Der neue EU-Standard für nachhaltige Investitionen, die sogenannte EU-Taxonomie wird definieren, welche Energiequellen als nachhaltig gelten. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen kündigte an, noch im November einen delegierten Rechtsakt für das EU-Nachhaltigkeitslabel vorzulegen, der auch Atomkraft und Gas beinhaltet. Bisher hatte sie sich stets gegen Atom und Gas in der Taxonomie ausgesprochen. Neue Atomkraftwerke und selbst Gaskraftwerke, die nicht dem modernsten Entwicklungsstand entsprechen, könnten dann auf einen Geldsegen hoffen. Diese Entscheidung soll nun bereits im November getroffen werden und damit in die Zeit der Berliner Regierungsbildung fallen. Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs am 21./22. Oktober gab es mit Unterstützung Angela Merkels eine große Mehrheit für eine schnellere Annahme der Taxonomie-Regeln inklusive Atom und Gas. Liegt der Vorschlag der Kommission einmal auf dem Tisch, ist er kaum noch zu stoppen. Denn ein Widerspruch im Rat der Mitgliedstaaten bedarf einer qualifizierten Mehrheit. Gestern hatte Regierungssprecher Steffen Seibert zwar gesagt, dass sich an den Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich mit Blick auf die Atomkraft nichts geändert hätte, zum beschleunigten Verfahren nahm er allerdings nicht Stellung.
Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament, erklärt:
“Merkel hat beim EU-Gipfel den Weg frei gemacht für ein Greenwashing von Atomkraft und Gas. Die Noch-Kanzlerin hat zugestimmt, dass die EU-Kommission rasch den delegierten Rechtsakt zur Taxonomie vorlegt. Die Aussage von Regierungssprecher Seibert lenkt vom nun beschleunigten Verfahren ab. Während in Berlin die Koalitionsverhandlungen laufen, könnten in Brüssel bereits Fakten zugunsten von Atomkraft und Gas geschaffen werden. Eine Ablehnung im Rat ist praktisch aussichtslos, da dafür eine qualifizierte Mehrheit nötig wäre. Es ist nicht hinnehmbar, dass die neue Bundesregierung vor vollendete Tatsachen gestellt werden soll. Merkels Zustimmung als geschäftsführende Kanzlerin ist gegen die Gepflogenheiten während einer laufenden Regierungsbildung. Wenn Atomkraft und Gas als “nachhaltige Investitionen” eingestuft werden, wäre das ein Schlag gegen die Erneuerbaren Energien. Es ist absurd, dass Atomkraft und Gas das gleiche Nachhaltigkeitslabel bekommen sollen wie Wind- und Solarkraft. Das Nachhaltigkeitslabel würde die Geldschleusen für Atomkraft und Gas in Europa öffnen. Staatliche Beihilfen und Steuergeld würden in neue Atom- und Gaskraftwerke fließen. Von der Leyen sollte mit ihrem Vorschlag warten, bis sich die neue Regierung in Berlin formiert hat. Eine Energiewende mit Atomkraft und Gas hat nichts mehr mit Nachhaltigkeit zu tun. Die geschäftsführende Bundesregierung muss sich in Brüssel dafür einsetzen, dass der delegierte Rechtsakt erst nach Bildung der neuen Bundesregierung vorgelegt wird.”
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