Bändigung der Heuschrecke
VON DANUTA SZAREK – http://www.welt.de/die-welt/wirtschaft/article7528568/Baendigung-der-Heuschrecke.html
Die EU will Finanzinvestoren regulieren – Die Branche fürchtet, ihr Geschäft könnte großen Schaden nehmen
Berlin – Das war kein schöner Geburtstag. Kein Konfetti, keine Gratulanten, nicht einmal ein Grund zum Feiern: Vor kurzem jährte sich zum fünften Mal der Tag, an dem der damalige SPD-Chef Franz Müntefering eine Kategorie von Finanzinvestoren mit „Heuschrecken“ verglichen hatte. Dieses Bild habe sich „in den Köpfen der Menschen festgesetzt“, stellt der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) anlässlich des wenig glorreichen Jahrestags grimmig auf seiner Internetseite fest. Doch die verschwiegene Branche habe damals erkannt, dass sie sich stärker „öffentlich erklären“ müsse, um das Misstrauen zu beseitigen.
Das ist ihr aber offenbar nicht gelungen – denn die EU will sie mit der so genannten Richtlinie für Alternative Investmentfondsmanager (AIFM) in einem Aufwasch mit Hedgefonds und Spezialfonds regulieren. Die Branche fürchtet Offenlegungspflichten jenseits der Schmerzgrenze. Und tatsächlich finden sich außerhalb der Brüsseler Politik kaum Befürworter der Richtlinie. „Bei der Transparenz hat die Branche sicher einigen Nachholbedarf“, sagt Jörg Rocholl, Professor an der European School of Management and Technology in Berlin. Die Eingriffe gingen aber weit über das hinaus, was vergleichbaren Investoren auferlegt werde. „Hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.“
Das schlechte Image kommt allerdings nicht von ungefähr. Einige Aufsehen erregende Beispiele hatten die Private-Equity-Branche in Verruf gebracht. Häufig kauften angelsächsische Investoren Unternehmen mithilfe billiger Kredite, bürdeten ihnen die Schulden auf, drückten Sonderausschüttungen durch, filetierten sie rücksichtslos. Der schlechte Ruf klebt auch an der hiesigen Beteiligungsbranche wie Kaugummi. Dabei hatten gerade die deutschen Finanzinvestoren kaum mit spektakulären, zu 70 oder 80 Prozent auf Pump finanzierten Mega-Deals zu tun. Sie begnügen sich traditionell mit Beteiligungen an kleineren und mittleren Mittelständlern, wo die Schuldenlasten um einiges geringer ausfallen. Und so fühlt sich die Branche zu Unrecht mit Finanzmarktjongleuren wie Hedgefonds in einen Topf geworfen. „Da fuhrwerken übereifrige Politiker in einer Branche herum, die mit der Krise überhaupt nichts zu tun hatte“, schimpft ein Branchenvertreter.
Das Argument lassen die EU-Parlamentarier aber nicht gelten. Mit der AIFM-Richtlinie will die EU den Beschluss der G-20-Länder umsetzen, dass künftig keine Finanzmarktakteure mehr unreguliert bleiben sollen. Dieses Vorhaben sorgte sogar schon für diplomatische Misstöne: US-Finanzminister Timothy Geithner schrieb böse Briefe an die EU. Er befürchtete, dass US-Fonds der Zugang zum europäischen Markt verwehrt werden solle. Den britischen Premier Gordon Brown trieb die Sorge um, dass eine zu strenge Regulierung die Fonds vom Finanzplatz London vertreiben könnte. Und so wurde der Entwurf mittlerweile abgeschwächt.
In Deutschland zeigt sich die Private-Equity-Branche indes einer Regulierung nicht abgeneigt – zumindest, wenn es etwa um eine Registrierung oder Berichtspflichten gegenüber einer Aufsichtsbehörde und den Investoren geht. „Wir würden davon sogar profitieren, denn die Geldgeber wollen lieber in regulierte Fonds investieren“, sagt Dörte Höppner, Geschäftsführerin des BVK. Allerdings hat sich hierzulande bislang keiner um eine nationale Beaufsichtigung der Branche gekümmert, und die EU schießt nach ihrer Ansicht nun prompt über das Ziel hinaus.
