Heute haben sich Europäisches Parlament, Europäische Kommission und der Rat der Mitgliedstaaten auf eine neue europäische Anti-Geldwäscherichtlinie geeinigt. Das Europäische Parlament hat gegen die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten durchgesetzt, dass die Öffentlichkeit in allen EU-Staaten Auskunft über die wirtschaftlichen Eigentümer von Unternehmen erhält. Einblick in die Eigentumsverhältnisse von Trusts werden Personen gewährt, die ein berechtigtes Interesse vorweisen können. Dazu zählen auch investigative Journalisten und Nichtregierungsorganisationen. Der Abschluss enthält viele grüne Vorschläge, die das Europaparlament überwiegend mit einer Mehrheit aus Sozialdemokraten, Linken, Liberalen und Grünen in die Verhandlungsposition gestimmt hatte. Die niederländische Grüne Judith Sargentini war Co-Berichterstatterin des Parlaments.
Dazu sagt der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament und Grüner Schattenberichterstatter des ECON für die Richtlinie, Sven Giegold:
“Dieser Kompromiss ist ein Fortschritt im Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung in der EU. Mit dem öffentlichen Einblick in die dubiosen Geschäftsstrukturen von Unternehmen kommt Licht in dunkle Steuersümpfe. Geldwäscher und Steuervermeider scheuen Transparenz wie der Teufel das Weihwasser. Es ist wichtig, dass Journalisten und NGOs die Eigentümer von Trusts erfahren können, die immer wieder für Wirtschaftskriminalität missbraucht werden. Trusts standen im Mittelpunkt der Enthüllungen der Paradise Papers. Das Europäische Parlament hat sich weitgehend gegen die Mitgliedsstaaten durchgesetzt, die sich bis zuletzt gegen mehr Transparenz wehrten. Um Geldwäsche und andere kriminelle Machenschaften besser ermitteln zu können, bekommen Polizei und nationale Behörden nun grenzüberschreitend Zugriff auf die Eigentümer von Bankschließfächern und Immobilien.
Nach den vielen Steuerskandalen ist es bestürzend, dass die europäischen Regierungen noch immer wichtige Maßnahmen gegen Geldwäsche blockieren. Als Geldwäscheparadies hat Deutschland in den Verhandlungen gemeinsame Sache mit den Steueroasen der EU gemacht. Es gibt keinen politischen Willen unter den Regierungen, einen Vollzug von wirksamen Geldwäscheregeln im eigenen Land zu organisieren. So scheiterten am Widerstand der Regierungen die Forderung des Parlaments nach einer stärkeren Überwachung der Mitgliedstaaten durch die EU-Kommission. Obwohl die Panama Papers zeigten, wie zum Beispiel in Malta europäische Geldwäscheregeln zur Identifizierung von Kunden offensichtlich verletzt wurden, sträubt sich die Mehrheit der Mitgliedsländer gegen mehr europäische Kontrolle. Der Rat hat außerdem die Registrierungspflicht für Unternehmen und Trusts aus Drittstaaten verhindert und lediglich zugestimmt, dass die Kommission diese Möglichkeit prüfen soll. Enttäuschend ist, dass Strohmänner weiter formal als Eigentümer von Briefkastenfirmen fungieren dürfen, wenn die tatsächlichen Eigentümer von Unternehmen und Trusts unbekannt sind. Solange die Mitgliedsländer Geschäfte mit Unternehmen erlauben, deren echte Eigentümer nicht klar sind, machen sie sich zu Komplizen von Geldwäschern und Steuerhinterziehern.”
Hintergrund
Nach den Terroranschlägen in Brüssel und Paris und den Enthüllungen der Panama Papers hatte die Kommission im Juli 2016 ihren Vorschlag für eine Revision der 4. Anti-Geldwäscherichtlinie in einigen wenigen Punkten vorgeschlagen. Der Rat der Mitgliedstaaten wollte ebenfalls nur begrenzte Änderungen, während das Europäische Parlament weitgehende Forderungen gestellt hatte. Nach neun Verhandlungsrunden haben Kommission und Rat nun einem Großteil der Vorschläge des Parlaments zugestimmt. Die neuen Vorschriften stärken den Kampf gegen Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Steuervermeidung insbesondere durch mehr Transparenz über die tatsächlichen Eigentümer von Unternehmen und Trusts. Nach der politischen Einigung werden die Details nun in den nächsten Wochen festgeschrieben, anschließend stimmt das Plenum des Europäischen Parlaments über den finalen Gesetzestext ab. Die Veröffentlichung der 5. Anti-Geldwäscherichtlinie im Amtsblatt wird für das Frühjahr 2018 erwartet. Die Mitgliedstaaten müssten die neuen Regeln dann innerhalb von 18 Monaten umsetzen, also bis spätestens Ende 2019.
