Sven Giegold

Atomkraft: Bundesregierung ermöglicht Dammbruch bei der Atomforschung

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,

 

heute treffen sich die EU-Forschungsminister, um über die Finanzierung des EURATOM Forschungsprogramms zu beraten. Entgegen der starken Transparenzversprechen der finnischen Ratspräsidentschaft wird dieser Tagesordnungspunkt aber nicht wie der Rest des Treffens öffentlich sein, sondern unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

 

Der Blick in die mir vorliegenden vertraulichen Ratsdokumente macht auch klar warum: Es geht um hunderte Millionen frische Euro für die Atomforschung. Konkret soll dieses Geld nun auch in Forschung für die Entwicklung neuer Atomreaktoren fließen, als Teil der EU-Energiewende.

 

Bisher haben sich Deutschland, Österreich und Luxemburg erfolgreich gegen solch eine Öffnung des EURATOM-Programms für neue Reaktoren gestemmt. Doch nun deuten alle Zeichen darauf hin, dass die Bundesregierung sich enthalten wird und damit aus der Anti-Atomkoalition ausschert. Das erhöht den Druck auf Österreich und Luxemburg massiv auch den Widerstand aufzugeben und so die notwendige Einstimmigkeit für frisches Geld für Atomkraft zu erzielen.

 

Damit ermöglicht die Bundesregierung einen Dammbruch zugunsten der Atomkraft in Europa. Erstmals sollen wieder große Summen an EU-Geld in die klassische Atomenergie fließen. Das ist eine Zeitenwende im negativen Sinne. Mit ihrer Haltung wendet sich die Bundesregierung gegen den deutschen Atomkonsens. Eine nachhaltige und sichere Energiewende gibt es nur ohne Atomenergie. Nun droht unter dem Vorwand des Klimaschutzes eine Renaissance der Atomkraft in Europa. Atomkraft könnte in Zukunft gleich aus mehreren Quellen mit EU-Geld gefördert werden.

 

Denn die Entscheidung zu EURATOM ist nur der erste Akt der versuchten Renaissance der Atomkraft in der EU. Auch bei den laufenden Verhandlungen zur EU-Taxonomie, der Frage also, welche Finanzanlagen- und Produkte wirklich nachhaltig sind, versucht eine Gruppe von EU-Mitgliedsländern zu erreichen, dass Investitionen in Atomkraft als “grüne”, also nachhaltige Anlagen gelten. Und das obwohl das EU-Parlament als auch die technische Experten-Gruppe der Kommission einen Ausschluss von Atom empfehlen. Deutschland war auch hier noch vor kurzem gemeinsam mit Österreich und Luxemburg gegen Atomkraft. Doch mit der Enthaltung bei der EURATOM-Entscheidung bröckelt auch die Opposition hier.

 

Doch damit ist es noch nicht getan. Denn die Entscheidung zur EU-Taxonomie soll auch Grundlage der Überarbeitung der Investitionsrichtlinien der Europäischen Investitionsbank 2022 werden. Sollte Atomkraft als “grüne Geldanlage” klassifiziert werden, ist es auch wahrscheinlich, dass die EIB dieser Klassifizierung folgt und damit der Atomkraft in der EU zu einem massiven Investitionsschub verhelfen könnte.

 

Auch im Europaparlament steigt die Unterstützung für die Atomkraft. Gestern wurde der ansonsten starke Beschluss zur Klimakonferenz durch einen von Konservativen, Rechten und Liberalen getragenen Antrag so verändert, dass auch Atomkraft als Teil der nachhaltigen Energieversorgung angesehen wird (Hier das Abstimmungsverhalten der deutschen Abgeordneten).

 

Alles zusammen genommen zeigt den groß angelegten Versuch einer Renaissance der Atomkraft in der EU. Einer Technologie, die angesichts der Risiken für Menschen, Umwelt und der ungelösten Müllproblematik, weder sicher noch nachhaltig ist. Atomkraft kann nicht Teil der Energiewende sein und hat bei den grünen Investitionen nichts zu suchen.

 

Statt für eine Lebensverlängerung für Atomkraft sollte sich die Bundesregierung für mehr Sicherheit bei Atomkraftwerken und einen europaweiten Atomausstieg einsetzen. In Grenzregionen strahlt die Gefahr von Atomkraft nach Deutschland herüber. Für die viele Menschen, die im Saarland oder Nordrhein-Westfalen gegen Schrottmeiler in Grenzregionen protestieren, ist das Verhalten der Bundesregierung ein Schlag ins Gesicht.

 

Mit entschlossenen Grüßen

Sven Giegold