Heute hat der Kleine Parteitag (LPR) einen deutlichen Antrag zum Zustand des Haushalts des Landes Nordrhein-Westfalen beschlossen. Erarbeitet wurde der Text gemeinsam von der Landesarbeitsgemeinschaft Finanzen, dem Landesvorstand und der Landtagsfraktion. In den letzten Monaten habe ich auch einige Energie investiert.
Der Antrag beschreibt in deutlichen Worten Zustand und schlechte Perspektiven des Haushalts. Gleichzeitig beziehen wir Position für finanzielle Nachhaltigkeit, die die Ausgaben des Staates nicht über Verschuldung sondern gerechte Steuern finanziert. Um dieses Ziel auch in NRW zu erreichen, braucht es Mehreinnahmen – für die nur Änderungen auf Bundesebene im Steuerrecht sorgen können – und Effizienzsteigerungen und Einsparungen bei den Landesausgaben.
Dazu formuliert der Antrag an Partei, Landtagsfraktion und Landesregierung eine ganze Reihe auf Wünschen und Prüfaufträgen.
Nun ist wichtig, bei all dem am Ball zu bleiben und auch von Seiten der Landespartei weitere Taten folgen zu lassen. Dann können wir den Anspruch einlösen, den der Antrag formuliert:
„Wir werden eine zukunftsfähige, generationengerechte und transparente Finanzpolitik zum Markenzeichen grüner Politik machen.“
Hier gibt es den Beschluss zum Nachlesen:
Grüne Haushalts- und Finanzpolitik für NRW: zukunftsfähig, generationengerecht und transparent
Die Haushalts- und Finanzpolitik bewegt die Bürgerinnen und Bürger mehr denn je: Verschärft durch die weltweite Banken- und Finanzkrise und die sich daraus ergebenden Folgewirkungen, zum Beispiel für die Verschuldung zahlreicher Staaten, steht die Haushalts- und Finanzpolitik im Fokus der öffentlichen Diskussion.
Die Verschuldungskrise innerhalb Europas wird mittelfristig massive Auswirkungen auch auf die Haushalte in Deutschland haben – sowohl im Bund wie auch in den Ländern und den Kommunen.
Auch die jahrzehntelange schuldenfinanzierte Politik steht für eine nicht nachhaltige Haushaltspolitik. Ohne steigende Steuereinnahmen und anhaltendes Wirtschaftswachstum sind viele öffentliche Ausgaben nicht zu finanzieren. Dabei wissen wir, dass der heutige Wachstumsbegriff aufgrund endlicher Ressourcen nicht zukunftsfähig ist und nicht zuletzt in Zeiten einer langfristig schrumpfenden Bevölkerung nicht mehr trägt. Die Finanzpolitik in einer nachhaltig lebenden Gesellschaft muss sich darauf einstellen und neben den ökologischen und sozialen Folgekosten auch die finanziellen reduzieren.
Außerdem bedeuten Schulden ein immer höheres Maß an Abhängigkeit gegenüber den Akteuren auf den Finanzmärkten, was zur Aushöhlung demokratischer Prinzipien führt. Die enorme Schuldenlast ist allerorten zu spüren und die gewählten politischen Repräsentant*innen haben kaum Gestaltungsspielräume. Nicht zuletzt deshalb ist eine solide und nachhaltige Haushalts- und Finanzpolitik unser Anliegen.
In NRW ist die Haushalts- und Finanzpolitik eines der dominierenden landespolitischen Themen. Die Höhe der jährlichen Neuverschuldung ermöglicht derzeit nur während guter Konjunktur und hoher Steuereinnahmen einen verfassungsgemäßen Landeshaushalt. Wachsende Pensionsverpflichtungen, Folgekosten der Rettung der WestLB und erhebliche Zinsrisiken verschärfen in den nächsten Jahren die Finanzlage des Landes. Die Zahl der Versorgungsempfänger*innen steigt von 165.500 Personen 2010 mit einem Kostenaufwand von 5,2 Milliarden EUR auf einen Stand von etwa 230.000 Personen im Jahre 2027 mit einem Kostenaufwand von 6,8 Milliarden EUR (in Preisen von 2011). Allein die Einzahlungen in den Versorgungsfonds steigen jährlich um etwa 100 Millionen EUR. All dies kann das strukturelle Defizit des Landeshaushaltes von 4 – 6 Milliarden EUR weiter deutlich erhöhen. Damit werden der Politik in erheblichem Umfang politische Gestaltungsspielräume genommen.
Gleichzeitig dürfen mit dem Inkrafttreten der Schuldenbremse im Jahr 2020 die Bundesländer und somit auch NRW zumindest über den Konjunkturzyklus keine zusätzlichen Schulden mehr aufnehmen. Wir GRÜNE haben diese Art von Schuldenbremse immer kritisiert, weil sie konjunkturell nicht genügend atmet, sondern zu prozyklischer Haushaltspolitik zwingt, auch bei sinkenden Steuereinnahmen während eines wirtschaftlichen Abschwungs. Aus diesem Grund haben wir die Schuldenbremse im Bundestag abgelehnt. Trotzdem stehen wir nun vor der Herausforderung, sie einzuhalten.
