Sven Giegold

AfD und FDP trommeln gemeinsam gegen nachhaltige Finanzprodukte

Liebe Freundinnen und Freunde,
Liebe Interessierte,

es ist schon skurril. Während im Europaparlament konstruktiv und parteiübergreifend an starken europäischen Regeln für grüne Finanzmärkte gearbeitet will, wollen AfD und FDP diese Bemühungen über den Bundestag zu Fall bringen. Beide lehnen die zur Zeit auf EU-Ebene entstehenden Regeln für nachhaltige Finanzmärkte ab. Dazu haben ihre Fraktionen im Bundestag Anträge eingereicht mit dem Auftrag an die Bundesregierung, sich gegen die geplante Klassifizierung nachhaltiger Geldanlagen zu positionieren. Diese Klassifizierung, auch Taxonomie genannt, soll ausbuchstabieren, welche wirtschaftlichen Aktivitäten sich europaweit “nachhaltig” nennen können und damit in einem “nachhaltigen Finanzprodukt” stecken dürfen. Damit wollen wir über die EU für einheitliche Begriffe und Definitionen sorgen und Greenwashing eindämmen. Diese Leitplanken für die Finanzmärkte können die EU zum Leitmarkt für nachhaltige Geldanlagen machen. Die Agenda für nachhaltige Finanzmärkte ist eine riesige Entwicklungschance für Europa und kann die Wende hin zu einer langfristig nachhaltigen Wirtschaftsweise unterstützen. Die einheitliche Klassifizierung ist das Kernstück für nachhaltige Finanzmärkte und die Basis für ein geplantes Verbrauchersiegel für nachhaltige Finanzprodukte und einen europäischen Standard für grüne Anleihen. Zunächst wird eine Klassifizierung für klima- und umweltbezogene Geldanlagen geschaffen, die später auf die Bereiche der sozialen Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeit in Bezug auf Unternehmensführung erweitert werden soll.

Mit ihren Anträgen zeigen beide Fraktionen gleichermaßen, dass sie die Zeichen der Zeit nicht verstanden haben. Sowohl Finanzwirtschaft als auch Aufsicht nehmen Klima- und Umweltrisiken für die Finanzstabilität inzwischen ernst. Viele Akteure aus Finanzwirtschaft, Umweltverbänden und Aufseher arbeiten auf EU-Ebene gemeinsam an der Berücksichtigung von Umweltrisiken im Finanzsektor. Das scheint bei FDP und AfD noch nicht angekommen zu sein. Angeblich seien die Regeln für nachhaltige Finanzmärkte marktverzerrend und stellten einen Eingriff in Freiheit und Wettbewerb dar. Mit dieser ideologischen Sicht ignorieren AfD und FDP die vielfältigen wissenschaftlichen Befunde zu Marktversagen im Bereich der Gemeingüter.

Die Aussagen der beiden Fraktionen sind bezeichnend angesichts von Finanzmärkten, die heute zunehmend großen Risiken ausgesetzt sind, weil sie Klima- und Umweltrisiken nach wie vor nicht ausreichend einpreisen. Die FDP als Verfechterin der Marktwirtschaft setzt sich ein für eine Verlängerung des Marktversagens bei der Unterschätzung von Umweltrisiken. Nachhaltigkeitstransparenz würde Finanzmärkten erlauben, ihre Funktion der “korrekten Bepreisung von Risiken”, wie von der FDP angeführt, wirklich zu erfüllen. Abrupte Wertverluste beispielsweise von CO2-intensiven Vermögenswerten, die wegen des Klimawandels nicht mehr verwertbar sind, können die Finanzwirtschaft in neue Krisen stürzen.

Im Gegensatz zur FDP stehen große Teile der Finanzwirtschaft wie Versicherer, Banken und Vermögensverwalter hinter Forderungen nach Nachhaltigkeitstransparenz und einheitlichen Definitionen. Sie arbeiten aktiv in Expertengremien der EU zur Begründung des Finanzsektors mit. Auch die Liberalen im Europäischen Parlament arbeiten konstruktiv mit. Nur durch Transparenz können Anlegerinnen Risiken richtig einschätzen und freie und informierte Entscheidungen treffen. Die Forderung der FDP, einfach “bestehendes Marktwissen” zu nutzen, hilft nicht weiter, wenn die Informationen nicht verfügbar und einfach zugänglich sind. Das Marktverständnis à la FDP hat uns schon in die letzte Krise geführt. Transparenz über Nachhaltigkeitsrisiken stärkt auch den Wettbewerb. Endlich wird sichtbar, welche Akteure ihre Erfolge auf Kosten von Mensch und Umwelt einfahren und sich damit nicht in einem fairen Wettbewerb befinden. Der Widerstand der AfD gegen nachhaltige Finanzmärkte kommt wenig überraschend, denn gegen den Klimawandel will die AfD ohnehin nichts unternehmen.

Auch wenn die Bundesregierung die EU-Taxonomie grundsätzlich befürwortet, so hat sie sich in den Verhandlungen im Ministerrat nicht sonderlich mit Ruhm bekleckert. Während das Engagement gegen Atomkraft in nachhaltigen Finanzprodukten zu begrüßen ist, haben die deutschen Vertreterinnen sich gegen eine verbindlich anzuwendende Klassifizierung eingesetzt. Lediglich unverbindliche Leitlinien machen Europa aber nicht zum Vorreiter für nachhaltige Finanzmärkte. In den aktuell laufenden Verhandlungen zwischen Ministerrat und Europäischem Parlament müssen sich die Verhandler auf einen guten Kompromiss einigen. Nur gemeinsam können wir in Europa Greenwashing eindämmen und Marktakteurinnen baldmöglichst eine gemeinsame Sprache für nachhaltige Geldanlagen geben. Bei der Weiterentwicklung grüner Finanzmärkte wollen wir uns dafür einsetzen, dass die neuen Regeln von der grünen Nische auf alle Akteure des Finanzsektors ausgeweitet werden, ohne kleinere Unternehmen mit bürokratischen Pflichten zu überfordern.

Mit grünen europäischen Grüßen,
Sven Giegold

Link zum Antrag der AfD: https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2019/11/20191104-Antrag-AfD-Nachhaltige-Finanzen-1914684.pdf

Link zum Antrag der FDP: https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2019/11/20191104-Antrag-FDP-Nachhaltige-Finanzen-1914785.pdf