Beim letzten EU-Gipfel hatten die Staats- und Regierungschefs auf französische Initiative ein kurzfristiges Paket für Wachstum und Beschäftigung in Höhe von 120 Mrd. EUR beschlossen. Das Paket soll ein Gegengewicht zur Austeritätspolitik bilden. Es besteht aus einer Kapitalerhöhung für die Europäische Investitionsbank (EIB) in Höhe von 10 Mrd. Euro, die über Multiplikatoreneffekte 60 Mrd. EUR in der ganzen EU mobilisieren sollen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass in den Krisenländern überhaupt ausreichend EIB-Projekte zu finden sind. 4,5 Mrd. Euro sollen durch die neuen EU-Projektbonds vom Privatsektor aufgebracht werden. Zusätzlich sollen 55 Mrd. Euro an weiteren Geldern aus den EU-Strukturfonds in 2013 bereitgestellt werden, wie es ohnehin im Rahmen der Struktur- und Kohäsionspolitik geplant war. Damit bestehen lediglich 10 Mrd. aus frischem Geld, wieso das ganze Wachstumspaket oft als „Mogelpackung“ kritisiert wurde. Am 24. Juli beschloss nun der Rat für Allgemeine Angelegenheiten in seinem gemeinsamen Standpunkt zum EU-Haushalt 2013, die Zahlungsverpflichtungen für 2013 lediglich um 2,79 % anzuheben. Damit bleibt der Rat um 4,01 % hinter den Forderungen der EU-Kommission von 6,8 % zurück. Diese 6,8 % sind jedoch notwendig, um die bereits beschlossenen Maßnahmen der Struktur- und Kohäsionspolitik bezahlen zu können. Der Kommission geht es nicht um die Erhöhung des Haushalts, sondern um die Finanzierung beschlossener Programme. (1)
Zu diesen Vorgängen erklärt Sven Giegold, Finanz- und Wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament:
„Das ist ein Stück aus Absurdistan. Mit großem Medienwirbel verkündet der Rat ein europäisches Programm für Wachstum und Beschäftigung. Wenige Wochen später kassiert er es wieder. Enthielt schon das ursprüngliche Programm kaum zusätzliches Geld, so sollen nun die EU-Ausgaben sogar gekürzt werden. Es steht zu befürchten, dass damit auch in Deutschland Projekte der Struktur- und Kohäsionspolitik nicht durchgeführt werden können. Verlässliche Politik im Angesicht der Finanzkrise sieht anders aus. Zudem ist die Struktur- und Kohäsionspolitik makroökonomisch der einzige grenzüberschreitende automatische Stabilisator. Davon braucht gerade die Eurozone zur Verminderung von makroökonomischen Schocks und Ungleichgewichten mehr und nicht weniger.
Drei Staaten war selbst die doppelte Mogelpackung noch nicht genug an Widersprüchlichkeit. Schweden, die Niederlande und Großbritannien stimmten gegen den Vorschlag, weil sie weitere Kürzungen durchsetzen wollen.
Leider hat sich die Bundesregierung im Rat die unzureichende Erhöhung der Zahlungen für 2013 mitgetragen. Nun ist es am EU-Parlament, in den Budget-Verhandlungen höhere Zahlungsverpflichtungen durchzusetzen.“
(1) Vgl. dazu die Stellungnahme von Kommissar Janusz Lewandowski vom 12.07.2012
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