Sven Giegold

Verbraucherkredite/EU-Kommission: Kein Durchbruch für den Verbraucherschutz

Die Europäische Kommission hat heute, am 30. Juni 2021, ihre Pläne für eine Überarbeitung der Verbraucherkreditrichtlinie vorgestellt. Diese wurde seit ihrer Verabschiedung 2008 – vor der globalen Finanzkrise – nicht überarbeitet. Mit ihren heutigen Vorschlägen will die Kommission den Verbraucherschutz stärken, aber auch Bürokratie für Anbieter*innen abbauen. Unter anderem schlägt die Kommission vor, dass künftig auch Kleinkredite unter 200 Euro in den Anwendungsbereich fallen. Außerdem soll sie künftig auch für zusätzliche Produkte wie etwa Überziehungskredite oder P2P-Kredite gelten. Künftig sollen sämtliche Mitgliedstaaten Obergrenzen für Wucherkredite einführen, die Kommission will jedoch keine konkreten Vorgaben zur Berechnung oder Höhe der Grenzen machen. Bestimmte Formen des verknüpften Vertriebs von Krediten und anderen Dienstleistungen sollen in Zukunft unzulässig sein. Immobilienkredite werden von der Verbraucherkreditrichtlinie nicht erfasst und sind von der heutigen Vorschlägen nicht betroffen, weil für sie eine eigenständige EU-Richtlinie gilt.

 

Nach Angaben des Bundesverbands der Verbraucherzentralen wurden im Jahr 2020 in Deutschland 6,7 Millionen neue Ratenkredite über ein Gesamtvolumen von 235 Milliarden Euro abgeschlossen.

 

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:

 

“Die Überarbeitung der Verbraucherkreditrichtlinie ist überfällig. Der Vorschlag der EU-Kommission greift in zentralen Punkten zu kurz. Der Verbraucherschutz bei Kleinkrediten wird nicht ausreichend gestärkt. Durch vermeintlich günstige Zinskonditionen werden Menschen in schwieriger Finanzlage vielfach in die Irre geführt. Dieses grundlegende Problem löst die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag nicht. Informationspflichten allein reichen nicht, um den Schutz vor Überschuldung zu stärken.

 

Wir brauchen strikte und effektive Regeln gegen irreführende Werbung bei Krediten. Vor allem bei Krediten mit variablen Zinsen oder Wechselkursrisiken dürfen Anbieter bisher mit unrealistischen fixen Zinssätzen werben. Verbraucher können so die Risiken eines Kredits nicht realistisch einschätzen. Daran will die Kommission in ihrem Vorschlag fatalerweise nichts ändern. Bei unklaren zukünftigen Zinssätzen brauchen wir einen Szenario-Ansatz. Sämtliches Werbe- und Informationsmaterial sollte auf konservativen Prognosen der Zins- und Wechselkursentwicklung basieren. Die unrealistische Fortschreibung aktueller Raten hat in Werbematerial nichts verloren.

 

Am Grundproblem irreführender Geschäftsmodelle werden die Vorschläge der Kommission nichts ändern. Die Kommission verkennt, dass Menschen in finanziellen oder persönlichen Notsituationen oft nicht frei entscheiden können. Viele Geschäftsmodelle nutzen die Not dieser Menschen gezielt aus und erzeugen Abhängigkeitsverhältnisse, vor allem durch Überschuldung. Anbieter sollten verpflichtet sein, Kredite verantwortungsvoll zu vergeben. Die stattdessen existierende Pflicht für Anbieter, die Kreditwürdigkeit von Kreditsuchenden genau zu analysieren, schließt bestimmte Gruppen kategorisch aus, ohne ausbeuterische oder wucherische Geschäftsmodelle zu verhindern.

 

Leider wiederholt die Kommission den Grundfehler des Vorgängers und konzentriert sich auf Informationsasymmetrien zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer. Dank Informations- und Aufklärungspflichten sollen Kreditsuchende bessere Entscheidungen treffen können. In der Praxis werden die Verbraucher jedoch mit Informationsmaterial übersäht, das sie oftmals nicht verstehen. Ohne eine einfache, faire und transparente Möglichkeit zum Vergleich verschiedener Angebote bleiben die Informationspflichten eine reine Scheinlösung.“

 

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Der Vorschlag der EU-Kommission:

https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/banking-and-finance/consumer-finance-and-payments/retail-financial-services/credit/consumer-credit_en

 

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P.S.: Eil-Petition: EU-Agrarpolitik darf die Klimakrise nicht weiter anheizen, Agrarwende jetzt! – In Brüssel steht in diesen Wochen eine der wichtigsten Entscheidungen für den Klima- und Umweltschutz an: Es geht um die Zukunft der EU-Agrarpolitik. Doch im Rat der Mitgliedsländer blockiert Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Agrarwende für mehr Klima-, Umwelt- und Tierschutz. Helft mit diese Blockade zu beendet und unterzeichnet unsere Eil-Petition hier: www.change.org/agrarwende-jetzt