Für Entrüstung sorgt vor allem ein Passus zu den Offenlegungspflichten der Private-Equity-Manager: Sie sollen den Arbeitnehmern der von ihnen übernommenen Firma künftig die Jahresberichte des Fonds zur Verfügung stellen, wenn sie mindestens 30 Prozent der Stimmrechte am Unternehmen halten. Darin enthalten sein sollen etwa Angaben zu Kapitalstruktur, Finanzlage und Risiken des Fonds, zu Bemühungen um Forschung und Entwicklung im Portfoliounternehmen, Standort- und Personalplänen. Die Branche kritisiert, dass kein anderer Eigentümer eines Privatunternehmens solch weitreichende Informationen liefern müsse. „Da können Sie Ihre Geschäftsgeheimnisse gleich ans schwarze Brett nageln“, sagt Höppner. Mindestens einmal im Jahr sollen die Finanzinvestoren sich zudem mit den Beschäftigten der Firmen treffen, um sie über ihre Strategie zu informieren. „Im Sinne der Mitbestimmung eigentlich eine Selbstverständlichkeit“, sagt Sven Giegold, Grünen-Europaabgeordneter und Mitglied im EU-Wirtschaftsausschuss ECON. Bislang hätten Arbeitgeber kaum die Möglichkeit, mit den Finanzinvestoren direkt zu sprechen, obwohl diese die Geschicke des Unternehmens maßgeblich mitbestimmten.
Doch die Manager der potenziellen Portfoliounternehmen fühlen sich übergangen: In einem Brief an die EU-Parlamentarier, der der WELT vorliegt, warnt der europäische Arbeitgeberverband BusinessEurope, die direkte Kommunikation zwischen Finanzinvestoren und Belegschaften könne den „etablierten Dialog am Arbeitsplatz zwischen Arbeitgebern und Beschäftigen unterminieren“. Über 600 mittelständische europäische Unternehmen haben sich zudem einer Petition gegen die Offenlegungspflicht angeschlossen. Sie befürchten Wettbewerbsnachteile, wenn sie künftig nur aufgrund der Tatsache, dass sie private-equity-finanziert sind, sensible Details etwa zu Forschung und Entwicklung offenlegen müssen. Und die Finanzinvestoren selbst würden sich wahrscheinlich etwas einfallen lassen, um die scharfen Auflagen auszuhebeln, mutmaßt ein Beobachter der Branche – „damit hätte man aber das Gegenteil dessen, was man erreichen wollte“.
Rückhalt bekommt die Branche mittlerweile ausgerechnet auch aus der deutschen Politik, die ihr einst das Leben schwer machte. Man müsse aufpassen, dass Private Equity nicht überreguliert werde, sagt Leo Dautzenberg, finanzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Er verweist darauf, dass die Bundesregierung die Stärkung von Beteiligungskapital in ihren Koalitionsvertrag geschrieben habe. „Kapital von Finanzinvestoren könnte gerade in Zeiten, in denen der Zugang zu Krediten erschwert ist, eine sinnvolle Alternative für Mittelständler sein.“ Eine zu harsche Regulierung würge diese Entwicklung aber ab, bemängelt auch Finanzexperte Rocholl. Die EU diskriminiere diese Finanzierungsform, auch weil sie ähnlich agierende Investoren wie Staatsfonds oder auch Familienunternehmen davonkommen lasse. „Wenn schon Regulierung, dann für alle“, sagt er.
Die Private-Equity-Kritiker konnten sich indes nicht mit allen scharfen Regulierungsvorschlägen durchsetzen: In der neuesten Fassung des Entwurfs ist eine Mindesthaltedauer von Unternehmen von drei Jahren nicht mehr enthalten. Allerdings sollen sich Finanzinvestoren in den ersten vier Jahren ihres Engagements keine exzessiven Dividenden gönnen dürfen und die übernommenen Firmen nicht mit Schulden überfrachten. Eine Obergrenze für den Verschuldungsgrad ist nicht festgelegt. Die Private-Equity-Lobby verweist darauf, dass Firmen je nach individueller Lage unterschiedliche Quoten vertragen.
Am Montag soll nach zähem Ringen der EU-Wirtschaftsausschuss über die Richtlinie abstimmen, der Rechtsausschuss JURI hat sich bereits einstimmig dafür ausgesprochen. „Es ist wichtig, dass jetzt endlich konkrete Entscheidungen auf den Tisch kommen, sonst ist die Chance für neue Finanzmarktregeln wieder vertan“, sagt die Vize-Vorsitzende des Ausschusses, die österreichische Sozialdemokratin Evelyn Regner. Nach Private Equity und Hedgefonds werde man sich auch noch die übrigen Marktteilnehmer vornehmen. „Aber irgendwo mussten wir anfangen.“