Sehr geehrte Damen und Herren,
danke, dass Sie Ihre Bedenken bezüglich der EU-Urheberrechtsrichtlinie und insbesondere Ihre Bedenken bezüglich der in Artikel 11 (die „Leistungsrecht“) und Artikel 13 („Zensurmaschinen“) vorgeschlagenen Maßnahmen mitgeteilt haben. Heute habe ich mit meiner Fraktion der Grünen/EFA gegen das Verhandlungsmandat zum Leistungsschutzrecht gestimmt. Und wir hatten Erfolg! 318 Abgeordnete stimmten gegen, nur 278 Abgeordnete für das Verhandlungsmandat. Vor allem viele Sozialdemokraten, Liberale, Grüne und Linke stimmten heute gegen das Mandat, die Christdemokraten in überwiegender Mehrheit dafür. Damit geht das Verhandlungsmandat in die zweite Runde und wird im September abermals auf die Agenda des Plenums gesetzt. Das ist eine schwere Niederlage für Berichterstatter Axel Voss (CDU/EPP, Bonn). Wir Grünen haben damit mit vielen anderen Kritikerinnen und Kritikern die Chance, das Mandat zu verbessern!
Das Urheberrecht regelt einen schwierigen Interessenausgleich: Die Rechte von Autoren, Künstlerinnen und Verlagen auf der einen Seite und die Rechte von Nutzern und Kreativen auf der anderen Seite. Die Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt ist von großer Bedeutung für Bürgerrechte und fairen Wettbewerb in der Digitalisierung. Es ist richtig, Verlage, Künstlerinnen und Künstler sowie andere Rechteinhaber besser gegen digitale Ausbeutung zu schützen. Es ist inakzeptabel, dass etwa Google, Facebook und Youtube Milliarden an Werbeeinnahmen erzielen, sich aber weigern, die Erschaffer kreativer Inhalte wie Musik, Zeitungsartikel, Filme usw. angemessen zu bezahlen.
Trotzdem geht hier das Verhandlungsmandat unter Federführung von Axel Voss (CDU/EPP, Bonn) an entscheidenden Stellen zu weit. Der Text führt neue Verpflichtungen ein, die in der Praxis nicht umsetzbar sind, keinen fairen Wettbewerb herstellen und Grundrechte übermäßig einschränken.
Wir sind gegen die Einführung eines Leistungsrechts für Presseverleger (Art. 11) und unterstützen stattdessen den von der estnischen Ratspräsidentschaft im August 2017 vorgelegten Kompromissvorschlag für eine gesetzliche Vermutungsregel für Presseverlage. Vor allem ergibt es keinen Sinn, Presseverlegern das Recht einzuräumen, mit marktbeherrschenden Plattformen Vergütungen auszuhandeln. Wenn etwa Inhalte aus Newsseiten von Zeitungsverlagen auf Google News zusammengestellt werden, so ist verständlich, dass die Zeitungsverlage dafür vergütet werden wollen. Aber darauf mit einem Recht auf Aushandlung von Vergütungen zu reagieren, wird zu nichts führen. Google ist so dominant, dass die Newsseiten faktisch gezwungen sind, auch ohne Vergütung gelistet zu werden. So hat schon die Einführung eines ähnlichen Leistungsschutzrechts in Deutschland und Spanien zu vergütungsfreien Verhandlungsergebnissen zwischen Google und den Betreibern der News-Seiten geführt. Gleichzeitig behindert das neue Leistungsschutzrecht das Entstehen neuer Anbieter, die in Konkurrenz mit Google News oder anderen Plattformen treten könnten. So wird die Dominanz von Google & Co. letztlich gestärkt, ohne den Rechteinhabern wirklich zu nützen. Wir brauchen dringend eine Europäische Regulierungsbehörde, die marktdominante Plattformen reguliert und auch faire Vergütungen für Verleger, Künstler*innen usw. durchsetzt. Das von Axel Voss vorgeschlagene Leistungsschutzrecht wird jedoch wenig helfen, aber großen Schaden anrichten. Es ist gut und richtig, dass es nun überarbeitet werden muss.
Zudem lehnen wir den Einsatz von Filtertechnologie im Internet ab. Das Risiko für Meinungs- und Kunstfreiheit aber auch für weitergehenden Missbrauch ist enorm, wenn automatisch Inhalte kontrolliert und die Veröffentlichung verhindert wird. Der Begriff “Uploadfilter” kommt in Artikel 13 nicht direkt vor. Doch ist die einzig logische Konsequenz aus der enthaltenen Aufforderung zu technischen Schutzmaßnahmen der Einsatz von Filtertechnologie, um entsprechende Inhalte zu kontrollieren. Nur so können sich Unternehmen und Plattformanbieter dann selbst zu schützen. Selbst der Koalitionsvertrag der großen Koalition in Deutschland spricht sich eindeutig gegen verbindliche Uploadfilter aus. Die Gefahr besteht, dass wegen Unsicherheiten über Haftungsfragen viele Inhalte aus dem Internet verschwinden werden, selbst wenn sie völlig rechtmäßig sind. Das wäre ein Bärendienst an einem offenen Internet und freier Meinungsäußerung im Netz.
Wir stimmen Ihnen zu, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen eine Gefahr für die Grundfreiheiten und das Internet insgesamt darstellen. Unsere Fraktionsposition spiegelt Ihre Bedenken wider, und wir werden uns weiterhin für Ihre Forderungen einsetzen.
Ein besserer Text des Parlaments ist erforderlich, um die Interessen der Künstler/innen und Verlage, BürgerInnen, innovativer Internet-Unternehmen und NutzerInnen besser in Einklang zu bringen. Nach dieser erfolgreichen Abstimmung ist ein besserer Text auch möglich und dazu haben Sie auch beigetragen!
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Mit Dank für Ihr Interesse und Engagement und grünen europäischen Grüßen
Sven Giegold