Unser Landesvorstand hat seinen Leitantrag für den Landesparteirat der Grünen NRW am 1.12.2013 in Köln vorgelegt, den ich entworfen habe und hier mit den Änderungen der LandesvorstandskollegInnen gerne dokumentiere. Weitere Infos, zum LPR in Köln gibt es hier.:
Das Ganze im Herzen: NRW für ein Grünes Europa
Am 25. Mai 2014 streiten wir für starke Grüne in Europa und in den Kommunen Nordrhein-Westfalens. In diesem geschichtsträchtigen Jahr geht es um viel: Wird Europa seine Zukunft sozial und ökologisch in die Hand nehmen oder wird unser Kontinent seine gemeinsame Zukunft verspielen? Diese Weichenstellung wird in einem symbolträchtigen Jahr vorgenommen. Vor 200 Jahren ordnete der Wiener Kongress Europa neu und leitete eine Phase der Restauration ein – der neugegründete Deutsche Bund führte letztlich zur deutschen Einigung. Vor 100 Jahren begann der 1. Weltkrieg mit seinem bis dahin unvorstellbaren Gemetzel. Vor 75 Jahren überfiel Nazi-Deutschland Polen und errichtete eine Diktatur des Terrors. Vor 25 Jahren fiel die Berliner Mauer und damit begann die Wiedervereinigung unseres Kontinents. Diese Ereignisse dürfen wir nie vergessen und wir müssen uns für unsere Zukunft in Staat und Zivilgesellschaft aktiv an sie erinnern! Nun wird Europa bei diesen Wahlen doppelt herausgefordert: Von schlechter Politik, für die Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit Fremdwörter sind. Und von populistischen Feinden der Europäischen Einigung. Dem stellen wir unser Grünes Europa entgegen.
Europa des Klimaschutzes und der Erneuerbaren Energien
Wir Grüne stehen für eine ehrgeizige Klimaschutzpolitik, denn wir wollen unsere Lebensgrundlage bewahren. Klimafolgeschäden durch Überflutungen, Dürren und Stürme müssen in Grenzen gehalten werden, deshalb wollen wir Europa wieder zum Vorreiter beim Klimaschutz machen. Dazu muss es sich lohnen, in den Klimaschutz zu investieren. Den Handel zur Reduktion von CO₂ Zertifikaten wollen wir deshalb neu beleben. Es reicht nicht, Zertifikate vorübergehend vom Markt zu nehmen (backloading). Wir Grüne setzen uns für eine CO₂ Reduktion von mindestens 30% bis 2020 in Europa ein. Die Staatschefs haben auf den internationalen Klimakonferenzen beschlossen, bis 2050 den CO₂ Ausstoß um 80-95% zu reduzieren. Dazu ist es nötig, dass Strom und Wärme durch Erneuerbare Energien produziert werden. Dazu müssen wir stromsparende Geräte entwickeln und unsere Häuser isolieren, dazu brauchen wir eine energiesparende Mobilität. Gerade für das Energieland NRW ist es unabdingbar, in diese Zukunftsfelder zu investieren. Wer wie der Kommissar Oettinger die Erneuerbaren Energien ausbremsen will, wer wie Minister Duin für den Klimakiller Kohle Milliardensubventionen fordert und aktiv gegen den Klimaschutz interveniert, wer wie Kanzlerin Merkel für die großen Autos, die Spritschlucker, in Brüssel kämpft, verhindert die notwendige Innovation und gefährdet die Arbeitsplätze der Zukunft.
Bäuerliche Landwirtschaft statt Massentierhaltung
Weiterhin fließen fast 40% des Europäischen Budgets in die Landwirtschaft. Es ist zwar – auch mit Hilfe von uns Grünen – gelungen, kleine ökologische Verbesserungen bei der Mittelvergabe zu erreichen, aber auch in Zukunft erhalten industrielle und tierquälerische Agrarbereiche von diesen Mitteln viele Mrd. €. Durch diese Art von Landwirtschaft, durch Massentierhaltung und Monokulturen, wird das Wasser mit Nitrat belastet, die Bodenqualität verschlechtert und die Artenvielfalt reduziert. Diese negativen Folgen müssen mit Steuergeldern wieder repariert werden. Das ist ein unverantwortlicher Umgang mit Steuergeldern, den wir beenden wollen.