Daraus ergibt sich ein finanzieller Handlungsbedarf in einem in der Geschichte des Landes NRW noch nie dagewesenen Umfang. Dabei ist klar, dass alleine durch Einsparungen der Landeshaushalt nicht auszugleichen ist. Schon heute hat NRW mit weniger als 3.300 EUR pro Einwohner*in im Ländervergleich die geringsten Pro-Kopf Ausgaben und in der Landesverwaltung mit rund 16 Stellen pro 1000 Einwohner*innen die relativ betrachtet dünnste Personaldecke aller westdeutschen Flächenländer. Darüber hinaus erfolgen über 40% der Landesausgaben für Personal, überwiegend in den Bereichen, Bildung, Polizei, Justiz und Finanzverwaltung. Gleichzeitig gibt es einen massiven Investitionsstau bei der öffentlichen Infrastruktur. Deshalb wird ein Haushaltsausgleich nur in einem Dreiklang aus Einsparungen, deutlichen Einnahmeverbesserungen und Effizienzsteigerungen zu erreichen sein, wie es erstmals die Grüne Landtagsfraktion Hessen 2010 in ihrem umfassend ausgearbeiteten Konzept dargelegt hat..
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW werden vor diesem Hintergrund ihre Haushalts- und Finanzpolitik für NRW anhand der folgenden Eckpunkte weiterentwickeln:
1. Grüne Haushalts- und Finanzpolitik für NRW soll zukunftsfähig, gerecht und geschlechtersensibel sein sowie Land, Kreisen und Kommunen die Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben ermöglichen. Qualitatives Wachstum, wie es im Green New Deal skizziert wurde, verbunden mit entsprechenden Einsparungen, Umstrukturierungen und Investitionen werden langfristig den Weg zur Konsolidierung ebnen. Grüne Haushaltspolitik folgt dabei dem Prinzip des Gender Budgeting, um unser Ziel eines geschlechtergerechten Haushalts umzusetzen.
2. Vor dem Hintergrund der Schuldenbremse, die ab 2020 bindend ist, wird es eine zentrale Aufgabe der NRW-Haushalts- und Finanzpolitik sein, zeitgleich einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen und die notwendigen Zukunftsaufgaben zu finanzieren. Dazu werden wir uns für einen verbindlichen und gleichzeitig realistischen jährlichen Anpassungspfad einsetzen. Wir sind uns darüber klar, dass dieser Pfad nur einzuhalten ist, wenn das Land deutliche Einnahmeerhöhungen realisiert. Wir werden darauf achten, dass auch beim Konsolidieren die Schwerpunktsetzung der GRÜNEN in der Koalition – Klimaschutz, Gerechtigkeit, Bildung und starke Kommunen – sichtbar bleibt. Die dramatisch hohe Schuldenlast einiger Länder und Kommunen erfordert mehr als die Bedingung zur Begrenzung von Neuverschuldung zu regeln. Wir brauchen wir einen bundesweiten Altschuldenfonds zur Schuldentilgung von Ländern und Kommunen.
3. Da die Bundesländer alleine fast keine Möglichkeit haben, ihre Einnahmen zu erhöhen, wird dies nur möglich sein, wenn der Bund, dessen Politik in den vergangenen Jahren zu einer erodierenden Einnahmebasis für Land und Kommunen geführt hat, deutlich die Einnahmen verbessert, die den Bundesländern zufließen. Getreu dem Motto „starke Schultern tragen mehr“ müssen insbesondere hohe Einkommen und Vermögen u.a. durch eine Reform der Erbschaftssteuer, der Wiedereinführung der Vermögenssteuer und der Anhebung des Spitzensteuersatzes einen größeren Steuerbeitrag leisten. Dabei wollen wir kleine und mittlere Unternehmen durch Freibeträge bei den vermögensbezogenen Steuern schützen. Das Umsteuern in der Steuerpolitik ist nicht nur zur Vermeidung neuer Schulden angezeigt, sondern vermindert auch die gewachsene Kluft zwischen arm und reich. Die großen Unterschiede in der Vermögensverteilung zwischen Männern und Frauen werden reduziert. Darüber hinaus muss der Bund die Kommunen finanziell entlasten, indem er einen größeren Teil der stetig steigenden Sozialkosten, insbesondere die Kosten der Unterkunft und der Eingliederungshilfe, übernimmt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW werden sich der notwendigen Priorisierung von Aufgaben stellen und unsere Beschlüsse zur Erreichung einer Generationengerechtigkeit umsetzen.
4. Zu prüfen ist eine Reform des Länderfinanzausgleiches. Wir setzen uns für einen fairen, anreizkompatiblen und solidarischen Länderfinanzausgleich ein. Anstrengungen für Mehreinnahmen, Effizienz und Einsparungen müssen sich für alle Bundesländer lohnen. Die Einführung eines Steuerwettbewerbs zwischen den Bundesländern lehnen wir ab. Wir fordern eine Förderpolitik ein, die sich nach Bedürftigkeit und nicht nach Himmelsrichtung ausrichtet.
