Sven Giegold

Es geht voran: die EU wird die Zusammenarbeit der nationalen Steuerbehörden auf digitale Verkaufsplattformen ausweiten

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Interessierte,

gerade in der Coronakrise laufen immer mehr Umsätze über digitale Plattformen wie Amazon oder EBAY. Doch über digitale Plattformen kommt es zu massenhafter Steuerhinterziehung und unfairem Wettbewerb. Genau hier schafft die EU jetzt Abhilfe. Zukünftig sollen steuerliche Informationen auf digitalen Plattformen direkt an die Steuerbehörden fließen. Milliardenschwere Steuerverluste gehören dann der Vergangenheit an. Das Europaparlament arbeitet an einer Stellungnahme dazu, für den ich nun als Berichterstatter meinen Berichtsentwurf vorgelegt habe. Denn nur durch effektive und automatische Zusammenarbeit der Steuerbehörden über Grenzen hinweg können wir die Steueroasen schließen und Steuergerechtigkeit in der Globalisierung der Wirtschaft wiederherstellen. Dazu trägt auch mein Bericht bei.

Jetzt können die Abgeordneten aller Fraktionen sowie ich selbst ebenso Änderungsvorschläge einbringen, bevor wir im Parlament den endgültigen Bericht gemeinsam verabschieden. Insofern freue ich mich über jedes konkretes (!) Feedback und Vorschläge. Hier findet Ihr die wichtigsten Vorschläge meines Berichts.

Online-Anbieter sollen genauso Steuern bezahlen wie lokal präsente Unternehmen. Das ist schlicht eine Frage der Steuergerechtigkeit und des fairen Wettbewerbs. Um das sicherzustellen, brauchen die Finanzämter Informationen. Denn konsequenter und umfassender Informationsaustausch ist der Schlüssel zu fairer Besteuerung in Europa und weltweit. Mehr Steuertransparenz hat auch das letzte Global Forum der OECD angemahnt – mit seinen 161 Mitgliedsstaaten ist das Global Forum die wichtigste internationale Institution im Kampf gegen Steuerflucht und aggressive Steuervermeidung. Auch das ist ein wichtiges Signal, auf das nun hoffentlich konkrete Schritte folgen werden.

Die Überarbeitung der Richtlinie über die Zusammenarbeit der nationalen Steuerbehörden (mit dem schönen Kürzel DAC), die derzeit im Parlament und im Rat beraten wird, geht auf einen Vorschlag der EU-Kommission im Juli dieses Jahres zurück. Diese Richtlinie regelt schon länger den Austausch zwischen Mitgliedstaaten von Informationen darüber, wer wo steuerpflichtige Einkünfte hat. So erfährt beispielsweise das Finanzamt in Deutschland, welche Kapitalerträge Bundesbürger*innen in Luxemburg erwirtschaften. Damit die Überarbeitung der EU-Regeln in Kraft treten kann, muss das Europäische Parlament konsultiert werden.

Eine Erweiterung der bestehenden Richtlinie auf neue Einkommensarten ist dringend nötig. Der neue Vorschlag beinhaltet wichtige Ergänzungen, um auch Anbieter*innen auf Plattformen wie Airbnb oder Uber effektiv besteuern zu können. Unter der überarbeiteten Richtlinie müssen solche Plattformunternehmen künftig steuerrelevante Informationen über ihre Nutzer*innen, in diesem Fall Vermieter*innen oder Fahrer*innen, ans Finanzamt schicken. Diese Informationen sollen dann auch zwischen den europäischen Mitgliedstaaten ausgetauscht werden. Damit soll gewährleistet werden, dass Unternehmen, die ihre Dienstleistungen über Plattformen anbieten, genauso Steuern zahlen wie traditionelle Unternehmen. Dieser Vorstoß der Kommission ist richtig und wichtig. Davon unbenommen ist die Besteuerung der Gewinne selbst. Dazu hat die EU-Kommission schon vor Jahren eine europäische Digitalsteuer vorgeschlagen, die weiterhin vom Rat der Mitgliedsländer blockiert wird. In den Beratungen des Parlaments und des Ministerrates geht es hier nun um die konkrete Ausgestaltung einzelner Bestimmungen für die Besteuerung der Nutzer der Plattformen. Mein Berichtsentwurf beinhaltet folgende Vorschläge:

1. Weniger Bürokratie: Wir brauchen eine Definition der relevanten Aktivitäten und meldepflichtigen Plattformbetreiber, um den bürokratischen Aufwand für kleine Plattformen zu reduzieren und nicht-vergütete Aktivitäten aus dem Anwendungsbereich herauszunehmen! Denn es geht nicht darum, ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe zu melden. Der Fokus muss darauf liegen, dass gewerbsmäßige Anbieter*innen mit dem gleichen Maß gemessen werden – egal ob lokal oder digital.

