Sven Giegold

Beitrag zu den Denkskizzen zur Perikopenordnung

DREIUNDZWANZIGSTER SONNTAG NACH TRINITATIS

 
MATTHÄUS 22, 15-22

 
Sven Giegold

– im Erscheinen –

Die Pharisäer hielten Rat, dass sie Jesus fingen in seinen Worten, und sandten zu ihm ihre Jünger samt den Anhängern des Herodes. Die sprachen: Meister, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und lehrst den Weg Gottes recht und fragst nach niemand; denn du achtest nicht das Ansehen der Menschen. Darum sage uns, was meinst du: Ist’s recht, dass man dem Kaiser Steuern zahlt, oder nicht?

Da nun Jesus ihre Bosheit merkte, sprach er: Ihr Heuchler, was versucht ihr mich? Zeigt mir die Steuermünze! Und sie reichten ihm einen Silbergroschen. Und er sprach zu ihnen: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie sprachen zu ihm: Des Kaisers. Da sprach er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! Als sie das hörten, wunderten sie sich, ließen von ihm ab und gingen davon.

Es geht um nicht weniger als die berühmteste Falle der Geschichte. Die Jünger der Pharisäer versuchen, Jesus eine Falle zu stellen. Auf ihre Frage, ob es erlaubt ist, Steuern zu zahlen, gibt es für Jesus nur gefährliche Antworten. Wenn er die Frage bejaht, kostet ihn das mindestens Sympathien im Volk. Wenn er die Frage verneint, gäbe es einen einfachen Grund, ihn als Aufrührer festzunehmen. Entweder verdirbt er es sich mit den Anhängern des jüdischen Befreiungskampfs, oder mit dem Kaiser. Jesus soll zu einem innerjüdischen Konflikt Stellung nehmen, nämlich ob man die römische Herrschaft wie die Pharisäer hinnehmen oder wie die Zeloten boykottieren soll. Die Überlieferung bei Markus (3,6) geht noch weiter und unterstellt eine klare Absicht hinter der Falle: die Suche nach einem Vorwand, Jesus zu töten.

Politikern ist diese Situation aus Interviews und Talkshows nicht unbekannt. Es gehört zu den Grundmotiven des kritischen Journalismus, Fragen zu stellen, die grob so angelegt sind: Wenn man sie ehrlich beantwortet, schadet man sich selbst oder der eigenen Partei. Wenn man versucht, sich aus der Affäre zu ziehen, sieht man irgendwie unehrlich oder unbeholfen aus. Dazu passt auch das Verhalten der Jünger der Pharisäer, erst total nett zu sein: Meister, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und lehrst den Weg Gottes recht. Denn auch in heutigen Interviews kommen die fiesen Fragen nie zu Beginn.

Daher gehört es zur politischen Grundausbildung im Umgang mit kritischen Journalisten, mit solchen Fragen möglichst geschickt umzugehen. Für den so Bedrängten geht es darum, den eigenen Kopf möglichst sympathisch und elegant aus der Schlinge zu ziehen. Dazu bieten sich verschiedene Strategien an: Offenlegen der Falle, ein humorvoller Spruch, Verwirrung oder schlicht die Aussageverweigerung – inklusive der beliebten Variante, einfach eine Frage zu beantworten, die gar nicht gestellt wurde.

Jesus kombiniert die Strategie der Offenlegung und der Verwirrung in einer Weise, von der man noch heute lernen kann. Zunächst spricht er die Schüler der Pharisäer in einer Direktheit an, die gegenüber Journalisten zwar manchmal verlockend erscheint, aber doch wenig empfehlenswert ist: Ihr Heuchler, was versucht ihr mich? Und schließlich gibt er eine Antwort, die eigentlich gar nichts klärt: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!

Jesus geht damit als Sieger vom Platz, denn als die Jünger der Pharisäer das hörten, wunderten sie sich, ließen von ihm ab und gingen davon. Schließlich sagt Jesus damit nicht ausdrücklich, was nun zu tun ist. Sollen die unterjochten Juden nun die verständlicherweise verhasste Kopfsteuer bezahlen oder nicht? Steht sie dem Kaiser zu, oder meint Jesus all das nur im übertragenen Sinne? Den berühmten Satz kann man sehr unterschiedlich lesen.

Genauso wie die Jünger der Pharisäer verwirrt von dannen zogen, sollte es uns eigentlich auch gehen. Trotzdem wurde gerade dieser Ausspruch immer wieder benutzt, um grundlegende Ableitungen vorzunehmen. Vergleichsweise harmlos, wenn auch reizvoll ist noch die Interpretation als Aufforderung an die Christen, ehrlich ihre Steuern zu zahlen. So kann man die Worte Jesu So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist oberflächlich als Anregung zur Beendigung der Steuerhinterziehung sowie zur Schließung von Steueroasen und Steuerschlupflöchern lesen.

Noch weitergehend bieten sich die Worte an, um allgemeine Aussagen über das Verhältnis der Christen zur Obrigkeit zu machen. Luther predigte von diesem Satz ausgehend seine Version der Zwei-Reiche-Lehre. Von politisch engagierten Christen von links wie von rechts wurde diese Bibelstelle immer wieder intensiv beackert.

Doch Verwirrung in Verallgemeinerung zu überführen, kann nicht überzeugen. Durch die Technik der Verwirrung nimmt Jesus ja gerade keine klare Position ein. Es bleibt unklar, was er wirklich denkt. Aus Unklarheit kann man eben auch nichts ableiten. Wer es dennoch versucht und etwa Hilfsargumente heranzieht, übergeht den Kern der Pointe: dass Jesus eben verwirren will statt Klarheit herzustellen. Eine eindeutige Interpretation liegt auch deshalb nicht nahe, weil auch sonst das im Neuen Testament beschriebene Interesse Jesu nicht der Obrigkeit gilt, sondern der Gottesbeziehung. Die wenigen Hinweise sind umso erstaunlicher, als Jesus in einer Zeit wirkte, als die römische Herrschaft unter der Bevölkerung Israels verhasst war. Diese Geschichte beantwortet nichts klar und eindeutig. Weder Staatstreue und Revolution können davon überzeugend abgeleitet werden. Aber wir können daraus lernen, dass wir bei schwierigen politischen Alternativen unseren eigenen Kopf nutzen müssen – und wie man elegant und amüsant mit naseweisen Fragestellern umgeht.

Rubrik: Positionen / Grundsätze

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