Europaparlament zweifelt an neuen EU-Finanzaufsehern
Quer durch alle Fraktionen gibt es Kritik an den „Kandidaten aus der zweiten Reihe“
Ruth Berschens, Brüssel. Das designierte Spitzenpersonal für die neuen EU-Finanzaufsichtsbehörden stößt im Europaparlament auf Skepsis. „Die Präsidenten dieser Ämter spielen bei der Gestaltung des europäischen Finanzmarkts eine historische Rolle. Das dafür angemessene Format haben die ausgewählten Kandidaten nicht unbedingt“, sagte der konservative Abgeordnete Jean-Paul Gauzès dem Handelsblatt. SPD-Parlamentarier Udo Bullmann schließt sich an: „Das sind keine Leute aus der ersten Reihe. Wir hätten uns mehr Schwergewichte gewünscht.“
Verwundert sind die Europaparlamentarier vor allem über den designierten Präsidenten der EU-Bankenaufsicht: Andrea Enria ist in der Hierarchie der Banca d’Italia nur die Nummer drei. Seine fachliche Qualifikation ist in der EU-Volksvertretung zwar völlig unstrittig. Doch es gibt Zweifel, ob der Mann der Finanzelite Europas auf Augenhöhe begegnen kann. Das gilt auch für Steven J. Maijoor, der die EU-Börsenaufsicht ESMA steuern soll. Bei der niederländischen Wertpapieraufsichtsbehörde agiert Maijoor nämlich auch nur in der zweiten Reihe. Nur an einem Kandidaten haben die EU-Parlamentarier nichts auszusetzen: Gabriel Rodrigo Ribeiro Tavares Bernardino, designierter Chef der EU-Versicherungsaufsicht EIOPA.
Ausgewählt wurden die Präsidenten der neuen EU-Ämter von den Chefs der Finanzaufsichtsbehörden der 27 EU-Staaten. In Deutschland sind das Bundesbankpräsident Axel Weber und BaFin-Chef Jochen Sanio. Die nationalen Chefaufseher hätten es womöglich absichtlich vermieden, durchsetzungsstarke Spitzenleute auf die wichtigen Posten zu setzen, heißt es im Europaparlament. Auf diese Weise wollten sie die neuen EU-Behörden von vornherein schwächen. Dagegen wehren sich die Europaparlamentarier. „Wir haben für eine starke Finanzaufsicht gekämpft und lassen uns das jetzt nicht von schwachen Leuten kaputtmachen“, warnte Sven Giegold, Finanzexperte der Grünen.
Prominente europäische Spitzenbeamte seien gezielt von einer Kandidatur ferngehalten worden, glaubt Parlamentarier Gauzès. Im Europaparlament werden in diesem Zusammenhang zwei Namen genannt: Jean-Pierre Jouyet, Chef der französischen Börsenaufsicht, und David Wright, der langjährige Spitzenbeamte der EU-Kommission.
Die nun ausgewählten Kandidaten müssen sich am kommenden Dienstag einer parlamentarischen Anhörung stellen. Die Abgeordneten haben das Recht, ungeeignete Bewerber abzulehnen, und wollen davon auch Gebrauch machen.
Handelsblatt vom 28.01.2011