5. Aus unserer Sicht ist eine grundsätzliche wirkungsorientierte Aufgaben- und Effizienzkritik aller Landesaufgaben u.a. hinsichtlich folgender Fragen notwendig:
– Welche inhaltliche/politische Bedeutung wird einer Aufgabe beigemessen?
– Gibt es derzeit rechtlich zwingende Gründe dafür, eine Aufgabe beizubehalten?
– Sind gesetzliche Änderungen möglich und notwendig?
– Welche finanzielle und politische Auswirkung hätten eine Standardreduzierung oder der Wegfall einer Aufgabe?
– Sind Effizienzsteigerungen möglich oder notwendig?
– Gibt es Überschneidungen mit EU-/Bundes- oder kommunalen Aufgaben?
Auf der Basis einer solchen Analyse wollen wir verantwortbare politische Entscheidungen treffen.
6. Konkret unterstützen wir beispielhaft folgende Punkte, welche von der Landesregierung zurzeit in Angriff genommen werden:
– Überprüfung von Landesbetrieben (BLB, Straßen NRW, IT NRW) und maßgeblich vom Land finanzierten Einrichtungen.
– Überprüfung möglicher Einsparpotentiale durch Zusammenlegung von Verwaltungsstandorten.
– Reform öffentlicher Förderprogramme mit dem Ziel, die grundsätzliche Notwendigkeit zu überprüfen, die fortzuführenden Programme dort, wo möglich und sinnvoll, auf Darlehen umzustellen.
– Systematische Überprüfung aller Einnahmetatbestände des Landeshaushaltes.
Einführung des Kieseuro und die Weiterentwicklung des Wasserentnahmeentgelts.
7. Darüber hinaus werden sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW für folgende Punkte zur Sanierung des Landeshaushaltes einsetzen:
– Das Ziel eines strukturell ausgeglichenen Haushalts bis 2020 muss durch einen verbindlichen Fahrplan umgesetzt werden.
– Aufwendungen zur Wirtschaftsförderung sollen im Landeshaushalt reduziert werden (z.B. Zusammenführung von NRW.Invest und NRW.International, Umstellung der EU-Förderprogramme auf Kredite).
– Einführung weiterer ökologischer Lenkungsabgaben. Auf ihre Realisierbarkeit hin zu überprüfen wären beispielsweise eine Neuversiegelungsabgabe, eine Stickstoffüberschussabgabe oder eine Abwärmeabgabe.
– Einführung eines zentralen Schuldenmanagements sowie einer Bundessteuerverwaltung in Deutschland.
– Konsequente Maßnahmen gegen Steuerflucht, aggressive Steuergestaltungen und Steuerhinterziehung. Dazu setzen wir uns gemäß des Beschlusses der LDK in Hagen 2012 auf Bundes- und Europaebene für rechtliche Änderungen ein und leisten in NRW durch stärkere Steuerprüfungen unseren Beitrag.
– Es ist zu prüfen, ob weitere Verwaltungs- und Kontrollaufgaben des Landes durch Gebühren zu finanzieren sind.
– Überprüfung des Systems der Beihilfe mit dem Ziel festzustellen, ob eine Überführung der Beihilfe in die GKV kostengünstiger ist.
– Prüfung der Maßnahmen anderer Bundesländer insbesondere Baden-Württembergs, Bremens und Schleswig-Holsteins, um den Anstieg der Personalkosten des Landes sozialverträglich zu bremsen.
– Bundesratsinitiativen des Landes NRW zur Umsetzung der verschiedenen steuerpolitischen Vorschläge.
– Wiederauflage eines jährlichen Finanz- und Förderberichts, der die Einnahmen und Ausgaben des Landes mit einem Schwerpunkt auf Transparenz aller Subventionen offenlegt.
– Einführung eines „Bürger*innen-Haushalt“ auf Landesebene, durch den Bürgerinnen und Bürgern Gelegenheit gegeben wird, eigene Vorschläge zur Diskussion zu stellen.
Die Verwaltungsstrukturen der kommunalen Gebietskörperschaften sowie der staatlichen Ebenen in NRW sind komplex. Wir wollen prüfen, ob erhebliche Effizienzgewinne durch strukturelle Reformen zu erreichen sind.
In Grünen Wahlprogrammen wollen wir die Finanzierbarkeit der Konzepte darstellen. Neben grundsätzlichen Zielen soll dargestellt werden, welche Projekte in der nachfolgenden Legislaturperiode aus Grüner Sicht prioritär finanziert werden können und sollten.
Wir werden eine zukunftsfähige, generationengerechte und transparente Finanzpolitik zum Markenzeichen grüner Politik machen.
Beschluss des Landesparteirats Grüne NRW vom 3.3.2013 in Mülheim a.d.Ruhr