenprogramme für Aufenthaltserlaubnisse und Staatsbürgerschaften interessant sind. EU-Pässe und Visa sind keine Ware. Geld darf nicht das Kriterium für Bürger- und Aufenthaltsrechte in der EU sein. Dass EU-Kommissar Reynders als Reaktion auf die zypriotischen Enthüllungen jetzt mögliche Schritte prüfen will, ist erfreulich. Auf die Prüfung müssen bald konkrete Maßnahmen folgen.Es ist höchste Zeit für ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Zypern auf Basis der EU-Verträge (Art. 4.3 EUV). Denn der Verkauf von Staatsbürgerschaften und Visa widerspricht der Pflicht aller EU-Mitgliedsländer vertrauensvoll zusammen zu arbeiten.

Schon viel zu lange fließt kriminelles Geld durch Aufenthalts- und Staatsbürgerschaftsprogramme einiger nachlässiger EU-Staaten nach Europa und gefährdet die innere Sicherheit. Auch für Maltas Investoren-Programme fordern wir schon lange ein Vertragsverletzungsverfahren durch die Kommission. Mit der Reportage von Al Jazeera liegen nun neue Fakten für Zypern auf dem Tisch. Wir Grünen werden vorschlagen, dass Thema im Oktober auf die Tagesordnung des Plenums des Europaparlaments zu setzen. Ich werde auch mit schriftlichen Fragen nachhaken. Denn die Untersuchungen der alten Juncker-Kommission zu diesem leidigen Thema waren völlig unbefriedigend und führten zu keinerlei Verbesserungen.

Mit grünen europäischen Grüßen,

Sven Giegold

 

Links zu den neuen Enthüllungen von Al Jazeera (inkl. Video) auf Englisch: 

https://www.youtube.com/watch?v=legbFsHjPuk

https://www.aljazeera.com/news/2020/08/exclusive-cyprus-sold-passports-criminals-fugitives-200818112722072.html

https://www.aljazeera.com/indepth/features/cyprus-dirty-secrets-200826090745657.html

https://www.aljazeera.com/news/2020/08/eu-justice-chief-mulls-legal-action-cyprus-golden-passports-200827130814699.html

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