Heute hat das Europäische Parlament über eine Entschließung und eine mündliche Anfrage über Vorschläge zur Nachschärfung des aufsichtsrechtlichen Rahmens für Banken abgestimmt (das heißt die Finalisierung von Basel III, das sogenannte Basel IV Paket). Die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht BCBS vorgelegten Vorschläge sollen die Nutzung bankinterner Kreditrisikomodelle einschränken und die Kapitalanforderungen für operationelle und Marktrisiken erhöhen. Das Europäische Parlament hat jedoch heute eine Entschließung verabschiedet, die jedliche Anhebung der Eigenkapitalanforderungen für die Zukunft ablehnt. Im Gegenteil, die Entschließung äußert Bedenken, dass höhere Kapitalanforderungen die Kreditversorgung und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Finanzinstitute gefährden könnten. Die Entschließung wurde von einer großen Mehrheit aus Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Euroskeptikern unterstützt. Grüne und Linke stimmten dagegen. Erst gestern hatte die Europäische Kommission ihre Vorschläge zur Überarbeitung der europäischen Bankenregeln (CRR, CRD, BRRD und SRMR) verabschiedet.
Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, kommentiert:
“Diese Entschließung beweist, dass der Wind scharfer Finanzmarktregulierung gedreht hat. Knapp ein Jahrzehnt nach Ausbruch der Krise hat die Finanzbranche das Gespenst der Überregulierung erfolgreich in die Köpfe der Politiker zurückgebracht. Das ist erschreckend, denn das Finanzsystem ist weiterhin übermäßig komplex und einige große Banken sind noch immer unterkapitalisiert. Der wachsende Schattenbankensektor und das too-big-to-fail Problem wurden bislang nicht ernsthaft angegangen. Die Verschärfung der Kapitalanforderungen für die schwächsten und risikoträchtigsten Marktteilnehmer wäre deshalb angemessen.
Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht wird zurecht für sein demokratisches Defizit kritisiert. Es ist auch völlig angemessen, die Positionen von EU-Kommission, EZB und Europäischer Bankenaufsichtsbehörde zu kontrollieren. Ebenso ist es legitim, dass Europa sein Bankenmodell gegen eine unfaire Behandlung durch die international entwickelten Basel-Regeln verteidigt. Allerdings ist es ein schwerer Fehler, sich auf die Seite der Bankenlobby zu schlagen und zusätzliche Kapitalanforderungen rundweg abzulehnen. Ganz im Gegenteil, systemrelevante Banken mit gerade einmal 3% Leverage Ratio sind eine ernsthafte Bedrohung für die Finanzstabilität Europas und seiner Steuerzahler.
Von “Überregulierung” kann man lediglich bei den Meldeanforderungen und den übertrieben komplizierten Regulierungen sprechen, die gerade für viele kleinere Banken mit einfachen Geschäftsmodellen zu einer unangemessenen bürokratischen Belastung geführt haben. Wir sind deshalb stolz, dass zumindest unsere Idee einer ‘small banking box’ Eingang in die Entschließung des Europäischen Parlaments gefunden hat. Eine für alle Banken geltende Einheitslösung mit komplexen Aufsichtsregeln trifft kleine Banken unverhältnismäßig und schwächt fairen Wettbewerb, indem sie die Vorherrschaft einer Handvoll großer etablierter Institute zementiert. In den anstehenden Verhandlungen mit dem Rat werden wir für spürbare Vereinfachungen für kleine Banken kämpfen, aber auf strenge Regeln für systemrelevante Institute pochen.”
Der Entwurf der Entschließung des Europäischen Parlaments findet sich hier:
Die Änderungsanträge der Mitglieder des Wirtschafts- und Währungsausschusses (ECON), die die unterschiedlichen Sichtweisen widerspiegelt, finden sich hier:
https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2016/11/1108261EN.docx
Der heute im Plenum zur Abstimmung gebrachte Text findet sich hier: https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2016/11/Basel-III-resolution.docx
Die Rede von William Coen, Generalsekretär des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, vom 12. Oktober 2016 im ECON Ausschuss findet sich hier: