An diesem Mittwoch rollt Bundesfinanzminister Schäuble in Berlin den roten Teppich aus. Das Bundesfinanzministerium feiert die Unterschrift von 50 Staaten und Territorien unter die internationalen Regeln zum automatischen Informationsaustausch in Steuerfragen. Nichtregierungsorganisationen wie Attac und das Netzwerk Steuergerechtigkeit fordern dieses Ende des Missbrauchs des Bankgeheimnisses zur Steuerhinterziehung seit ihrer Gründung. Der automatische Informationsaustausch ist die notwendige Voraussetzung, um Kapitaleinkommen und Vermögen auch im globalen Finanzsystem progressiv nach Leistungsfähigkeit besteuern zu können.
Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament und Mitgründer des internationalen Tax Justice Network erklärt dazu:
„Ich beglückwünsche Finanzminister Wolfgang Schäuble zu diesem Erfolg. Das Prinzip des automatischen Informationsaustauschs hat sich gegen die Idee der Quellensteuer durchgesetzt. Das gilt nicht nur für Bankkonten, sondern auch für Vermögensverwaltungsfirmen, Trusts und dergleichen. Transparenz in Steuerfragen wird auch bei Kapitaleinkommen im globalen Finanzsystem eine Besteuerung nach Leistungsfähigkeit ermöglichen. Das ist eine Weichenstellung für die Steuergerechtigkeit im 21. Jahrhundert, ohne die Forderungen nach Vermögensbesteuerung und hohen Steuersätzen auf Zinsen, Dividenden und Spekulationsgewinnen praktisch ins Leere gelaufen wären.
Schäuble hat sich in Sachen Bekämpfung der Steuerflucht vom Saulus zum Paulus gewandelt. Lange wollte er das Bankgeheimnis in Steuerfragen mit einem ungerechten Quellensteuer-Deal mit der Schweiz retten. Letztlich ist es aber nur ein Schönheitsfehler, dass sein Wandel nicht durch ein Damaskuserlebnis entstanden ist. Denn nur der Druck des Offshore-Leak-Skandals, der US-FATCA-Gesetzgebung und der Aufkäufe von Steuer-CDs durch die Bundesländer hatte das Ende des Bankgeheimnisses durchgesetzt.
Sicher war es nicht die feine Englische Art, aber notwendig, den Verhandlungstisch der EU wie auch der OECD kurzzeitig zu verlassen und im Rahmen der G-5 und der G-20 den steuerlichen Informationsaustausch zu vereinbaren. So wurde die Vetomacht der ärgsten Steueroasen umgangen, die seit Jahrzehnten den Fortschritt in Steuerfragen auf EU-Ebene behindert. Genauso konsequent muss jetzt auch gegen das Steuerdumping großer Konzerne vorgegangen werden. Es wäre daher ein erneuter steuerpolitischer Sündenfall, wenn jetzt ausgerechnet Schäuble deutschen Unternehmen mit einer Patentbox ein weiteres Instrument zum Steuerdumping an die Hand gäbe. Vielmehr sollte er den Mut finden, sich klar für europäische Mindeststeuersätze in der Konzernbesteuerung auszusprechen und einzusetzen.
Ab jetzt steckt der Teufel im Detail. Denn ob die vereinbarten Prinzipien tatsächlich das Papier wert sind, auf dem sie aufgeschrieben wurden, hängt von der Umsetzung ab. Die hunderttausende hochqualifizierten Mitarbeiter in der Steuerhinterziehungsbranche werden nach Schlupflöchern suchen und keinesfalls einfach auf ehrliche Arbeit umschulen. Mehrere Schlupflöcher bieten sich an:
- Noch haben viele Finanzplätze nicht unterschrieben. Letztlich müssen alle wichtigen Länder zur Kooperation bewegt werden. Notfalls auch mit der Androhung von Sanktionen.
- Offen ist, ob die USA die Vereinbarungen tatsächlich ratifizieren werden. Nach den Kongresswahlen steht das mit der zu erwartenden republikanischen Mehrheit im Senat in Frage. Die USA sind jedoch der größte Finanzplatz für Auslandsvermögen weltweit. Es droht, dass die USA zwar automatischen Informationsaustausch im Ausland durchsetzen, ihn aber selbst nicht praktizieren werden.
- Steuerhinterzieher könnten ihre Vermögen auf viele Konten und Firmen verteilen, um die vereinbarten Schwellenwerte von 50.000 US-Dollar zu unterlaufen.
- Steuerhinterzieher können Scheinfirmen und Trust so gestalten, dass der Besitzanteil einzelner Steuerzahler unter 25% fällt. Schon innerhalb einer Familie ist das leicht möglich. Dann entfällt der automatische Informationsaustausch. Bei der Geldwäschebekämpfung liegt der Schwellenwert für die Meldepflicht bei 10%. Das ist schon schwerer zur Umgehung zu nutzen.
- Firmen mit aktiven Geschäften etwa aus Handel oder Produktion entgehen der Meldepflicht, wenn passive Einkommen unter 50% der Einkünfte liegen. Sie können daher zum Verstecken von Kapitaleinkünften missbraucht werden.
- Unterzeichnerstaaten könnten die Vereinbarung schlicht nicht effektiv umsetzen, etwa indem sie die wirtschaftlich Begünstigten über eine Kette von Steueroasen-Firmen nicht wie vereinbart ermitteln.
- Steueroasen könnten Steuerhinterziehern in großem Stil den Steuerwohnsitz anbieten. In der Schweiz ist das schon weit verbreitet. Deutschland muss sich daher offenhalten, die Steuerpflicht nach US-Vorbild an die Staatsangehörigkeit zu knüpfen, wenn die Verlagerung der Wohnsitze in die Steueroasen unerträgliche Ausmaße annimmt.
Wegen der vielen möglichen Umgehungsmöglichkeiten bleibt die Umsetzung entscheidend. Gute Prinzipien genügen nicht. Die Unterzeichnerstaaten müssen die Vereinbarungen durch ein gut ausgestattetes Sekretariat evaluieren und kontrollieren. Die Standards brauchen regelmäßige Überprüfung und Anpassung. Der Praxistest ist erst bestanden, wenn von den ca. 10 Billionen US-Dollar in den Steueroasen, ein großer Teil abgezogen oder steuerlich transparent geworden ist. Bis dahin ist es noch ein sehr langer Weg. Daran muss das Abkommen in Zukunft gemessen werden.
Schließlich ist noch unklar, wie sich die Vereinbarung auf Entwicklungsländer auswirkt. Die ärmsten Länder sind in G-5, G-20 und OECD nicht vertreten. Die Bürgerinnen und Bürger der armen Länder sind aber ein Hauptopfer der globalen Steuerhinterziehung. Korrupte Regierungen nutzen die globalen Steueroasen zum Verstecken von Korruptionsgewinnen. Es steht zu befürchten, dass die schwachen Steuerverwaltungen der Entwicklungsländer mit dem neuen Datenschwall nicht viel anfangen können. Sie benötigen nun technische Unterstützung und müssen an allen weiteren Schritten beteiligt werden. Letztlich gehören solche internationalen Abkommen in den Rahmen der UN und nicht der OECD oder der G-20.“
Weitere Informationen zum automatischen Informationsaustausch beim Bundesfinanzministerium:
“Der Durchbruch” – meine erste Reaktion zur Vereinbarung des automatischen Informationsaustauschs durch die G-5: