70 Prozent der EU-Bürger halten die EU für korrupt. Auch in vielen Emails und Gesprächen mit Ihnen und Euch stelle ich ein verbreitetes Unbehagen wegen mangelnder Transparenz und übermaßigen Lobbyeinfluss in der EU fest. Der erste Anti-Korruptionsreport hat dieses Gefühl bestätigt: Die Verluste der Europäischen Wirtschaft durch Korruption auf 120 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Diese Zahlen bestätigen, es ist höchste für eine Offensive gegen Korruption und für mehr Transparenz und Integrität in den EU-Institutionen. Ich möchte Sie und Euch heute einladen, an diesem Wandel mitzuwirken.
Dafür gibt es jetzt eine ganz konkrete Gelegenheit: Die Fraktionschefs im Europaparlament haben am letzten Donnerstag grünes Licht gegeben für einen Initiativbericht zu “Transparenz, Integrität und Verantwortlichkeit in den EU-Institutionen”, für den wir Grünen die Federführung haben. Und die Grüne Arbeitsgruppe im Ausschuss für Verfassungsfragen hat mir dafür die Rolle des Berichterstatters übertragen, der im Namen aller Parlamentarier*innen einen Vorschlag formulieren darf. So ein Initiativbericht ist wie eine Wunschliste des Parlaments an die EU-Kommission, damit sie dann EU-Gesetze vorschlägt, die wir im Parlament mit dem Rat der Mitgliedstaaten dann endgültig beschließen können. Das ist das de facto ein Initiativrecht des Parlaments. Und damit können wir jetzt alle harten Regeln vorschlagen, die für saubere Politik nötig sind.
Wir haben schon einige Ideen. Aber gerade einen Bericht zu Transparenz will ich selbst transparent und offen erstellen. Daher möchte ich auch Eure Wünsche und Ideen kennen. Bitte schreibt sie mir: https://sven-giegold.de/transparenz/
Oder auch auf Englisch: https://sven-giegold.de/transparency/
Es ist nicht immer einfach daran zu glauben, dass eine bessere Politik möglich ist. Die Wechsel der Staatssekretärin Katharina Reiche aus der Bundesregierung direkt in die Wirtschaft ist genauso fragwürdig wie der meiner ex-Kollegin im Finanz- und Wirtschafsausschuss des Europaparlaments, Sharon Bowles, zur Londoner Börse. Beide nehmen das Fachwissen aus unseren Diskussionen als Vertreter des Interesses der BürgerInnen mit und verkaufen es direkt an große Konzerne. Solche Entscheidungen finde ich persönlich traurig.
Aber der Moment ist günstig: Kommissionschef Juncker braucht neue Glaubwürdigkeit durch neue Regeln für Transparenz. Er hat uns das in unserer Grünen Anhörung versprochen bevor er gewählt wurde. Die pro-Europäische Parlamentsmehrheit will das Vertrauen der Bürger gewinnen und den Populismus zurückdrängen. Viele Mitgliedstaaten, die auf neue Investitionen hoffen, dürfen keine Verschwendung knapper Steuermittel zulassen. Der erste Anti-Korruptionsbericht der EU geht aktuell von 120 Milliarden Euro Schäden jährlich durch Korruption aus. Und die Zivilgesellschaft hat zahlreiche konkrete Forderungen für saubere Politik entwickelt. Dieser Initiativbericht kann die Interessen an glaubwürdiger Politik bündeln für den Beschluss harter europäischer Regeln. Unser Ziel ist: die wirtschaftliche von der politischen Macht zu trennen. Die Wirtschaft mag profitorientiert arbeiten. In der Politik muss das Gemeinwohl vorrang haben.
Für glaubwürdige Politik müssen Interessenskonflikte von Europaabgeordneten und Kommissaren umfassend ausgeschlossen werden. Für Entscheidungen im Allgemeinwohl lässt sich Lobbyeinfluss vollständig transparent machen und die eigenen Wissensressourcen des Parlaments stärken. Gegen Korruption hilft der Ausschluss von Betrügern aus Vergabeverfahren und der Schutz von Whistleblowern. Das alles gilt nicht nur in Brüssel, sondern genauso in Berlin und den anderen Hauptstädten.
Weitere Informationen
Die Seite für Eure Ideen: https://sven-giegold.de/transparenz/
Unsere 10 Forderungen für Lobbykontrolle, Transparenz und mehr Demokratie:
https://sven-giegold.de/2014/10-gruene-forderungen-fuer-lobbykontrolle-transparenz-und-mehr-demokratie/
Anti-Korruptionsbericht der EU von 2014: http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/what-we-do/policies/organized-crime-and-human-trafficking/corruption/anti-corruption-report/index_en.htm
EU-Lobbytransparenzregister (bisher nur für EP und Kommission ohne den Rat, nicht verpflichtend): http://ec.europa.eu/transparencyregister/public/homePage.do?locale=de#de