Die Landesarbeitsgemeinschaften der GRÜNEN zwischen Rhein, Ruhr und Weser haben sich im ersten NRW-TTIP-Konvent mit den Auswirkungen der Europäischen Handelspolitik auf unsere Demokratie beschäftigt. Der Landesvorstand hat die Debatten des Konvents ausgewertet und stellt fest:
- Die Verhandlungen zu einer ganzen Serie von Handelsverträgen laufen hinter verschlossenen Türen ab. Die Verhandlungsmandate sind geheim, wie auch die wichtigsten Verhandlungspapiere und Verhandlungsstände. Die Verhandlungen werden von der EU-Kommission geführt. Sie lässt sich dabei vor allem von Vertreter*innen von Großunternehmen und ihren Verbänden beraten, während mittelständische Unternehmen, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft wenig Gehör finden.
- Es besteht die Befürchtung, dass die neuen Verträge die Möglichkeit der Europäischen Demokratie, Standards für Produkte und Dienstleistungen selbst zu setzen und vor allem zu verändern beschränken könnten. Neue Standards sollen, bevor sie demokratisch reformiert werden können, von einem fragwürdigen Rat für regulatorische Zusammenarbeit einer „Handelsverträglichkeitsprüfung“ unterzogen werden.
- In TTIP, dem Abkommen über internationalen Dienstleistungshandel (TISA), dem EU-Kanada-Abkommen (CETA) und anderen geplanten europäischen Handelsabkommen könnten Staaten, Bundesländern und Kommunen Rechte der kommunalen Daseinsvorsorge beschnitten werden. Es besteht die Befürchtung, dass neue Angebotsbereiche der öffentlichen Daseinsvorsoge nicht mehr möglich sind und bestehende Angebote zu Ausnahmen von der Liberalisierung erklärt werden. Ökologische, entwicklungsfördernde und vor allem soziale Standards bei öffentlichen Ausschreibungen könnten beschränkt werden. Förderungen, etwa für kulturelle Angebote, könnten zum Handelshemmnis erklärt werden und damit die kulturelle Vielfalt gefährden.
- Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika versuchen über TTIP Standards und Regeln zu setzen, die danach Ausstrahlungswirkung auf den globalen Handel entfalten sollen. Damit wird die multilaterale Handelsordnung in der WTO umgangen und geschwächt. Entwicklungs- und Schwellenländer sind nicht am Verhandlungstisch, obwohl sie von den Entscheidungen betroffen sind. Das ist nicht nur undemokratisch, sondern macht wahrscheinlich, dass die Ärmsten mit ihren Interessen nicht berücksichtigt werden.
- Die Pläne zum Investitionsschutz in TTIP und CETA stellen unsere Wirtschaftsordnung der sozialen Marktwirtschaft grundlegend in Frage. Demokratische Staaten müssen danach ihre ordnungspolitische Entscheidungen unter Schadensersatzvorbehalt stellen. Milliardenschwere Schadensersatzklagen durch multinationale Konzerne drohen, wenn soziale, ökologische oder verbraucherfreundliche neue Regeln die Gewinne ausländischer Investitionen schmälern.
Diese demokratischen Einschränkungen werden in Kauf genommen, obwohl die erwarteten Wachstumseffekte selbst nach optimistischen Schätzungen max. 0,5% der Wirtschaftsleistung betragen.
Wir NRW-GRÜNEN fordern daher, dass die Verhandlung zu TTIP und TISA gestoppt und auf der Basis eines neuen Verhandlungsmandats neu gestartet werden. Die Diskussion und Beschlussfassung über neue internationale Verhandlungsmandate der EU-Kommission müssen selbst transparent und offen erfolgen.
Die Verhandlungen zu CETA sind leider bereits abgeschlossen. Nach dem öffentlich gewordenen Verhandlungstext sind negative Folgen für die kommunale Daseinsvorsorge zu befürchten. Zudem sind die unakzeptablen und zwischen Industrieländern gänzlich unnötigen Investor-Staatsklagen im Vertrag verankert. Sollten sich diese Befürchtungen bestätigen, ist für uns GRÜNE das Abkommen nicht zustimmungsfähig.
Die GRÜNEN NRW werden auch nach der Europawahlkampagne zur europäischen Handelspolitik aktiv bleiben, denn sie betrifft direkt unsere Demokratie in Europa, in NRW und in den Kommunen. Zudem muss eine sachliche Auseinandersetzung zu diesem Thema weiter vorangetrieben werden. Denn die Bundesregierung nimmt die Sorgen in der Bevölkerung nicht ernst – das zeigt das vehemente Eintreten von Sigmar Gabriel für das Abkommen. Daher unterstützen wir als Landesverband die Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP, die ab September Unterschriften sammelt. Was wir benötigen ist ein faires Abkommen, das Sozial-, Umwelt-, Verbraucher-, Datenschutz- und Gesundheitsstandards auf beiden Seiten des Atlantiks stärkt.
Wir werden gemeinsam mit unseren Kreis- und Ortsverbänden aktiv zu den Missständen in den Abkommen informieren und die Europäische Bürgerinitiative unterstützen. Dazu bietet sich an:
- vor Ort Unterschriften zur Europäischen Bürgerinitiative zu sammeln
- den Europaweiten Aktionstag zur Europäischen Handelspolitik am 11. Oktober 2014 mit eigenen Aktionen vor Ort zu unterstützen
- auf kritische Beschlüsse in den Kommunalparlamenten hinzuarbeiten.