Sven Giegold

Jens Weidmann gegen grüne Geldpolitik: Rolle der EZB beim Klimaschutz nicht vorschnell verwerfen

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,

bei einer Konferenz der Bundesbank zum Thema Klimawandel und Zentralbanken am 29. Oktober hat sich Jens Weidmann, Bundesbank-Präsident und Mitglied des EZB-Rats, gegen eine Rolle der Geldpolitik der EZB im Kampf gegen den Klimawandel ausgesprochen. Er sagte, eine Geldpolitik, die Umweltziele verfolgt, wäre schnell überfordert und würde Fragen bezüglich der Unabhängigkeit der EZB aufwerfen. Private Banken und Finanzaufseher sollten Nachhaltigkeitsrisiken aber unbedingt im Blick haben. Die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die heute ihren ersten Arbeitstag hat, hatte sich in einer Anhörung vor dem Europäischen Parlament offen gezeigt für eine grünere Ausrichtung der EZB Geldpolitik.

Mit seiner Positionierung gegen eine Rolle der Geldpolitik der EZB im Kampf gegen den Klimawandel argumentiert Weidmann widersprüchlich. Er nimmt zwar zurecht private Banken und Finanzaufseher beim Klimaschutz in die Pflicht, spricht aber der öffentlichen Geldpolitik jede Verantwortung ab. Es ist richtig: CO2-intensive Kredite müssen von privatwirtschaftlichen Akteuren mit höheren Risikogewichten hinterlegt werden, denn sie bergen ein zusätzliches Ausfallrisiko. Anleihen von Unternehmen mit klimaschädlichen Geschäftsmodellen sind aber auch in den Büchern der EZB mit höheren Risiken behaftet. Daher sollte die EZB bei ihren Refinanzierungsgeschäften und Anleihekäufen konsequent Klimarisiken einpreisen.

Schon jetzt ist die EZB beim Thema Klimawandel keineswegs neutral. Das Anleihekaufprogramm ist verzerrt zugunsten CO2-intensiver Industrien und subventioniert damit indirekt klimaschädliche Unternehmen. Das zeigt folgende Studie. CO2-intensive Unternehmen weisen häufig eine höhere Marktkapitalisierung auf als nachhaltige Unternehmen und sind etablierte Akteure am Finanzmarkt. Somit ist das Eurosystem nur scheinbar neutral, wenn es verstärkt Anleihen von Unternehmen mit klimaschädlichen Geschäftsmodellen erwirbt. Tatsächlich ist es aber eine Entscheidung zugunsten des Status Quo. Das zeigt: Die Geldpolitik der EZB hat Klimawirkungen, so dass sich die Zentralbank ihrer Verantwortung stellen muss.

In einer Anhörung vor dem Europaparlament hat die neue EZB-Chefin Christine Lagarde ihre grundsätzliche Offenheit für eine Begrünung der Geldpolitik erklärt. Mit seiner Absage an eine grüne Geldpolitik hat Weidmann ohne Not der zukünftigen EZB Präsidentin Lagarde den Fehdehandschuh hingeworfen, bevor sie überhaupt ihr Amt angetreten hat. Das ist schlechter Stil. Lagardes grundsätzliche Offenheit für eine Rolle der EZB beim Klimaschutz ist richtig, insbesondere wenn diese sich mit dem vorrangigen Ziel der Preisniveaustabilität vereinbaren lässt. Vorschläge für Beiträge der Geldpolitik zum Kampf gegen den Klimawandel sollten ernsthaft diskutiert und nicht vorschnell verworfen werden.

Link zur Anhörung mit Christine Lagarde vor dem ECON Ausschuss des Europaparlaments mit positivem Statement zur möglichen grünen Ausrichtung der EZB: https://www.europarl.europa.eu/ep-live/en/committees/video?event=20190904-1800-COMMITTEE-ECON

Link zur Rede von Jens Weidmann: https://www.bundesbank.de/en/press/speeches/climate-change-and-central-banks-812618

Mit grünen europäischen Grüßen,
Sven Giegold

Rubrik: Klima & Umwelt, Wirtschaft & Währung

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