Wir setzen uns ein für gesunde Lebensmittel und klare Kennzeichnungen, damit nachhaltig erzeugte Lebensmittel für die VerbraucherInnen erkennbar werden. Wir wollen keinen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland oder anderswo in Europa, weil die Risiken viel zu groß sind. Deshalb brauchen wir auf EU-Ebene ein strenges Zulassungsverfahren, das die Erkenntnisse unabhängiger WissenschaftlerInnen über die Auswirkungen und Risiken ernst nimmt. Durch alle diese Maßnahmen wollen wir die Rechte der VerbraucherInnen stärken.
Soziales Europa statt Abschottung
Bisher hat Europa für den Schutz sozialer Bürgerrechte zu wenig getan. Ein gemeinsamer Markt ohne soziale Regeln und klare ordnungspolitische Rahmensetzungen ist keine Soziale Marktwirtschaft. Wir Grüne wollen, dass europäische Bürgerinnen und Bürger in allen Ländern soziale Grundrechte genießen. Dazu braucht es kein einheitliches Sozialsystem in der EU, aber gemeinsame soziale Rechte. Das ist auch eine richtige Antwort auf die Flucht der Roma aus osteuropäischen Ländern. Hier rächt sich nun die Verweigerung von CDU und FDP gegenüber allen Fortschritten zu einem Sozialen Europa. Wer soziale Bürgerrechte zur alleinigen Zuständigkeit der Mitgliedsländer erklärt, treibt Menschen zur Auswanderung und öffnet Dumping-Wettbewerb Tür und Tor. Gänzlich inakzeptabel ist es, europäische Errungenschaften, wie die Personenfreizügigkeit, wieder in Frage zu stellen. Vielmehr benötigen gerade die Kommunen, die besonders betroffen sind, Hilfen um die neuen ZuwandererInnen menschenwürdig aufnehmen und erfolgreich integrieren zu können.
Ein Skandal ist die systematische Verletzung von Menschenrechten an den Außengrenzen der EU. Das Mittelmeer ist zu einer Todeszone für Flüchtlinge geworden. Wir brauchen endlich eine gemeinsame Einwanderungspolitik nach Europa, bei der es einen legalen Weg für Flüchtlinge in die EU gibt, sowie Schutzstandards, die allen Flüchtlingen den Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren ermöglichen. Mitgliedsländer müssen sich der Herausforderung gemeinsam und solidarisch stellen und dürfen die EU-Partner im Süden nicht alleine lassen.
Zivilgesellschaft in der Türkei mit einer Beitrittsperspektive unterstützen
Die landesweiten Gezi-Proteste in der Türkei im Sommer 2013 haben deutlich gezeigt: Die Türkei verändert sich und die Zivilgesellschaft hat sich an die Spitze dieses Veränderungsprozesses gestellt. Sie wird weiter streiten für eine demokratische Gesellschaft, in der Rechtsstaatlichkeit, BürgerInnenrechte, Minderheitenrechte und Menschenrechte fest verankert sind. Um diesen Prozess der demokratischen und rechtsstaatlichen Veränderungen in der Türkei zu unterstützen, müssen die laufenden Verhandlungen mit einer ernsthaften und glaubwürdigen Beitrittsperspektive geführt werden.
Europa macht leere Kassen voll
Beim gemeinsamen Binnenmarkt fehlt auch eine gemeinsame Steuerpolitik. Großunternehmen betreiben mithilfe von Tochterfirmen in Niedrigsteuerländern unlauteren Wettbewerb. Europa muss endlich entschieden gegen Steuerdumping und Steuerflucht vorgehen. Das nützt gerade auch Kommunen in NRW, die regelmäßig bei der Gewerbesteuer das Nachsehen haben.
