Das Finanzamt Frankfurt am Main hat der globalisierungskritischen Organisation Attac mit Vereinssitz in Frankfurt den Status der Gemeinnützigkeit aberkannt. Das Finanzamt begründet seine Entscheidung damit, dass die Aktivitäten von Attac nicht umfassend gemeinnützig sind. Das Netzwerk des Vereins umfasst bundesweit knapp 30.000 Mitglieder und ist seit 2000 in Deutschland aktiv. Ich selbst war an der Gründung beteiligt und viele Jahre lang verantwortliches Vorstandsmitglied des Trägervereins von Attac.
Dazu kommentiert Sven Giegold, Sprecher der Abgeordenten von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament:
“Attac, die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, ist eine skandalöse Fehltentscheidung gegen die demokratische Kultur in Deutschland. Die Gemeinnützigkeit von Attac ist durch die zahlreichen Bildungsangebote unter Beweis gestellt. Attac hat in den letzten zehn Jahren aufklärerisch gewirkt, als fast alle anderen noch das hohe Lied freier Finanzmärkte sangen, zum Beispiel bei der Einführung der Finanztransaktionssteuer. Attac hat sich für Streichung von Schulden für die Schwächsten und die Besteuerung des Reichtums überall in der Welt eingesetzt, während Egoismus der Gläubiger die deutsche Wirtschaftspolitik prägt. Aktuell bietet Attac eine Plattform für die vielen Bürgerinnen und Bürgern, die sich aus guten Gründen gegen das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA zur Wehr setzen. Wieder sind viele der von Attac bekannt gemachten Argumente heute Gemeingut und werden bis zur Bundesregierung vertreten. Insbesondere großen Konzernen und marktliberalen Politiker ist Attac aber schon lange ein Dorn im Auge. Diese Leute werden sich jetzt ins Fäustchen lachen, weil mit der Aberkennung der Gemeinnützigkeit die Existenz von Attac als kritisches Korrektiv gegen mächtige Wirtschaftsinteressen bedroht ist.
Bildungsarbeit erschöpft sich nicht in Volkshochschulveranstaltungen. Zum Einsatz für internationale Gerechtigkeit, Völkerverständigung und Demokratie gehören heute auch Kampagnen mit Appellen an die Politik. Das zeigen viele gemeinnützige Organisationen wie Greenpeace, BUND, Brot für die Welt und viele weitere. Dass sie sich in einer rechtlichen Grauzone bewegen, liegt am veralteten deutschen Gemeinnützigkeitsrecht.
Ich appelliere an die Finanzverwaltung Hessens, die bestehenden Spielräume im Gemeinnützigkeitsrecht wie andere Bundesländer auch liberal auszulegen und dem eingelegten Widerspruch von Attac zu folgen. Die Bundesregierung ist gleichzeitig gefordert, das Gemeinnützigkeitsrecht so zu modernisieren, dass klar wird: Der Staat unterstützt das gemeinwohlorientierte Engagement seiner Bürgerinnen und Bürger, auch wenn es für die Politik unbequem ist. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Attac ist jedenfalls ein unerträglicher Schlag ins Gesicht aller engagierten und kritischen Bürgerinnen und Bürger in unserem Land.