Landwirtschaft bildet nicht nur die Grundlage unserer Lebensmittelversorgung, sondern gestaltet auch entscheidend ländliche Gemeinden und Landschaften. Wie Landwirtschaft betrieben wird, hat Auswirkungen auf unsere Umwelt, das Klima, unsere Gesundheit und die Qualität des Grundwassers, des Bodens und der Luft. Der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) bildet die 2. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik. Durch ihn werden Programme der Bundesländer finanziert, bei denen Landwirtinnen und Landwirte Unterstützung beantragen können. Seit 2010 gibt es in Nordrhein-Westfalen eine Landesregierung, die eine nachhaltige, bäuerliche und gentechnikfreie Landwirtschaft in ihrem Koalitionsvertrag verankert hat. Dafür sind auch die Förderschwerpunkte des ELER in NRW angepasst worden.
Ziele für Landwirtschaft im Rot-Grünen Koalitionsvertrag
Ich habe 2010 eine Studie in Auftrag gegeben, in der Taurus Eco Consulting unter dem Titel “Innovationspotenziale für Umwelt- und Klimaschutz in Europäischen Förderprogrammen Nordrhein-Westfalens” eine Bilanz der aktuellen Strukturförderung der EU zieht, zu der auch der ELER zählt. Die Studie hat Handlungsempfehlungen entwickelt, wie die Umsetzung bis dahin unter schwarz-gelb verbessert werden kann. Diese sind mit in den Koalitionsvertrag eingeflossen.
In Bezug auf den ELER schlug die Studie folgendes vor:
Der Landwirtschaftsstandort soll NRW eine Versorgung mit regionalen Produkten ermöglichen und eine nachvollziehbare Wertschöpfungskette „von Stall bis zur Ladentheke“ entstehen. Eine Umstellungsoffensive auf ökologischen Landbau soll helfen, die große Nachfrage nach biologisch hergestellten Produktion möglichst regional zu bedienen. Konkret ist die Förderung von kleineren und mittleren Betrieben festgeschrieben. Die Förderung für Großmastanlagen und intensiven Ackerbau soll vermindert werden. Auch der Antibiotikaeinsatz soll weitestgehend verringert werden.
Zwischenevaluation des ELER in Bezug auf Rot-Grüne Ziele
Die Studie zeigte, dass die ELER-Umsetzung der schwarz-gelben Landesregierung eine Intensivierung der Landwirtschaft und der Tierhaltung förderte. Es wurde deutlich, dass Umwelt- und Klimaschutz hinter wirtschaftlicher Effizienzsteigerung zurückblieben. Deutlich wurde, dass es bislang keine Kongruenz im Umweltbereich gab, also keine einheitliche Klimastrategie in den verschiedenen Schwerpunkten verfolgt wurde. So kam es zu Widersprüchen, gerade wenn es um die Förderung im Bereich Tierhaltung geht, wurde Masse statt Klasse – also vor allem Wachstum ohne Berücksichtigung von Tierschutzbedingungen gefördert. Dies widerspricht auch Klima- und Umweltzielen. Die Förderung der Umstellung auf biologische Landwirtschaft wurde nur selten in Anspruch genommen. Die Studie führt die geringe Umstellungsbereitschaft auf die Unsicherheit bezüglich der Rentabilität zurück, da es eine große Dynamik bei der Erzeugung von Bio-Produkten gibt. Diese geht auf die große Anzahl von Betriebsumstellungen zurück, der eine ebenfalls hohe Anzahl von Rückumstellungen auf konventionellen Anbau gegenüber steht. Diese Unsicherheit kann auch durch die kontinuierlich steigende Nachfrage von Bio-Produkten nicht aufgefangen werden. Bei der Vermarktung ergibt sich die Herausforderung, biologische Produkte konkurrenzfähig mit konventionellen Waren und importierter Bio-Ware zu machen.
Als Empfehlung formuliert die Studie, dass es grundsätzlich eine bessere Verknüpfung zwischen dem ELER und dem Fonds zur Förderung der ländlichen Entwicklung LEADER geben soll. Der LEADER fördert Infrastrukturmaßnahmen in besonders ländlichen Regionen. Dabei wären Maßnahmen wünschenswert, bei denen durch eine stärkere Regionalisierung und Informationen für Verbraucherinnen und Verbrauchern das Vertrauen in direktvermarktete Lebensmittel aus ökologischer Herstellung gestärkt wird. Außerdem wird angeregt, dass eine Studie zu Ursachen der hohen Dynamik bei Ein- und Ausstieg in und aus einer ökologischen Wirtschaftsweise untersucht.
Weiterhin wird geraten, die Förderung für intensive Landwirtschaft abzubauen, um umwelt- und klimapolitische Ziele konsequent zu verfolgen. Dafür müssen gezielt Förderanreize für Agrarinvestitionen gesetzt werden. Bei der Tierhaltung könnte eine Extensivierung durch die stärkere Differenzierung von Förderung nach Tierschutzgesichtspunkten erreicht werden.
Änderungen unter Rot-Grün
2011 gab es einen umfassenden Änderungsantrag, der auf eine Anpassung des laufenden ELER-Programms an die Ziele der aktuellen Landesregierung abstellt. Kernelemente dessen sind:
1. Ausbau des LEADER-Schwerpunktes. Dafür wurde die Kofinanzierung durch EU-Gelder auf 55% erhöht.
2. Umschichtung von Geldern aus uneffektiven Posten, die z.T. nicht abgerufen werden, oder sinnvolle Bündelungen hin zu einem Ausbau der Förderungen, die wirksam sind und Umwelt- und Klimaziele berücksichtigen und umsetzen. Vor allem durch Erhöhung der Kofinanzierung im LEADER ergibt sich insgesamt ein Kofinanzierungssatz von 45%. Das bedeutet rund 11 Mio. Euro an öffentlicher Förderung zusätzlich.
3. Modernisierung landwirtschaftlicher Betriebe. Hier wurde eine Programmanpassung vorgenommen, so dass der Förderschwerpunkt nun kleine und mittlere Betriebe in einem gestuften Verfahren bevorzugt und Anreize zu einem „besonders artgerechten Haltungsverfahren“ (Laufstallhaltung) gibt.
4. Erhöhung der Umstellungsprämie für Betriebe, die auf eine ökologische Wirtschaftsweise wechseln. Weitere Maßnahmen werden neu gestaltet
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Förderung einer vielfältige Fruchtfolge (z.B. mit Körnerleguminosen)
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Erosionsschutz im Ackerbau ist als neue Maßnahme aufgenommen worden
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Ackerextensivierung (Schutz von Feldhamster- und Feldvögelhabitaten)
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Schutz von pflanzengenetischen Ressourcen (Bewahrung alter Obstsorten)
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Erleichterung bei der Verlängerung bereits laufender Agrarumweltmaßnahmen (unter Beibehaltung der ursprünglichen Konditionen)
5. Umwelt- und tiergerechte Haltungsverfahren auf Stroh. Hier wird ein neuer Förderschwerpunkt gebildet.
6. Breitbandförderung in ländlichen Regionen. In diesem Bereich hat es eine Mittelumschichtung gegeben.
Entwicklungen bis April 2013
Nach zögerlichem Anlauf werden die zusätzlichen Mittel inzwischen abgerufen. Entsprechende Zahlen werden derzeit für den nächsten Jahresbericht, der kurz vor Fertigstellung ist, im Land abgerufen. Dabei kann aber nach einer vorläufigen Einschätzung des Fachreferates deutlich werden, „dass sich der Erfolg der eingeleiteten Maßnahmen nicht ganz in dem gewünschten Maße widerspiegelt. Noch gibt es keine Zahlen, aber es werden keine beeindruckenden Steigerungen beim Abruf der Mittel für die Umstellung auf biologischen Landbau oder den Körnerleguminosenzuschlag erwartet. Das liegt an der gegenwärtigen Schwierigkeit, mit den Agrarumweltmaßnahmenprämien gegen eine gute Marktlage, Intensitätsdruck und steigende Pachtpreise kaum konkurrieren zu können“. Zwischenzeitlich nehmen 1.341 Betriebe mit rd. 68.000 Großvieheinheiten (GVE) an der Maßnahme „umwelt- und tiergerechte Haltungsverfahren auf Stroh“ teil.
Außerdem ist 2011 die Breitbandförderung in die EU-Kofinanzierung einbezogen worden mit 3 Millionen Euro EU-Mitteln. Auch hier führt die kontinuierliche Nachfrage aus dem ländlichen Raum Nordrhein-Westfalens derzeit zu Überlegungen, die EU-Förderung für die Förderperiode 2014-2020, voraussichtlich auf noch höherem Niveau, fortzuführen. Beim Schwerpunkt 3 wurde der Kofinanzierungssatz von 25% auf 35% angehoben, bei LEADER von 50% auf 55%. Hierdurch erfolgt eine Entlastung der nationalen Kofinanzierung.
Fazit
Die neue Landesregierung hat das ELER-Programm nach ihren Zielen angepasst und damit die Empfehlungen des Zwischenberichts, der an Umwelt- und Klimaverträglichkeit orientiert war, umgesetzt. Die Änderungen wurden 2011 eingeführt und werden sich im Jahresbericht 2012, der in den nächsten Wochen erscheinen wird erstmals niederschlagen. Eine Vorabeinschätzung des Umweltministeriums lässt moderate Erfolge erwarten. Probleme gibt es weiterhin vor allem beim Abruf von Förderungen im Bereich der ökologischen Landwirtschaft. Dies lässt sich auf Fokussierung auf Intensivierung und marktwirtschaftliche Effizienzsteigerungen innerhalb der EU insgesamt zurückführen. Hier müssen also Möglichkeiten gefunden werden, die Umstellung dennoch attraktiv zu gestalten.
Politische Weichenstellungen sind gut und richtig – bezüglich des ELER hat rot-grün bereits gute Arbeit geleistet. Offensichtlich ist das allerdings nicht genug, um Strukturen zu ändern und den momentanen Widerspruch zwischen Landwirtschaft, Nachhaltigkeit und Umweltschutz aufzulösen. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass sowohl in Deutschland, als auch EU-weit nach wie vor die Kosten für die Umweltschäden nicht einberechnet werden, die durch intensive Landwirtschaft entstehen. Durch die Flächensubventionierung in der 1. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik werden biologische und regionale Produkte von kleineren Betrieben einem unfairen Wettbewerb ausgesetzt. Das muss sich ändern! Sowohl aus Brüssel, als auch von der aktuellen Bundesregierung muss es ein klares Bekenntnis zum Abbau von Subventionen für intensive Landwirtschaft geben!
Verschiedenen Fragen muss sich die Landesregierung stellen:
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Warum wird die Umstellungsprämie auf ökologischen Landbau so schlecht angenommen?
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Was lässt sich tun, um das zu ändern?
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Welche Auswirkungen haben die Maßnahmen auf den Klimaschutz? Gibt es Möglichkeiten der Treibhausgas-Bilanzierung?
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Wie kann das Programm attraktiv für landwirtschaftliche Betriebe gestaltet werden?
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Welcher Maßnahmen bedarf es darüber hinaus, um Rahmenbedingungen zu ändern? Was ist in den Bereichen Bildung, Nachfrageförderung und Beratung zu tun?