Richtlinien-Vorschlag der EU-Kommission
http://ec.europa.eu/justice/criminal/document/files/aml-directive_en.pdf
Verhandlungsmandat des Europäischen Parlaments
https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2017/03/A8-0056_2017_EN.docx
Finaler Gesetzestext (konsolidiert):
Zeitplan
- Veröffentlichung im Amtsblatt der EU: voraussichtlich Mitte 2018
- Inkrafttreten der geänderten Richtlinie: Ende 2019 (18 Monate nach Veröffentlichung)
- Öffnung der nationalen Register der Eigentümer von Unternehmen für die Öffentlichkeit: Ende 2019 (18 Monate nach Veröffentlichung)
- Öffnung der nationalen Register der Eigentümer von Trusts für Personen mit einem berechtigten Interesse: Anfang 2020 (20 Monate nach Veröffentlichung)
- Einrichtung nationaler Register für Bankkonten: Mitte 2020 (26 Monate nach Veröffentlichung)
- Vernetzung der nationalen Register: Anfang 2021 (32 Monate nach Veröffentlichung)
Gewonnen
Vorschläge der Kommission und des Parlaments, die Teil des Kompromisses mit dem Rat sind, darunter viele grüne Vorschläge:
- Öffentlicher Zugang zu nationalen Registern der wirtschaftlich Berechtigten von in der EU tätigen Unternehmen einschließlich einer späteren Vernetzung der nationalen Register
- Zugang zu nationalen Registern der wirtschaftlich Berechtigten von in der EU tätigen Trusts, sofern ein berechtigtes Interesse vorliegt (wird etwa bei NGOs und investigativen Journalisten als gegeben betrachtet), einschließlich einer späteren Vernetzung der nationalen Register
- Sofern der tatsächlich wirtschaftlich Berechtigte eines Unternehmens nicht ermittelt werden kann und stattdessen nur der Geschäftsführer bekannt ist, muss dies im Unternehmensregister kenntlich gemacht werden
- Einrichtung nationaler Register für Bankkonten und Schließfächer, einschließlich einer späteren Vernetzung der nationalen Register
- Behörden müssen Zugang zu Informationen über Eigentümer von Immobilien haben und die Kommission bewertet bis Ende 2020, ob die nationalen Informationssysteme (Register oder Datenabfragesysteme) verbunden werden sollten
- Schärfung der Kriterien für die Bestimmung von Drittländern mit einem erhöhten Geldwäscherisiko (Vorhandensein von Informationen zu wirtschaftlich Berechtigten, Möglichkeit von Sanktionen gegen Verletzungen von Geldwäscheregeln sowie Verpflichtung zweifelhafte Transaktionen zu melden)
- Ausweitung des Kreises der Verpflichteten der Geldwäscherichtlinie auf jegliche Form von Steuerberatungsleistungen, Mietmakler, Freeports, Kunsthändler, Anbieter elektronischer Geldbörsen und Wechselstuben virtueller Währungen
- Berufsgruppen, die sich selbst überwachen, müssen Bericht erstatten über erhaltene Verdachtsmeldungen, an die Geldwäschestelle weitergegebene Verdachtsmeldungen, Verletzungen der Geldwäscherichtlinie und verhängte Sanktionen (line 278)
- Erleichterung der Zusammenarbeit der nationalen Geldwäschebehörden sowie Einbeziehung von Bankenaufseher in den Informationsaustausch
- Schutz von Hinweisgebern, die Geldwäsche melden, vor Benachteiligungen am Arbeitsplatz sowie Schutz ihrer Identität
- Ausweitung der Berichtspflichten der nationalen Geldwäschebehörden (Informationen über den Austausch von Informationen mit Behörden anderer Länder, Anzahl der Vor-Ort-Besuche, der identifizierten Gesetzesverstöße und der verhängten Sanktionen)
- Bericht der Kommission zu Maßnahmen der Mitgliedstaaten bezüglich vorgebrachter Beschwerden über die Nichteinhaltung der Geldwäscheregeln
- Bericht der Kommission über die Notwendigkeit von Kompetenzen der Kommission, die Durchführung der Geldwäscherichtlinie in den Mitgliedstaaten zu überprüfen
- Bericht der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und mögliche Verbesserungen der Zusammenarbeit
- Bericht der Kommission über die Notwendigkeit und Möglichkeit, in der EU Informationen zu wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen und Trusts aus Drittstaaten zu sammeln
- Veröffentlichung der supranationalen Risikoberichte der Kommission und einer Zusammenfassung der nationalen Risikoberichte der Mitgliedstaaten
- Personen aus Drittstaaten, die sich gegen Entgelt um die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates bemühen, müssen gemäß der Geldwäscherichtlinie identifiziert werden
- Absenkung der Schwelle zur Verpflichtung auf Kundenidentifizierung bei elektronischen Prepaid-Karten
- Weiterhin Gleichbehandlung europäischer politisch exponierter Personen (PEPs) mit PEPs aus Drittstaaten bei der Anwendung erweiterter Sorgfaltspflichten im Rahmen der Kundenidentifizierung (inklusive Überprüfung der Mittelherkunft und fortlaufender Überwachung). Die deutschen Wünsche nach Sonderregelungen für nationale PEPs werden lediglich bei einer erneuten Überarbeitung der Richtlinie erwogen.
Verloren
Am Widerstand der Mitgliedstaaten gescheiterte Vorschläge des Parlaments:
- Freier Zugang zu Informationen über die wirtschaftlich Berechtigten von Trusts, ohne ein berechtigtes Interesse nachweisen zu müssen
- Registrierung von Unternehmen und Trusts aus Drittstaaten
- Abbruch von Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen, bei denen nicht die echten Eigentümer bekannt sind, sondern nur die Scheindirektoren (“Strohmänner”)
- Regelmäßige Vor-Ort-Überprüfungen der Mitgliedstaaten durch die Kommission
- Unabhängige Aufsicht über sich selbst regulierende Berufsgruppen wie Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer (stattdessen nur “angemessene und objektive Aufsicht”)
- Sanktionen auch schon bei einfachen und nicht erst bei ernsthaften und wiederholten Verstößen
- Vorhalten von Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von Lebensversicherungen und Finanzinstrumenten
- Einrichtung einer europäischen Anti-Geldwäschebehörde
- Nachhalten der Empfehlungen der Kommission aus der supranationalen Bewertung der Geldwäscherisiken in den Mitgliedstaaten
- Steuervergehen sollten als Vortat zu Geldwäsche gelten, unabhängig von der Sanktionierung im jeweiligen Mitgliedstaat