Europa: Global handeln, lokal leben lassen
Wir brauchen Europa! Nur ein einiges Europa kann Klimaschutz, Menschenrechte, Frieden und soziale Rechte weltweit befördern und das Finanzsystem stabil halten. Doch in manchen Bereichen ist Europa auch zu weit gegangen. Europa soll Sparkassen und Genossenschaftsbanken nicht kaputtregulieren, sondern die Großbanken beaufsichtigen und notfalls entflechten. Europa muss es den Kommunen überlassen, wie sie ihre Daseinsvorsorge organisieren wollen. Druck zur Privatisierung lehnen wir ab, ganz besonders beim Wasser. Gemeinsam mit den 1,8 Mio. Bürgerinnen und Bürgern haben wir erreicht, dass das Wasser aus der EU-Konzessionsabgabe herausgenommen wurde. Wasser ist ein Gut der Daseinsvorsorge und muss vor allen Liberalisierungsinitiativen geschützt werden.
Grüne Europapolitik hat erfolgreich dazu beigetragen, dass die Besonderheiten kleiner Banken in der EU-Finanzmarktgesetzgebung berücksichtigt wurden.
Europa demokratisch erneuern, Lobbyismus ans Tageslicht
Die europäischen Institutionen haben während der Finanzkrise vorerst das Schlimmste verhindert – einen Zusammenbruch unseres Finanz- und Währungssystems. Aber der Preis war hoch – ökonomisch wie sozial. Für alle Bürgerinnen und Bürger wurde sichtbar, dass die Zusammenarbeit im Klüngel der Hinterzimmer des Rates der Mitgliedsländer weder funktioniert noch demokratisch ist. Schlimmer noch, es haben immer mehr Menschen das Gefühl, dass die Lobbyisten mächtiger Sonderinteressen in Brüssel noch freudiger ihr Unwesen treiben als in Berlin. Wir Grünen wollen daher die Europäische Demokratie erneuern. Die Aktivitäten aller Lobbygruppen müssen verbindlich transparent gemacht werden. Der Einfluss und die Unabhängigkeit des Europaparlaments müssen genauso gestärkt werden, wie die direkten Mitbestimmungsrechte der Bürgerinnen und Bürger. Gemeinnützige Organisationen und Verbraucherverbände verdienen als Gegengewicht zu den großen Unternehmensverbänden mehr Unterstützung. Ein Europäischer Konvent muss unter Einbeziehung der BürgerInnengesellschaft eine neue Europäische Verfassung ausarbeiten und durch Volksabstimmungen beschließen lassen. Nur durch die konsequente Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger kann das Vertrauen neu wachsen, das Europa verdient.
Doch wir Grüne fordern mehr Demokratie in Europa nicht nur ein. Wir fangen damit an. Erstmals haben unsere Mitglieder und UnterstützerInnen europaweit die Möglichkeit, die Grünen SpitzenkandidatInnen direkt in einer europaweiten Urwahl zu bestimmen. Wir Grünen in NRW werden alles tun, um diese „green primary“ zu einem Erfolg zu machen.
Ja zum Euro. Nein zu den Gegnern der Europäischen Einigung.
Die Gefahr besteht, dass sich in Deutschland wie in anderen europäischen Ländern eine rechtspopulistische Partei etabliert. Die AfD kann das europapolitische Klima auf Dauer vergiften. Wir Grünen stehen zur Europäischen Einigung, auch weil der Grüne Wandel nur international erfolgreich sein kann. Die Abschaffung des Euros würde die EU um Jahrzehnte zurückwerfen. Das ist das Gegenteil von verantwortungsvoller Politik! Schon deshalb wollen wir uns der AfD entschieden entgegenstellen. Sie lehnt nicht nur ein solidarisches Europa ab, sondern steht für eine unsoziale Steuerpolitik im Inland, will den Ausbau Erneuerbarer Energien behindern und spielt mit Ressentiments gegen MigrantInnen. Wir werden die Europawahlen nutzen, um für ein europäisches Deutschland zu streiten, das weiß wo seine Zukunft liegt: In einem demokratischen, solidarischen und ökologischen Europa.
Antragssteller*in: Landesvorstand