Sven Giegold

Bankenunion stärkt demokratische Kontrolle

8. März 2013

Zentrale Aufsicht über Banken der Euro-Zone EU weist Vorwürfe aus Berlin zurück
Von Cerstin Gammelin, Brüssel

Die Europäische Zentralbank soll die Banken der Euro-Zone kontrollieren. Eine Entmachtung der Länderparlamente – so lautet die Kritik aus Berlin. Ganz im Gegenteil, kontert nun die EU, die geplanten Gesetzespakete sollen die demokratischen Kontrollrechte stärken.
Das Europäische Parlament weist den Vorwurf aus Berlin zurück, wonach die geplante zentrale Aufsicht über die Banken der Euro-Zone die demokratischen Kontrollrechte der Parlamente schwäche. „Das Gegenteil ist der Fall“, sagte Sven Giegold, Finanzexperte der Grünen im EU-Parlament der Süddeutschen Zeitung. Durch die künftig bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelte Bankenaufsicht würden die demokratischen Kontrollrechte vielmehr gestärkt.
Der SPD-Politiker Carsten Schneider hatte in dieser Woche kritisiert, der Bundestag werde gegenüber der EZB nur als Bittsteller auftreten können und damit kaum Einfluss auf Aufsichtsentscheidungen nehmen können. Tatsächlich ist es so, dass der Bundestag oder auch einzelne Abgeordnete ein Fragerecht gegenüber der EZB-Aufsicht bekommen werden. Sie sind damit berechtigt, direkt von den Aufsehern Auskunft zu verlangen. Einzige Voraussetzung dafür ist, dass der Bundestag selbst seine Geschäftsordnung ändert.
Giegold wies darauf hin, dass die zentrale Aufsicht über die Banken der Euro-Zone vor allem eingerichtet wird, weil die nationalen Kontrollmechanismen in den vergangenen Jahren dramatisch versagt hätten. Seit 2008 mussten die Steuerzahler die heimischen Banken mit Hunderten Milliarden Euro vor der Pleite retten.
Auch in Deutschland verloren die Steuerzahler einen zweistelligen Milliardenbetrag, den größten Anteil verschlang die Rettung der Hypo Real Estate. Nationale Parlamente hätten sich nicht getraut, die Banken am heimischen Finanzplatz wirklich streng zu kontrollieren, vielmehr hätten sie „zugunsten von Standortvorteilen gegenüber den Nachbarländern“ entschieden, so Giegold.
Die zentrale Aufsicht über die Banken der Eurozone wurde Anfang Dezember nach wochenlangen harten Verhandlungen von den europäischen Finanzministern beschlossen und anschließend von den 27 Staats- und Regierungschefs auf einem Gipfel begrüßt. Bis zum Sommer 2013 sollen die gesetzlichen Grundlagen dafür soweit vereinbart sein, dass die EZB mit den Vorbereitungen der Aufsicht beginnen kann. Sie soll ein Jahr später beginnen. Die EZB soll grundsätzlich alle Banken der Eurozone beaufsichtigen können.
Umstritten ist, wer bei der Wahl des Gremiums-Chef mitreden darf
Um den Zeitplan halten zu können, haben bereits im Dezember 2012 die Verhandlungen zwischen den Mitgliedsländern und dem Europäischen Parlament begonnen. Die Aufsicht umfasst insgesamt zwei Gesetzespakete, in einem davon ist das Europäische Parlament mitentscheidungsberechtigt. Da ein Veto der Abgeordneten allerdings das ganze Vorhaben scheitern lassen könnte, sind sie auch bei dem zweiten Gesetzespaket nicht ohne Einfluss. Dies haben sie genutzt, um in den vergangenen Wochen einige zusätzliche Kontrollrechte durchzusetzen, wobei eine Entscheidung erst im Frühsommer fallen dürfte. Im Mai soll das Vorhaben abgestimmt werden.
Die Abgeordneten haben vorläufig durchgesetzt, dass die Europäische Zentralbank jährlich öffentlich einen Bericht über ihre Aufsichtsarbeit sowie über die Zusammensetzung und Höhe der Aufsichtsgebühren abgeben muss. Es wird noch verhandelt, ob der Vorsitzende des Aufsichtsgremiums dazu verpflichtet ist, zu Anhörungen des Parlaments zu kommen und den zuständigen Ausschüssen auch vertrauliche Informationen zur Verfügung zu stellen. Das Parlament hat das Recht, Untersuchungsausschüsse einzuberufen. Zudem muss die EZB den Abgeordneten mitteilen, wie sie konkret die Verpflichtung umsetzt, Geldpolitik und Aufsicht strikt zu trennen.
Umstritten ist dagegen, ob die Volksvertreter bei der Wahl des Chefs des Aufsichtsgremiums und seines Stellvertreters mitentscheiden dürfen – oder nur angehört werden müssen. Und auch, ob sie über die Einberufung von Untersuchungsausschüssen weitere, detaillierte Untersuchungsrechte bekommen. Alles in allem, so Giegold, würden die Banken künftig deutlich strenger und weniger befangen kontrolliert als bisher.

