Sven Giegold

Bundesfinanzministerium verweigert Mithilfe bei der Aufklärung von Steuerdumping

Seit Februar diesen Jahres untersucht ein Sonderausschuss des Europäischen Parlaments die schädlichen Steuerpraktiken von Großkonzernen und die Komplizenschaft einiger EU-Mitgliedstaaten. Seither haben 21 der 28 Mitgliedstaaten dem Ausschuss mehr oder weniger brauchbare Informationen zu ihren Steuerpraktiken geschickt. Deutschland dagegen hat in seinem Antwortbrief vom 10. Juli 2015 höflich aber unmissverständlich der Zusammenarbeit eine Absage erteilt. Die vom Ausschuss erbetenen Informationen und Fragen seien “sehr umfangreich” und “sehr komplex”. Außerdem habe man das “Steuergeheimnis zu beachten”. Kein Mitgliedstaat hat die Anfragen (1) des Sonderausschusses vollständig beantwortet. Die meisten Länder jedoch übermittelten zumindest Informationen zu ergriffenen und geplanten Maßnahmen zur Begrenzung der Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlage und der Verlagerung von Gewinnen in Niedrigsteuerländer. Einige Länder lieferten darüberhinaus auch Zahlen zu gewährten Steuervorbescheiden und mit anderen Ländern ausgetauschten Steuerinformationen. Manche auch nationale Listen nicht-kooperativer Staaten (“Steueroasen”) und international geschlossener Steuerabkommen, die zu einer Verringerung des Steuersatzes führen. Anstatt – wie andere Länder – Informationen schriftlich zur Verfügung zu stellen, sollte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble lediglich mündlich in einer Anhörung “für steuerpolitische Fragen zur Verfügung stehen”. Damit fehlen dem Sonderausschuss noch immer dringend notwendige Informationen, um sein Mandat zur umfassenden Aufklärung von Steuerdumping in der EU zu erfüllen.

 

Die Weigerung Deutschlands zur Zusammenarbeit bei der Aufklärung von Steuerdumping kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:

 

“Mit seiner Absage an eine Zusammenarbeit mit dem Sonderausschuss deckt das Bundesfinanzministerium die schädlichen Steuerpraktiken von Konzernen. Finanzminister Schäuble erschwert damit die parlamentarische Aufklärung. Mehr als zwei Monate lang ließ sich Schäubles Ministerium für eine Antwort Zeit. Anstatt endlich die Fragen des Europaparlaments zu beantworten, führt Deutschland fadenscheinige Ausreden an. Damit reiht sich Deutschland in die Liste nicht-kooperativer Staaten ein, die von Irland, Malta und Luxemburg angeführt wird. Andere Länder sind mit gutem Beispiel vorangegangen und haben wertvolle und zum Teil auch sehr genaue Zahlen zu Steuervorbescheiden zur Verfügung gestellt. Die sonst oft als Vorbild dienende Steuerverwaltung der Bundesrepublik dagegen schafft es angeblich nicht, dieselben Informationen zusammenzutragen. Das ist nicht glaubhaft. Solange das Bundesfinanzministerium die vom Sonderausschuss erbetenen Informationen zurückhält, muss man davon ausgehen, dass die Bundesregierung etwas zu verbergen hat.

Die Weigerung zur Zusammenarbeit mit dem Sonderausschuss passt ins Bild Deutschlands als härtester Gegner der Steuertransparenz. Im Rat blockiert ausgerechnet die schwarz-rote Bundesregierung eine verpflichtende länderbezogene öffentliche Berichterstattung für alle multinationalen Konzerne, das sogenannte „country-by-country-reporting”. Dabei wäre diese wirksame Transparenzmaßnahme relativ leicht umzusetzen. Eine Einstimmigkeit im Rat ist hier nicht erforderlich.“

 

Die Weigerung der Bundesregierung finden Sie hier.

 

(1) Am 23. April 2015 forderte der Sonderausschuss bei Deutschland erstmals Unterlagen an und schickte am 29. Juni 2015 eine weitere Aufforderung, folgende Informationen zu liefern:

  • Informationen zu bereits ergriffenen oder geplanten Maßnahmen zur Steigerung der Transparenz bei der Unternehmensbesteuerung.
  • Informationen zu bereits ergriffenen oder geplanten Maßnahmen zur Begrenzung der Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlage und der Verlagerung von Gewinnen in Niedrigsteuerländer.
  • Überblick über die seit 1991 gewährten Steuervorbescheide (inkl. Datum und Angabe des Unternehmens)
  • Alle Informationen, die seit 2010 mit anderen Mitgliedstaaten auf Grundlage der Richtlinie zur Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen ausgetauscht wurden
  • Nationale Liste nicht-kooperativer Staaten (sog. Steueroasen), inkl. Fortentwicklung und Begründung
  • Liste von international geschlossenen Steuerabkommen, die zu einer Verringerung des Steuersatzes führen
Rubrik: Wirtschaft & Währung

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