Manchmal passieren wirklich wichtige Dinge unbemerkt. In den letzten Jahren sind nationale Parlamente und die europäischen Institutionen immer mehr zu ausführenden Organen globaler Finanzinstitutionen geworden. Die zentralen Reformen für den Bankensektor wurden im Baseler Ausschuss der Zentralbanken verhandelt. Auch in den Finanzmarktreformen wurden die zentralen Achsen im Financial Stability Board im Auftrag der G-20 verhandelt. Die jüngsten Fortschritte gegen das Steuerdumping internationaler Konzerne wurden im Auftrag der G-20 durch die OECD ausgearbeitet.
Zwar werden die Ergebnisse globaler Institutionen immer noch in europäische bzw. nationale Gesetzgebung überführt. Doch faktisch kann von den globalen Standards nur noch wenig abgewichen werden. Denn schärfere Standards sind regelmäßig als Nachteile im globalen Wettbewerb verhetzbar, selbst wenn diese Nachteile oft nicht zutreffen.
Auch der demokratische Einfluss des Europaparlaments ist damit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik stark eingeschränkt. Doch nun wehren wir uns. Unter Federführung der liberalen Abgeordneten Sylvie Goulard haben wir mit Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen gemeinsam einen Bericht abgestimmt, in dem das Europaparlament seine Rechte einfordert. Im Beschluss sind viele Grüne Änderungsanträge enthalten, die ich als Grüner Schattenberichterstatter verhandelt habe.
In dem Entschluss, der noch im Plenum des Europaparlaments bestätigt werden muss, unterstützen wir die Globalisierung von Standards gerade im Bereich der Finanzmärkte. Wir fordern jedoch, dass die globalen Institutionen selbst demokratisch, transparent, rechenschaftspflichtig und integer sein müssen. Zudem fordern wir von der Europäischen Kommission, das Europaparlament umfassend und auch vorab zu informieren, welche Positionen sie in den Institutionen einnimmt.
Es ist bezeichnend, dass der Bericht mit einer breiten proeuropäischen Mehrheit abgestimmt wurde. Die Rechtskonservativen (samt AfD) und leider auch die Abgeordneten der Linksfraktion haben den Bericht abgelehnt, weil die Vorschläge zu weit in die nationale Souveränität eingreifen würden. Gerade im Bereich der Finanzmärkte und der Bekämpfung der Steuerflucht ist das einfach lächerlich. Die Großunternehmen spielen die Staaten gegeneinander aus. Wir brauchen demokratische Kontrolle über die Globalisierung und dazu ist unser Bericht ein klarer Schritt nach vorne.
Im einzelnen will unser Ausschuss:
- Europa soll in internationalen Institutionen mit einer Stimme sprechen. Das gilt besonders für die Eurozone;
- Standards für Transparenz, Integrität und Rechenschaftspflicht für alle internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen;
- verbindliche Lobbyistenregister für diese Organisationen;
- aktive und gleichmäßige Einbeziehung von Verbraucherorganisationen, Gewerkschaften und Organisationen kleiner und mittlerer Unternehmen;
- Dokumentenzugang für die Bürgerinnen und Bürger zu den internationalen Institutionen;
- für die Transparenz, Integrität und Rechenschaftspflicht der EU-Beteiligung in internationalen Institutionen soll es einen Verhaltenskodex unter starker Einbeziehung der Europaparlaments geben;
- Einrichtung eines “Finanz-Dialogs”, in dem sich die EU-Vertreter bei internationalen Finanzinstitutionen vor dem Europaparlament verantworten müssen. Dieser Dialog soll durch ein interinstitutionelles Abkommen zwischen dem Europaparlament und der EU-Kommission;
- im Rahmen der G-20 müssen die Positionen der EU zwischen Themen wie Beschäftigung, Energie, Handel, Entwicklungspolitik und Korruptionsbekämpfung abgeglichen werden;
- eine Initiative zur Einrichtung einer globalen Finanzinstitution ähnlich wie der WTO auf der Basis eines multilateralen Vertrags.
Den im ECON-Ausschuss abgestimmten Bericht sehen Sie hier: https://sven-giegold.de/report_voted_econ_a8-0027_2016_en/
Der Bericht muss noch vom Plenum des Europaparlaments bestätigt werden.