Quelle: SZ vom 09.03.2013/sks

 

7. März 2013

Beaufsichtigung durch Europäische Zentralbank
Bundestag verliert Einfluss bei Banken-Kontrolle

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

 
Machtverlust für Berlin: Wenn die Europäische Zentralbank von 2014 an die großen deutschen Geldhäuser beaufsichtigt, hat der Bundestag kein Mitspracherecht mehr. Da die EZB gegenüber der Bundesregierung nicht rechenschaftspflichtig ist, könnte sie theoretisch ohne Rücksprache ein deutsches Geldhaus schließen.
Die Bundesregierung und der Bundestag werden mit der vorgesehenen Neuordnung der Bankenaufsicht in Europa ihren Einfluss auf die Überwachung der größten deutschen Kreditinstitute verlieren. Das ergibt sich aus den Planungen der EU-Staaten für eine Aufsichtsreform, die 2014 in Kraft treten soll. Demnach werden alle systemrelevanten Banken in Europa künftig allein von der Europäischen Zentralbank (EZB) überwacht. Anders als die deutsche Aufsichtsbehörde Bafin ist die EZB jedoch gegenüber der Bundesregierung nicht rechenschaftspflichtig. Sie könnte damit theoretisch ohne Rücksprache mit Berlin ein deutsches Geldhaus schließen.
Die grundsätzliche Entscheidung für eine Reform hatten im vergangenen Jahr die Regierungschefs der EU getroffen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass sich große, international vernetzte Banken von nationalen Ämtern praktisch nicht mehr überwachen und im Zweifel auch nicht abwickeln lassen. Eine weitere Rolle spielte die Erfahrung mit dem Fall Spanien, wo die nationalen Behörden die Probleme der heimischen Banken lange Zeit eher verharmlost hatten, anstatt sie aufzudecken.
Was die Reform für die Einflussmöglichkeiten der nationalen Regierungen und Parlamente bedeutet, spielte allerdings in der öffentlichen Debatte bisher keine Rolle. In Deutschland etwa werden die Geldhäuser derzeit gemeinsam von der Bafin und der Bundesbank überwacht. Beide Institutionen sind formell unabhängig, die Bafin unterliegt aber der Rechts- und Fachaufsicht durch das Bundesfinanzministerium. Es kann etwa die Geschäftsordnung der Behörde ändern und stellt die wichtigsten Mitglieder des Verwaltungsrats. Vor allem aber muss die Bafin das Ministerium über alle aufsichtsrechtlichen Akte informieren, was der Regierung in der Praxis eine Art Vetorecht verschafft. Das gilt vor allem dann, wenn systemrelevante Häuser wie Deutsche Bank, DZ Bank, Commerzbank oder Landesbanken betroffen sind.
Der Bundestag als Bittsteller?
Genau diese Abstimmung wird es künftig nicht mehr geben. „Eigentlich müsste die Rechts- und Fachaufsicht ebenfalls auf die europäische Ebene übertragen werden“, hieß es in Regierungskreisen. „Da es aber nun einmal keinen europäischen Finanzminister gibt, fällt sie einfach weg.“
Mit der Entscheidung verliert auch der Bundestag an Einfluss, dem bisher das Finanzministerium in Aufsichtsfragen Rechenschaft schuldet. „Da ist der größte Souveränitätstransfer seit Einführung des Euro im Gange – und niemand in der Koalition bemerkt es“, sagte der Finanzexperte der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, der SZ. Der Bundestag werde künftig gegenüber der EZB nur noch als Bittsteller auftreten können, auch das EU-Parlament habe kaum Rechte. „Im Extremfall muss der Bundestag für die Kosten einer Bankabwicklung geradestehen, die die EZB veranlasst hat, ohne dass das Parlament auch nur Unterlagen dazu anfordern könnte.“ Das könne jede kleine Sparkasse betreffen, weil die Zentralbank das Recht erhalten wird, im Ausnahmefall die Aufsicht über jedes Institut in Europa zu übernehmen.

Quelle: SZ vom 07.03.2013/fzg