Sven Giegold

Griechenland: Bundesregierung darf keine neuen Rentenkürzungen fordern

In den Vereinbarungen zwischen der griechischen Regierung und den Geldgebern vom 12. Juli 2015 spielt die Rentenreform eine wichtige Rolle. Die Renten sind das zentrale Element des unvollständigen griechischen Sozialstaats. Hinter den Kulissen wird nun heftig um neue Rentenkürzungen gerungen. Zentrale Maßnahmen sind Sanierungsanstrengungen von 0,25% des griechischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2015, sowie 1% des BIP im Jahr 2016. Die griechische Regierung hat seinen Geldgebern jetzt einen Reformentwurf vorgelegt. Sie will eine weitere Rentenkürzung vermeiden und die Defizite der Rentenkassen durch Beitragserhöhungen vermindern. Der Internationale Währungsfonds (IWF) verlangt 700 Millionen Euro an neuen Rentenkürzungen. Die griechische Regierung hat ihre Reformzusagen in bisher unbekannter Ausführlichkeit abgearbeitet, obwohl die Syriza-Regierung im Parlament nur über eine knappe Mehrheit von 153 von 300 Abgeordneten verfügt. Das belegt die aktuelle Überwachung der Reformmaßnahmen durch die EU-Kommission.

Die Forderungen zu neuen den Rentenkürzungen kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:

“Die Forderungen nach neuen Rentenkürzungen sind sozial unverantwortlich und ökonomisch nicht zielführend. Die griechische Wirtschaft ist bereits erneut eingebrochen. Griechenland und die Geldgeber haben ein überragendes Interesse an einer handlungsfähigen Regierung in Griechenland. Das Land braucht jetzt gerechte Reformen sowie nachhaltige Investitionen und keine neuen Regierungskrisen. Die Renten sind bereits elfmal hart gesenkt worden. Eine weitere Rentenkürzung ist weder gerecht noch vermittelbar. Der Vorschlag der griechischen Regierung, sich auf notwendige Strukturreformen im Rentensystem zu konzentrieren und einen Teil der vereinbarten Sanierungsleistungen durch mäßige Beitragssatzerhöhungen zu erbringen, ist akzeptabel und findet auch die Zustimmung der Sozialpartner. Die Geldgeber sind gut beraten, die Arbeit an den Reformen zu unterstützen, statt zu neuen Krisen beizutragen.

Ich erwarte von der deutschen Bundesregierung und der EU-Kommission, die griechische Regierung eindeutig zu unterstützen und sich von Forderungen nach neuen Rentenkürzungen zu distanzieren. Die Bundesregierung muss sich vom Kurs der aggressiven Sparpolitik verabschieden. Christdemokraten und Sozialdemokraten stehen hier gemeinsam in der Verantwortung, aus den Fehlern der Austeritätspolitik zu lernen.

Die vom IWF geforderte Rentenkürzung von 700 Millionen jährlich ist indiskutabel, denn die negativen Auswirkungen der Sparpolitik erhielten dadurch weiteren Schub. Weitere Kürzungen bei den Renten würden die wirtschaftliche und soziale Schieflage in Griechenland noch mehr verschärfen. Es ist kann nicht der Job der EU sein, die Krise in Griechenland weiter zu befeuern. Eine soziale Grundsicherung fehlt weiterhin in Griechenland. Deshalb würde die vom IWF ins Spiel gebrachte zusätzliche Kürzung für tausende Rentenbezieher und die mit ihnen verbundenen Familien einen sozialen Absturz bedeuten. Die übrigen EU-Mitgliedsstaaten müssen der Regierung in Athen Zeit und Raum geben und sie erst einmal arbeiten lassen. Ihre Mehrheit im Parlament ist hauchdünn. Solche weiteren Austeritätsschritte bringen die Regierung ins Wanken und verzögern weitere Reformen. Das kann Griechenland nicht brauchen und es ist auch nicht im Interesse einer EU, die gerade mit mehreren Krisen kämpft.“

Die zentralen Punkte des Vorschlags der griechischen Regierung für eine Rentenreform (“Non-Paper”) finden Sie hier: https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2016/01/AMENDED-NON-PAPER-ON-THE-PENSION-REFORM.pdf

Ein Hintergrundpapier zum gleichen Thema finden Sie hier: https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2016/01/Greek-pension-system-new-social-contract.pdf

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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