2. Effektive Sanktionen: Wenn Plattformen ihrer Meldepflicht nicht nachkommen, sollen Mitgliedstaaten Strafen verhängen. Die überarbeitete Richtlinie sollte einen Strafenkatalog festlegen, um einheitliche Sanktionsmaßnahmen in ganz Europa sicherzustellen. Nur so kann die effektive und einheitliche Umsetzung der Meldepflicht für Plattformunternehmen in der gesamten EU gewährleistet werden.

3. Auftrag zur Erweiterung der Richtlinie: Des Weiteren sollte eine Überprüfungsklausel eingefügt werden, die die EU-Kommission beauftragt, die Richtlinie umfassend zu überprüfen und zu erweitern. Das ist dringend nötig, denn wir stellen immer wieder fest, dass EU-Regeln im Kampf gegen Finanzkriminalität und Steuervermeidung umgangen oder nur unzureichend umgesetzt werden. Das muss sich ändern, denn die schärfsten Regeln sind wenig wert, wenn sie nicht effektiv umgesetzt werden. Falls nötig, sollte die Einrichtung einer europäischen Aufsichtsbehörde erwogen werden, um Defizite in der Durchsetzung der Richtlinie möglichst schnell erkennen und beheben zu können. Grundsätzlich werden wir weiter auf eine umfassende Reform der europäischen Transparenzregeln hinarbeiten, um sicherzustellen, dass Vermögen in all seinen Formen von den Steuerbehörden erfasst wird. Derzeit müssen nämlich nur finanzielle Vermögenswerte gemeldet werden – Immobilien, Unternehmensanteile bis zu einem bestimmten Schwellenwert, Kunst usw. fallen nicht oder nicht immer darunter.

4. Kooperationspflicht für Mitgliedsstaaten: Heute geben die Behörden eines Mitgliedsstaates nur für sie unproblematisch verfügbare Informationen automatisch an andere EU-Mitgliedsländer weiter. In Zukunft sollen Informationen auch weitergegeben werden, die ein Mitgliedstaat mit vertretbarem Aufwand zur Verfügung stellen kann. Hier geht es besonders um die sorgfältige Erfassung der Einkunftsarten, die in den Mitgliedsstaaten selbst nur unzureichend besteuert werden. Ebenso verstecken sich Steuerpflichtige zuweilen hinter Briefkastenfirmen, deren wirkliche Eigentümer*innen nie effektiv festgestellt werden.

5. Steuerinformationen auch gegen andere Finanzkriminalität einsetzen: Es sollte den Mitgliedstaaten generell freistehen, die erhaltenen Informationen auch für nicht-steuerliche Zwecke zu verwenden. Bisher sieht die EU-Richtlinie vor, dass für solch einen Gebrauch eine Genehmigung durch die zuständige Behörde des übermittelnden Staates erforderlich ist. Das ist eine unverhältnismäßig hohe Hürde, denn gerade zur Bekämpfung von Finanzkriminalität und Geldwäsche sind solche Informationen sehr wertvoll. Hier habe ich in meinem Bericht für die Grünen/EFA Fraktion wichtigen Handlungsbedarf angemerkt: Die zuständige Behörde, die die Informationen erhält, soll diese verwenden können, soweit dies nach den Regeln des empfangenden Mitgliedslandes vor Ort zulässig ist.

6. Umfassender Austausch von Steuervorbescheiden (“tax rulings”): Alle relevanten, grenzüberschreitenden Steuervorbescheide und Vereinbarungen zur steuersparenden Verrechnung von Gewinnen innerhalb eines multinationalen Unternehmens sollen in Zukunft ausgetauscht werden. Um das zu gewährleisten, muss der Informationsaustausch auf informelle Vereinbarungen mit den Finanzämtern sowie inländische Steuervorbescheide ausgeweitet werden. Nur so kann unfairer Wettbewerb in Europa verhindert werden.

