Heute wurde im Europaparlament offiziell beschlossen, dass die Abstimmung über Ursula von der Leyen als Kandidatin des Europäischen Rats für die EU-Kommissionsspitze am kommenden Dienstag um 18 Uhr stattfinden wird. Am selben Tag um 9 Uhr wird Ursula von der Leyen ihre Bewerbungsrede im Parlament halten.
Dazu erklärt Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament:
“Nach den Anhörungen in den Fraktionen stehen die Chancen für von der Leyen eher schlechter als besser. Es war ein schlechter Tag für ihre Kandidatur. Ihre Antworten waren größtenteils Ausweichmanöver statt klare Haltungen und Positionen. Wir haben unsere Entscheidung immer von Inhalten abhängig gemacht, diese Inhalte hat von der Leyen nicht geliefert. Von der Leyens Pläne beim Klimaschutz reichen nicht, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Die Europawahl war eine Wahl für mehr Klimaschutz. Zum Thema Rechtsstaatlichkeit hat von der Leyen verstörende Signale gesendet. Weil sie auch die Kandidatin von Ungarn und Polen ist, steht von der Leyen beim Thema Rechtsstaatlichkeit unter besonderer Beobachtung. Bei der Einhaltung rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien darf es keine Kompromisse geben. Die nächste EU-Kommission muss härter, keinesfalls weicher gegen den Bruch europäischer Werte vorgehen. Auch gegen Steuerdumping will von der Leyen nicht mit EU-Mindeststeuersätzen für Großunternehmen vorgehen. Ob Klimaschutz, Rechtsstaatlichkeit oder Steuerpolitik, Von der Leyen bleibt hinter den grundlegenden Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger zurück. Mit ihren unkonkreten Positionen in vielen weiteren Punkten hat sie sich fraktionsübergreifend selbst geschadet. Sie sollte nun tunlichst vermeiden, eine Mehrheit mit den Stimmen der Rechtspopulisten im Parlament zu bilden. Lässt sich von der Leyen von Europafeinden ins Amt tragen, wäre das ein katastrophales Signal. Einige Rechtspopulisten könnten von der Leyen wählen, um damit gleichzeitig das Spitzenkandidatenprinzip zu begraben. Die Äußerungen der rechtspopulistischen Fraktionen in der Konferenz der Präsidenten waren alarmierend.
Sollte von der Leyen am Dienstag im Parlament scheitern, braucht es einen Plan B. Es bleibt das Geheimnis des Europäischen Rats, warum er Vestager nicht in Erwägung gezogen hat. Bekommt von der Leyen keine Mehrheit, sollten die Fraktionen versuchen, eine Mehrheit für eine andere Person auf einer inhaltlichen Basis zu bilden. Das wäre gelebte europäische Demokratie. Es ist kein Beinbruch, wenn die Kommissionsspitze erst im September besetzt wird. Eine Kommssionschefin mit wackliger Mehrheit wäre das größere Risiko für Europa. Zwei oder drei Monate mehr sollte uns die Demokratie wert sein. Auch José Manuel Barroso wurde 2009 erst im September vom Parlament zum Kommissionspräsidenten gewählt.”
Bild-Quelle: VdL_Weissbuch BMVg