Am 31. August waren Prof. Gustav Horn, Prof. Milbradt und ich vom Rat der EKD im Rahmen eines Studientags zu einem Streitgespräch geladen. Neben dem Austausch der Argumente zur Eurokrise ging es dabei auch um die mögliche Rolle der Evangelischen Kirche in der Eurokrise. Dazu habe ich sinngemäß folgendes gesagt:
„Zunächst bin ich mit den grundlegenden Positionen der EKD zur Krise sehr einverstanden. Vor allem die Reden und Erklärungen des Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider (9. Mai 2012, 15. Februar 2012, 28. September 2011, 26. Mai 2011) fanden aus meiner Sicht die richtige Balance zwischen konkreter Intervention und der notwendigen Vorsicht, die Kirche nicht zur Vertreterin der einen oder anderen Position in der Wirtschaftswissenschaft zu machen. Auch Prälat Felmberg hat am 19. Juli 2010 in Brüssel wie auch Bischof Markus Dröge am 6. Dezember 2010 Wichtiges gesagt. Was mir allerdings fehlt ist eine umfangreichere Positionierung der EKD. Mit „Wie ein Riss in einer hohen Mauer“ hat sich die EKD klar und gut, wenn auch spät und nach manchen Verirrungen, zur Finanzkrise geäußert. In dem Text taucht jedoch Europa, die EU oder der Euro praktisch nicht auf. Europa fehlt sowohl in der Analyse wie als Handlungsebene. Daher gibt es aus meiner Sicht Raum für eine grundlegendere europapolitische Positionierung der EKD im Zusammenhang mit der Eurokrise.
In Brüssel ist die EKD mit ihrem Büro gut vertreten. Auch die CEC spielt eine hilfreiche Rolle bei vielen europapolitischen Fragen, etwa in der Migrations- und Entwicklungspolitik. Allerdings gibt es dort keine wirklich überzeugende Expertise zu Fragen der Wirtschafts- oder gar Finanzmarktpolitik. Seit der Krise gab es in Brüssel mehrere gute Veranstaltungen zu Fragen der Eurokrise, die vom EKD-Büro organisiert wurden. Bisher nicht erfolgt, ist jedoch eine ökumenische wahrnehmbare Wortmeldung zum Thema.
Schließlich ist die schwere Krise der Europäischen Integration natürlich nicht nur ein Thema für Brüsseler Büro und den Rat. Vielmehr sind wir als Kirche selbst Teil der immer wieder beklagten Schwäche europäischer Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft. Selbst immer weitere Schritte der Europäisierung zu gehen – von der Gemeinde, über Kirchenkreise, Kirchentag, Landeskirchen – scheint mir eine Aufgabe, die wir systematischer und breiter angehen könnten. Mehr Internationalität könnte unsere Kirche gerade auch für junge Menschen attraktiver machen. Im Rahmen des DEKT setze ich mich in diesem Sinne zusammen mit Katrin Hatzinger für die Idee eines Europäischen Kirchentags ein.
Ganz konkret gäbe es auf Ebene der Gemeinden noch ein aktuelles Handlungsfeld: Viele junge Menschen kommen aus den Krisenländern als MigrantInnen nach Deutschland. Wären die Gemeinden nicht ein Ort, an dem eine Willkommenskultur für sie gelebt werden könnte? Dort könnte ein weiterer Ort sein, an dem sie erleben, dass sie nicht nur Produktionsfaktor sondern als Menschen willkommen sind.“
Weiterlesen zum Thema:
Aktuelle Broschüre des Kirchlichen Diensts in der Arbeitswelt zum Thema „Europa macht reich“: http://www.kda-ekd.de/veroeffentlichungen/2012/KDA-BussundBettag-2012_120725_web.pdf