7. Transparenz bei der europäischen Steuerkooperation: Wir brauchen mehr Informationen darüber, wie gut die Zusammenarbeit der nationalen Steuerbehörden funktioniert und wo wir noch bessere Bedingungen für einen reibungslosen Informationsaustausch schaffen müssen. Die Mitgliedstaaten müssen bereits in regelmäßigen Abständen Bewertungen und Analysen zur Umsetzung und den Auswirkungen des automatischen Informationsaustauschs an die Kommission senden – nur sind diese Analysen bisher nicht öffentlich zugänglich. Solange diese Informationen keinen einzelnen Steuerzahler*innen zugeordnet werden können, hat die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse an diesen Informationen und muss Zugang dazu erhalten. In diesem Zusammenhang sollte die Kommission außerdem einmal im Jahr anonymisierte Zusammenfassungen der statistischen Daten veröffentlichen, die sie von den Mitgliedstaaten erhalten hat. So viel Transparenz von Seiten der Mitgliedstaaten muss sein!

Uns liegen bereits Ergebnisse der Beratungen des Ministerrats vor. Leider möchte der Ministerrat die Umsetzung der Nachbesserungen um ein Jahr nach hinten verschieben – die erweiterte Richtlinie wird somit wahrscheinlich erst im Januar 2023 umgesetzt werden. Außerdem haben die Regierungsvertreter*innen die Möglichkeit, grenzübergreifende Prüfungen anzuregen, deutlich begrenzt: die Kommission hatte richtigerweise angeregt, dass auch Privatpersonen eine solche Prüfung fordern dürfen – das hat der Ministerrat in seiner vorläufigen Entscheidung wieder gestrichen. Des Weiteren möchte der Ministerrat Unternehmen wie Hotelketten und Reiseveranstalter von der Meldepflicht ausnehmen, indem Anbieter*innen mit einer hohen Anzahl von Mietobjekten in einem Gebäude nicht gemeldet werden müssen. Wir haben es bereits jetzt mit vielen Schlupflöchern beim Austausch von Steuerinformationen zu tun, die die Wirksamkeit der Regeln untergraben. Hier wird das Parlament mit Sicherheit Nachbesserungsbedarf anmelden. Das Ziel muss sein, die Zusammenarbeit von nationalen Steuerbehörden so zu verbessern, dass eine faire Besteuerung aller wirtschaftlichen Akteur*innen möglich ist. Diesem Ziel werden wir mit dem Vorschlag der Kommission ein gutes Stück näher kommen. Nun kommt es darauf an, einen möglichst starken Kompromiss zu finden. Denn eins ist klar: Der Staat braucht Steuereinnahmen, um Herausforderungen wie diese Pandemie gut meistern können. Ich werde mich dafür einsetzen, dass der Rat die Position des Parlaments ernst nimmt. Der Rat der Mitgliedsländer ist leider nicht verpflichtet, die Änderungswünsche des Parlaments aufzunehmen. Ich werde als Berichterstatter jedoch das Gespräch suchen, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen, sobald die Parlamentslinie herausgearbeitet wurde.

Die Überarbeitung der bestehenden Regeln ist eine wichtige Etappe auf dem Weg hin zu mehr Steuertransparenz. Und auch über Europa hinaus kommt Bewegung in den grenzüberschreitenden Austausch von steuerrelevanten Informationen. Welche Möglichkeiten es gibt, um den globalen Informationsaustausch über Europa hinaus zu stärken, habe ich in diesem grünen Aktionsplan zusammengetragen. Ich hoffe sehr, dass die USA mit der neuen Regierung wieder eine Vorreiterrolle übernehmen wird, denn in der Vergangenheit war das der Schlüssel zu ehrgeizigen Reformen von Seiten der OECD und der EU. Es bleibt also noch viel zu tun. Aber trotzdem: es geht voran mit wichtigen Steuertransparenzregeln auf EU-Ebene und weltweit!

Mit herzlichen europäischen Grüßen

Sven Giegold

P.S. Petition: Digitalsteuer Jetzt! – Geschäfte schließen, Amazon & Co machen Riesengewinne: Die Digitalsteuer muss jetzt kommen! Gemeinsam haben wir die Chance, die Blockade bei der Digitalsteuer endlich zu überwinden: Bitte unterschreibt unsere Petition und teilt sie mit Euren Kontakten!  https://www.change.org/digitalsteuer-jetzt

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Hier die Details zur Gesetzgebung (nur Englisch):
https://oeil.secure.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?reference=2020/0148(CNS)&l=en

Hier mein Bericht im Detail (bisher nur Englisch verfügbar):
https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/ECON-PR-658793_EN.html?redirect

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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