Banken bleiben ein Risiko
Der Staat soll weiterhin Geldinstitute retten dürfen. Dafür haben die EU-Finanzminister heimlich gesorgt.
Ruth Berschens, Brüssel. Die Bundeskanzlerin persönlich hat es versprochen: „Wir kommen weg davon, dass die Steuerzahler immer wieder für die Banken geradestehen sollen“, versicherte Angela Merkel Ende Juni. „In erster Linie haften die Eigentümer und die Gläubiger der Banken“, ergänzte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.
Wirklich? Zweifel sind angebracht. Denn was die EU-Finanzminister am 27. Juni dieses Jahres in Brüssel beschlossen haben, bietet Steuerzahlern in Wahrheit nicht viel Schutz. Damals hatten die Minister erklärt, dass Aktionäre und Gläubiger einer heruntergewirtschafteten Bank künftig zwingend für Verluste bis zu acht Prozent der Bilanzsumme aufkommen müssen. Erst danach dürfe der Staat einspringen. Eine entsprechende Vorschrift soll in die neue EU-Richtlinie zur Bankenabwicklung eingefügt werden.
Eines haben Schäuble und seine Kollegen allerdings verschwiegen: Sie wollen eine großzügige Ausnahme von der Regel machen. Sie ist im – extrem verklausuliert formulierten – Artikel 27, Absatz 2dIII des Richtlinienentwurfs versteckt. Dort ist von „außergewöhnlicher öffentlicher finanzieller Unterstützung“ die Rede.
Kapitalspritzen oder Bürgschaften dürfen demnach so lange gewährt werden, bis die Aufsichtsbehörde den Daumen über der fraglichen Bank endgültig senkt. Das heißt: Solange die Finanzaufsicht den Startschuss für die Abwicklung noch nicht gegeben hat, sind öffentliche Hilfen für das Institut unbegrenzt möglich. „Der Staat muss nur ein bisschen früher kommen als bisher“, meint der Europaabgeordnete Sven Giegold von den Grünen und fügt hinzu: „Die Finanzminister haben der Öffentlichkeit Sand in die Augen gestreut.“ In den Chefetagen der Banken interpretiert man den Rechtstext genauso. „Die jeweilige Regierung kann noch einen Tag vor dem offiziellen Abwicklungsbeschluss eine Finanzspritze an das betroffene Institut überweisen“, sagte ein hochrangiger Banker dem Handelsblatt.
Für die Steuerzahler in der EU ist das keine gute Nachricht. Erfahrungsgemäß tendieren viele Regierungen in der EU dazu, ihre Banken künstlich über Wasser zu halten und dafür den Staatshaushalt zu plündern. Nach den Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) stützten die EU-Staaten zwischen 2008 und 2011 die Banken mit 3,2 Billionen Euro – entweder in Form von Bürgschaften oder mit direkten Eigenkapitalspritzen. Die Staatsverschuldung schoss deshalb in mehreren EU-Staaten, darunter Deutschland und Großbritannien, sprunghaft nach oben.
Der EU-Finanzministerrat muss nun mit politischem Gegenwind rechnen. Endgültig beschlossen ist die EU-Richtlinie zur Bankenabwicklung nämlich noch nicht. Die Zustimmung des Europaparlaments fehlt noch. Dort regt sich Widerstand – nicht nur bei den Grünen, sondern auch bei den Christdemokraten. „Das ist nicht im Sinne des Erfinders“, kritisiert etwa der CDU-Europaparlamentarier Burkhard Balz. Die Politik habe schließlich immer wieder versprochen, die Steuerzahler künftig zu schonen, wenn wieder einmal eine Bank saniert werden muss. Insofern sei der von den EU-Finanzministern nun geplante neuerliche Freibrief für Staatsbeihilfen „nicht kohärent“, räumt Balz ein.
Ein striktes Nein dazu ist vom Europaparlament gleichwohl nicht zu erwarten. Der federführend für die Richtlinie zuständige schwedische Abgeordnete Gunnar Hökmark befürwortet die staatliche Bankenrettung. Sein Heimatland hatte damit während der schwedischen Bankenkrise in den 90er-Jahren gute Erfahrungen gemacht. Parlamentarier Balz plädiert für eine Übergangslösung. Der Staat könne sich erst aus der Bankenrettung zurückziehen, wenn der geplante Europäische Fonds für Bankenabwicklung gut gefüllt sei. Das dürfte noch mindestens ein Jahrzehnt dauern. „Perspektivisch muss aber klar sein, dass der Steuerzahler am Ende der Haftungskette steht“, meint Balz. Auf den Verhandlungstisch kommt das Thema am 8. Oktober. Dann treffen sich EU-Kommission, Europaparlament und EU-Finanzministerrat zu einer neuen Runde im sogenannten Trialog über die Abwicklungsrichtlinie.
Die Geldbranche selbst hatte sich heftig dagegen gewehrt, Gläubiger zwingend an den Abwicklungskosten zu beteiligen. Das gilt insbesondere für französische Großbanken. Sie befürchten steigende Refinanzierungskosten, wenn Gläubiger mit Senior-Status an den Verlusten von Pleitebanken beteiligt werden. Für das höhere Ausfallrisiko würden die Käufer von Bankanleihen nämlich einen Preis verlangen. Die Banken müssten Investoren also eine höhere Rendite bieten. Gläubiger mit Senior-Status sind in der EU bisher sehr gut abgesichert. Sie müssen selbst dann nicht zu den Sanierungskosten einer Bank beitragen, wenn ein EU-Beihilfeverfahren gegen das Institut läuft. Laut EU-Beihilferecht dürfen nur Gläubiger mit Junior-Status herangezogen werden, wenn die Bank einen Restrukturierungsplan in Brüssel vorlegen muss.